Jeno brach den Blick auf die Türe ab und sah Jaemin an. Seine geröteten Wangen brachten seine dunklen Augen zum Leuchten und Funkeln, während er ebenfalls wieder Jeno ansah.
»Ich...«, stotterte Jeno und er hätte schwören können, dass er in den letzten fünf Jahren seines Lebens nicht mehr gestottert hatte.
»Ich sollte gehen«, ergriff Jaemin schlussendlich das Wort und löste sich aus Jenos Griff, der nichts anderes tun konnte, als Jaemin gehen zu lassen und ihm zuzusehen, wie er den Raum mit leichten und schnellen Schritten verließ.
Es brauchte einige Sekunden, bis Jeno seinen eigenen Körper in den Griff bekam und er sich auf seinen Stuhl, auf welchem er zuvor gesessen hatte, wieder niederließ.
Er fuhr sich durch die Haare und über sein Gesicht, um einen klaren Gedanken zu fassen, doch das einzige was er erreichte waren seine Gedanken, die ihn Jaemins Lippen noch immer auf seinen eigenen spüren ließen, einen angehaltenen Atem außerhalb des Raumes ausstoßen und einen abrupten Atemzug einsogend hören und die Erinnerung wie er seinen Kopf in diese Richtung schwenkte und die Hälfte Renjuns Gesicht sah, der mit seiner honigfarbenen Haut und eines der schokoladenbraunen Augen weit aufgerissen durch die geöffnete Türe schaute.
Ein Gefühl machte sich in ihm breit, als hätte er etwas vermasselt, doch er wusste nicht, was. Etwas in seinem Brustkorb schmerzte, tiefliegender als jede Schuss-, Stich- oder Schnittwunde, doch er wusste nicht, warum.
Vielleicht musste er einfach nur schlafen, um am nächsten Tag einen klaren Gedanken fassen zu können.
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Am nächsten Tag hatten sich seine Gedanken teilweise geschlichtet und er konnte sich wieder darauf konzentrieren, die anderen vier aufzuwecken. Er fand Renjun nicht weit von seinem Zimmer entfernt in einer Ecke sitzen, den Kopf auf die Knie gelegt und seine Augen rötlich.
Jenos Atem stockte, bevor er sich von seiner Starre losreißen konnte und rüttelte Renjun etwas gröber als vorgesehen an der Schulter wach. Verwirrt öffnete er die Augen und sah sich um, anscheinend war er sich nicht klar gewesen, wo er sich befand und warum. Als er Jeno vor sich sah, beruhigte er sich augenblicklich und rappelte sich auf.
»Brechen wir auf?«
Jeno nickte und drehte sich um, um die anderen aufzuwecken. Er brachte es nicht über sich, Renjun, mit seinen verweinten Augen zu lange anzusehen.
Jisung schaffte es, sofort munter und wach zu wirken, und Jaemin und Donghyuck erwachten wegen der vielen Schritte durch die Räume.
»Müssen wir schon los...?«, hörte Jeno Donghyuck mehr zu sich selbst murmeln, als zu anderen und sah im Augenwinkel, wie er sich streckte und gähnte.
Jeno kümmerte sich nicht darum, seinen Schlafraum aufzuräumen, den anderen schien es ähnlich zu gehen, abgesehen von Jisung, der seine Decke sorgfältig zusammenlegte und Jaemin mit einem bittenden Blick ebenfalls dazu brachte, die anderen Decken in Schubladen und Kisten zurückzulegen.
Jeno holte sich seinen Mantel aus dem Zimmer, wusch sich noch seine Hände und sein Gesicht, dann ging er, gefolgt von Donghyuck und Jisung, die sich erstaunlicher Weise dazu gebracht hatten mit ihm in den Hinterhof zu den Ställen zu gehen um die Pferde zu satteln, die Treppe in das Gasthaus hinunter, seine Schritte machten kaum einen Laut, jedes Mal, wenn seine Füße den Boden berührten. Im Gasthaus war noch niemand außer eine der Kellnerinnen, die die Tische und Stühle ein letztes Mal, bevor die ersten Kunden kommen würden, putzte.
Es war eine frühe Morgenstunde, die Sonne warf noch lange Schatten auf die Erde und die Luft war noch frisch und feucht, auf den Gräsern und Holzstützen des Gasthauses war der Tau noch in zarten perlenden Tropfen zu sehen. Es war ruhig. Zu ruhig für Jeno und es ließ ein ungutes Gefühl in seinem Magen aufsteigen. Den Blick, ohne seinen Kopf zu bewegen, nach links und rechts schwenkend, in der Hoffnung, etwas im Augenwinkel erkennen zu können, ging er in die Ställe und führte gemeinsam mit Donghyuck und Jisung die Pferde aus ihren Ställen um sie zu putzen, bevor sie in den Tag starten würden.
Eine Explosion ertönte. Jeno riss die Augen auf und riss seinen Kopf herum zum Ausgang der Ställe.
»Bleibt hier!«, rief er Donghyuck und Jisung zu, die sich sofort einen Blick zuwarfen und gleichzeitig anfingen, ihre Arbeit zu verschnellern, während Jeno mit großen Schritten nach draußen lief.
Jaemin war auf den Beinen und wehrte sich gegen zwei Männer, die mit langen Messern vergeblich versuchten ihn zu verletzen und Jaemin geschmeidig unter ihren gekonnten Messerhieben hindurchglitt. Renjun halb lag- halb saß auf den Steinen des Hofes und rappelte sich auf. Von seiner Stirn floss Blut. Seine Arme zitterten unter seinem Gewicht, bis er es wackelig auf die Beine schaffte.
Jenos Herz klopfte schnell in seiner Brust, während er in Schockstarre dastand und zusah, wie eines der Messer nur wenige Zentimeter an Jaemins Oberkörper vorbeiglitt und die Körperspannung langsam schwand, während er sich gegen zwei ausgebildete Kämpfer wehrte und immer näher an eine Wand gedrängt wurde.
Sein Blick schwenkte zu Renjun, der ihn mit weit aufgerissenen Augen ansah und Jenos Blick, der kurz darauf wieder auf Jaemin lag, folgte.
Dann stand Renjun mit Schwung auf und stürzte sich auf eine der zwei Männer, die Jaemin angriffen. Jenos Gedanken setzten für einen weiteren Bruchteil einer Sekunde aus. Warum sollte Renjun Jaemin auf einmal, nachdem er ihn mit so viel Abneigung und Ekel behandelt hatte, das Leben retten? Dann begann Jeno, ohne noch mehr Zeit zu verschwenden, zu rennen, über den ganzen Hof, obwohl er wusste, er würde nicht rechtzeitig bei ihnen sein, um beide retten zu können.
Als der Mann Renjun sah, schubste er Jaemin von sich, der jedoch einen seiner scharfen Klingen, die er in seinem Gürtel trug, hervorzog und mit einer gekonnten Bewegung in seinen Unterarm schleuderte. Der Mann brüllte auf und ließ Renjun los, der andere der beiden packte Jaemins Arme und zog sie nach hinten, sodass Jaemin schmerzerfüllt sein Gesicht verzog und die Augen zusammenkniff.
Die Typen nickten sich zu und entfernten sich, Jaemin noch immer fest gefasst und warfen eine kleine Handgranate in Renjuns Richtung, der sofort versuchte wegzukriechen, doch da war Jeno schon bei ihm und packte Renjun und drückte ihn mit seinem eigene Körper zu Boden, um seinen ohnehin schon geschundenen Körper wegen der ersten Explosion zu schützen.
Nicht weit von ihnen explodierte die zweite Handgranate und Jeno presste Renjun noch schützender in den harten Boden.
Als die Explosion verklungen war und Jeno das Gefühl zurückerlangt hatte, atmen zu können, erhob er seinen Körper ein wenig aus Renjuns dichten Haaren und sah auf den erschöpften Renjun herab.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Jeno mit rauer Stimme und wischte sanft den Staub und Dreck von Renjuns Wange herunter.
Renjun nickte schwach und löste den Blick von Jeno und ließ ihn zur Seite schweifen.
Erschrocken riss er die Augen auf, ohne ein Wort herauszubringen.
Zum zweiten Mal an diesem Tag riss Jeno den Kopf herum, nur um vor sich einen leeren Hof vorzufinden, auf dem steinernen Boden die letzten Spuren der Explosionen sichtbar.
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Wo ist Jaemin? 👀
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sᴛᴀʀᴛ ᴀ ғɪʀᴇ | norenmin
FanfictionEin geheimer Auftrag. Geld. Ein alter Bekannter und Verbindungen. Jeno wurde auf Todesstrafe aus der Stadt verbannt, doch für ein Geschäft kehrt er zurück, wo er Verbündete trifft. Der Auftrag: einen entführten Geliebten zurückzuholen. Eine Aufgabe...