38 - Das Strahlen seiner Augen

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,,Oh, du bist bereits zurück," begrüßt Il Dottore Luana, als diese soeben suchend den Flur durchquerte. Ist es Glück oder bloß ein seltsamer Zufall, dass er genau dann den Raum verlässt, wenn sie in der Nähe ist?

,,Wo ist Scaramouche?" erkundigt sie sich sofort. Der Doktor lehnt sich mit einem freundlichen Lächeln gegen den Türrahmen und verschränkt die Arme vor der Brust. Aus ihrer Perspektive kann Luana keinen Blick auf das Innere erhaschen. Die versteckte Boshaftigkeit in seinem Grinsen lässt ihre Nackenhaare allerdings zu berge stehen.

,,Er ist zur Zeit nicht vollständig aufnahmefähig," erklärt der Blauhaarige ihr nebensächlich, ,,du kannst die Wissenskapseln aber an mich übergeben und ich werde sie sicher verwahren."

Luana starrt für einige Sekunden in sein blasses Gesicht. Trotz der Tatsache, dass es zur Hälfte von einer Maske verdeckt ist, besitzt seine gesamte Erscheinung eine beeindruckend, starke Ausstrahlung. Eine Wirkung, die sicherlich in der Lage ist den Willen eines jeden zu brechen, der sich ihm zu widersetzen droht.

Selbst Luana erscheint es nicht sonderlich ratsam sich mit ihm anzulegen.

,,Na schön."

Sie holt den kleinen Lederbeutel aus ihrer Tasche hervor und übergibt ihn an Dottore. Wohl wissend, dass sich drei der Wissenskapseln nach wie vor in ihrem Besitz finden.

,,Wo sind die restlichen Kapseln?" fragt der Doktor sogleich, nachdem er einen Blick in den Beutel warf. Für einen winzigen Augenblick gefriert Luana das Blut in den Adern.

Hat er sie etwa bereits auf Anhieb durchschaut?

Nein. Egal, wie beeindruckend seine Fähigkeiten auch sein mögen, selbst der zweite Harbinger könnte niemals so schnell zu dieser Schlussfolgerung gelangen.

Und dann erinnert sich Luana wieder daran worüber sie mit dem Weisen gesprochen hatte.

,,Azar sagte, dass sie erst noch nach Sumeru gebracht werden müssen. Wegen einiger Lieferschwierigkeiten lässt sich der genaue Zeitpunkt jedoch noch nicht festlegen."

Er sagte, es würde etwa eine Woche dauern. Doch ein Teil der Wahrheit wird ebenso glaubwürdig erscheinen. Vielleicht könnte Luana die Pläne der Harbinger somit noch etwas hinauszögern? Selbst wenn es im Endeffekt bloß Tage oder Stunden sind. Sie muss jede Chance ergreifen, solange sie noch dazu in der Lage ist.

Sicherlich hat der Blauhaarige die aufflackernde Panik in ihren Augen von zuvor nicht bemerkt oder?

,,Ich verstehe," spricht dieser nun entspannt. Er stößt sich vom Türrahmen ab und geht an ihr vorbei. Ohne ein weiteres Wort verschwindet er in der Dunkelheit des langen Flures. Luanas Blick verweilt noch einen Moment länger auf seinem Rücken, während ihre Gedanken sie zunehmend beunruhigen.

Il Dottore ist wirklich schwer einzuschätzen.

Doch das lähmende Gefühl der Angst in ihrer Brust, welches aufgrund seiner Anwesenheit entsteht, lässt sich nicht länger leugnen.

Es ist eine alarmierende Vorahnung, die Luana ihre eigene Machtlosigkeit bloß noch mehr verdeutlicht.

Ihr bleibt keineswegs mehr viel Zeit, um irgendetwas dagegen zu unternehmen.

Luana reißt ihren Blick von der Finsternis los und wendet sich der Tür zu, aus der Dottore gekommen war. Ihre Neugierde siegt schließlich über das Unbehagen und spornt sie dazu an endlich zu erfahren, was sich im Inneren des Raumes befindet.

Die Tür schwingt zur Seite. Ihr Puls verschnellert sich. Zunächst wirkt das Ambiente dem einer Arztpraxis ähnlich. Doch bei genauerem Hinsehen fallen die ungewöhnlichen Vorrichtungen und Werkzeuge ins Auge. Sterile Metalltische. Zum Teil mit Fesseln ausgestattet. Ein Ort, dessen Kälte bloß von der schier leblosen und unmenschlichen Atmosphäre übertroffen werden könnte.

To Be Hated By HerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt