25 - Das Gift in ihrem Verstand

200 26 8
                                    

Die ersten goldenen Sonnenstrahlen des Tages erhellen die Dächer Liyues, während Luana regungslos mit den Ellenbogen auf der Fensterbank lehnt und in die Ferne starrt. Durch das geöffnete Fenster weht ein stetiger Luftzug, welcher an ihrer Kleidung und den Haaren zieht. Eine leichte Gänsehaut hat sich auf ihren Oberarmen gebildet. Jedoch verspürt Luana keine Kälte. Ihre Gedanken haben sie bereits an einen anderen Ort getragen.

Zu den Erinnerungen vergangener Wochen. Die Art, wie der Balladeer sie damals behandelte, unterscheidet sich wirklich sehr stark von heute. Er strafte Luana mit Verachtung und Niedertracht. Dennoch schien der Harbinger keine Sekunde an seiner Entscheidung zu zweifeln, als er sie auswählte.

Mit ihrer neuen Rolle an seiner Seite erfuhr sie körperlichen und psychischen Schmerz. Es wirkte als hätte er ein neues Spielzeug gefunden, dem er seinen Willen aufzwingen konnte.

Alles, um sich ihre Treue und Gehorsamkeit zu sichern. Und nachdem Scaramouche sich versichert hatte, dass ihm dies gelungen war, ließ er plötzlich eine andere Seite von sich sehen. Zunächst bloß vereinzelt und vollkommen unerwartet.

Luana konnte kaum sagen, ob dies einen Teil seiner wahren Persönlichkeit abbildete oder letztendlich lediglich dazu diente, um sie zu verunsichern und zu manipulieren. Doch allmählich erkannte sie, dass es scheinbar auch einen winzigen Teil von ihm gibt, der aufrichtig handelt.

Einen Teil, der versucht menschlich zu sein.

Denn das Streben nach dem göttlichen Herzen ist letzten Endes bloß das Resultat seiner immerzu ersehnten Menschlichkeit. Und dies macht sich nun ebenfalls in Luanas Anwesenheit bemerkbar.

Das grausame Verhalten eines herzlosen Monsters ist bloß Fassade. In Wahrheit sind die Gefühle der Puppe noch immer vorhanden. Auch wenn sie sich alle Mühe gibt sie loszuwerden.

Die Fähigkeit ihn zu verstehen wird Luana wohl nie vollständig besitzen, allerdings sind ihr die Gründe für sein Handeln inzwischen nicht länger fremd.

Und möglicherweise ist dies der Grund, weshalb ihr Hass dem Balladeer gegenüber allmählich nachzulassen scheint. Ein schleichender Prozess. Leider liegt das Problem jedoch tiefer. Der Hass auf den Mörder ihrer Schwester war lange Zeit ihr einziger Antrieb. Das, was ihrem Leben einen Sinn verliehen hatte. Der einzige Grund, welcher es ihr ermöglichte am Morgen aufzustehen und weiter zu machen. Sollte dieser Sinn nun verschwinden, was würde dann mit ihr geschehen?

Dies ist wohl eines der Dinge im Leben, die man nicht vorher sehen kann.

Allerdings kann Luana es sich nicht leisten ihr Ziel aus den Augen zu verlieren. Das planlose Hineinstürzen in unbekannte Gefühle ist sicher nichts, was sie einfach in Kauf nehmen würde.

Und deswegen wird sie ihre einzige Aufgabe keines Falls aufgeben.

Nur lassen Gefühle sich leider nicht sehr gut kontrollieren. Dies müssen sowohl Scaramouche, als auch Luana früher oder später wohl noch beide am eigenen Leib erfahren.

Mit einem resignierten Schnauben stößt Luana sich schließlich von der Fensterbank ab wendet sich erneut dem Innenraum zu. Ein relativ geräumiges Zimmer, mit Sofa und einem mittelgroßen Tisch ausgestattet. Nachdem sie am Tag zuvor gegen den Grafen gewonnen hatte, brachte er sie in diesen Raum, um dort zu übernachten. Als wäre es nicht ohnehin schon seltsam genug gewesen, dass sie ein Büroraum in der Bank des Nordens in Schutt und Asche gelegt hatte, bekam sie also auch noch die Möglichkeit in diesem Gebäude zu schlafen. So genau verstand sie die Hintergründe dieser Bank noch nicht. Jedenfalls ist sie in Besitz Snezhnayas und stellt wohl ein zentraler Knotenpunkt für die Operationen der Fatui dar. So ist es scheinbar auch nicht besonders verwunderlich, dass sie hin und wieder als Unterkunft für den ein oder anderen Harbinger dient.

To Be Hated By HerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt