12 - Ein Bild seines Charakters

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Ein angenehmer Geruch liegt in ihrer Nase, als Luana langsam zu Bewusstsein kommt. Irgendwie süßlich und dennoch erfrischend. Es erinnert sie an den Duft von Zuckerblumen nach einem kurzen Regenschauer.

Eine starke Wärme strahlt auf ihr Gesicht sowie die Vorderseite ihres Körpers ab. Und mit dem Öffnen ihrer Augen wird auch recht schnell deutlich, was der Ursprung dessen ist. Sie liegt etwa einen Meter von einer Feuerstelle entfernt. Unter ihr harter Boden aus Stein. Nicht unbedingt bequem, jedoch hat der Untergrund ebenfalls etwas von der Hitze des Feuers aufgenommen und sich somit zu einer zweiten Wärmequelle entwickelt, um ihren unterkühlten Körper zurück ins Leben zu holen.

Luana stützt sich vorsichtig auf ihre Unterarme und betrachtet somit auch noch den Rest ihrer Umgebung. Es handelt sich um eine Höhle, von der jedoch nur ein geringer Teil durch das Licht des Feuers erhellt wird. Und dann fällt ihr Blick auf Scaramouche, welcher ihr gegenüber an eine Wand gelehnt sitzt. Er scheint gar nicht bemerkt zu haben, dass Luana aufgewacht ist. Mit regungsloser Miene starrt der Harbinger vor sich in die Flammen. Schatten flackern über sein Gesicht. Dieses Bild an sich wäre schon unheimlich genug, doch es ist viel mehr der Ausdruck in seinen Augen, der sie beunruhigt.

Ein Blick, der wirkt, als würden sich Erinnerungen Jahrhunderte langen Leidens in seinem Kopf abspielen.

Erneut steigt Luana dieser süßliche Duft in die Nase. Erst jetzt erkennt sie dessen Ursprung. Neben des weißen Mantels, den sie trägt, liegt noch ein weiteres Kleidungsstück auf ihr. Der Mantel des Balladeers. Es ist sein Geruch, der daran haftet.

Hatte er sie tatsächlich damit zugedeckt? Luana weiß wirklich nicht, was sie von dieser plötzlichen Fürsorge halten soll. Versucht er sie damit auf irgendeine Art und Weise zu manipulieren?

Schließlich nimmt sie den Mantel ihres Masters und legt ihn sorgfältig zusammen. Nun scheint der Dunkelhaarige endlich aus seiner Gedankenwelt zurück zu kehren.

,,Schlaf weiter. Es ist mitten in der Nacht und ein Schneesturm ist aufgezogen... fürs erste sitzen wir sowieso hier fest," weist er Luana nüchtern an. Keine Emotion liegt in seinen Augen. Mit einem Mal fragt sie sich allerdings, ob er sich lediglich dazu entschied jeden seiner Gefühle selbständig abzutöten. Jedenfalls hält sie seinem leeren Blick nicht länger stand. Stattdessen starrt Luana schuldbewusst auf ihre Hände.

,,Nur meinetwegen sind wir jetzt in dieser Lage... ich bin bereit jede Form der Konsequenzen dafür zu tragen, Master."

,,Das wirst du schon noch früh genug," seufzt Scaramouche mit einem unheilvollen Grinsen auf den Lippen, ,,aber was willst du nun daran ändern? Nutze die Zeit lieber, um dich zu erholen."

Luana rutscht bloß etwas unbehaglich auf ihrem Platz hin und her, nicht wissend, ob ihre nächsten Worte ihn erneut gegen sie aufbringen würden. Immerhin handelte es sich um einen Befehl oder nicht?

,,I-ich kann jetzt sicher nicht mehr schlafen...," gibt sie ein wenig unsicher von sich, ,,mir geht es schon viel besser. Danke, dass du mich hergebracht hast."

Vielleicht würde ihre letzte Aussage ihn ein wenig besänftigen. Entgegengesetzt all ihrer Erwartungen, erklingt ein schelmisches Lachen von Seiten des Harbingers.

,,Was ist los? Kannst du jetzt plötzlich nicht mehr einschlafen, wenn ich in deiner Nähe bin?"

Die unerwartete Verspieltheit in seinen Augen wirkt sich fast noch stärker auf Luanas Gemütszustand aus, als wenn er wütend geworden wäre.

,,Das sah vorhin aber noch ganz anders aus," grinst der Dunkelhaarige und verschränkt die Arme vor der Brust. Was ist das für ein Gesichtsausdruck? Für ein Leuchten in seinen Augen? Es bringt Luana zum erröten. Ihren Atem zum Stocken und ihre Hände zum Schwitzen.

To Be Hated By HerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt