Das Schiff wiegt sanft auf den seichten Wellen des Meeres, während Scaramouche nach und nach den Stapel an Dokumenten auf seinem Tisch abarbeitet.
Der kleine Raum ist in Stille gehüllt. Lediglich der Wind pfeift hin und wieder durch die Ritzen der Holzdielen. Eine kleine Lampe auf dem Schreibtisch erzeugt gerade genügend Licht, um die Papiere darauf zu überblicken.
Draußen herrscht inzwischen tiefste Nacht.
Letztlich legt der Dunkelhaarige seinen Stift jedoch zur Seite. Etwas scheint ihn zu beschäftigen. Der Blick fällt auf die Tür rechts des hölzernen Tischs.
Das Zimmer, in dem seine Assistentin derweil friedlich in ihrem Bett schläft.
Er sagte ihr, dass sie dieses Zimmer nutzen könnte, da er sowieso nicht schlafen würde. Es scheint, als hätte der Balladeer inzwischen den Punkt erreicht, den er zu Beginn vorgesehen hatte. Ihr schwindender Hass bringt ihre Emotionen in Konflikt. Luanas Überzeugungen sind geschwächt, ihre Seele angreifbar. Und es genügte bloß ein einziger Stoß, um das gesamte Kartenhaus zum Einsturz zu bringen.
Ein einziger Angriff auf ihre Psyche und der Wille in ihrem Herzen ist gebrochen.
Scaramouche hatte dieses Kartenhaus geduldig und mit großer Präzision aufgebaut.
Doch nun, da der Zeitpunkt gekommen ist, um es zu zerstören, zögert er plötzlich.
Dem Harbinger gefällt es, wie sie ihn ansieht. Als bestimme seine bloße Existenz ihr gesamtes Leben. Ein Funkeln in ihren Augen, welches er schon seit sehr langer Zeit nicht mehr bei einem Menschen sah. In diesem Moment muss er sich seine eigene Schwäche eingestehen. Er will dieses Gefühl nicht verlieren.
Und dabei hatte er sich doch geschworen die Menschen zu hassen. Sich über die Existenz eines jeden einzelnen von ihnen zu stellen.
Also warum bildete Luana da nun plötzlich eine Ausnahme?
Womöglich ist dies seine letzte Chance. Eine der letzten Nächte, bevor sein erbärmliches Leben in dieser Form ein Ende nehmen würde.
Es ist die letzte Nacht, in der Scaramouche die lästigen Gefühle zu lassen könnte, welche er für diese Frau hegte.
Ein flüchtiger Blick auf das Dokument, welches vor ihm auf dem Tisch liegt. Es handelt sich um einen ausführlichen Bericht über die aktuellen Geschehnisse in Inazuma. Der Dunkelhaarige schiebt ihn zur Seite und steht von seinem Stuhl auf. Den Hut lässt er auf dem Schreibtisch zurück, als er sich nun in Bewegung setzt und die Tür zu seiner rechten ansteuert.
Dann betritt der Balladeer den dunklen Raum, welcher dahinter liegt. Kaum mehr als ein schmales Bett befindet sich darin. Das winzige Fenster trägt nicht unbedingt zur Beleuchtung bei. Die Spiegelung des Mondes auf dem Wasser, wirft zumindest ein paar Lichtreflexe in den finsteren Innenraum. Lautlos setzt der Harbinger sich auf die Kante des Bettes und lässt seinen Blick über die schlafende Gestalt seiner Assistentin schweifen. Ruhig liegt sie da, das Gesicht im Kissen vergraben und die Decke bis zum Hals nach oben gezogen. Ihre Schulter hebt und senkt sich regelmäßig.
Er hatte die Menschen immerzu um die Fähigkeit des Schlafens beneidet. Ein schwereloser Zustand, der einem erlaubt an jeden Ort in seinen Träumen zu reisen. So ähnlich hatte es ihm der kränkliche Junge, den er damals seinen Freund nannte, zumindest beschrieben.
Es ist eine einfache Möglichkeit, um dieser elenden Realität zu entfliehen und von allen lästigen Gedanken befreit zu werden.
Ihm ist dieser friedliche Zustand nicht vergönnt. Lediglich die Nachahmung gelingt dem Dunkelhaarigen ansatzweise, wenn er die Energielevel in seinem Körper herunterfährt und die Augen schließt. Dieser Zustand hält allerdings bloß eine finstere Leere für ihn bereit.
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To Be Hated By Her
FanfictionDer Grad zwischen Liebe und Hass ist sehr schmal, so sagt man... Doch in Luanas Fall kann davon nicht die Rede sein. Sie hasst den Mörder ihrer großen Schwester mit jeder Faser ihres Körpers. Dies könnte ihr allerdings früher oder später zum Verhäng...