Jeno seufzte genervt und sah ein letztes Mal auf seine Uhr, die er den restlichen Abend nicht mehr aus seiner Tasche nehmen würde. Wenn sie die nächsten zehn Minuten überleben würden, war ihr Weg mit Mark zurück nach Sag'Dromar gesichert.
»Hallo, Karl.«
Karl war blass um die Nase geworden, als er Jeno und Donghyuck sah. Jenos Lippen zogen seine Mundwinkel zu einem Lächeln, das seinen Augen nur einen gefährlichen Glanz gab, keine Wärme, keine Sympathie, keine Freude, nicht einmal Schadenfreude.
Karl schluckte schwer. »Wie...«
Jeno ignorierte seine Frage und sah sich mit hochgezogenen Augenbrauen im Raum um. In den Schatten, in die kein Licht drang, standen mehr Gestalten, in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden, was ihnen peinlich schlecht gelang, aber Jeno beschloss, mitzuspielen. Er rieb die Luft zwischen seinen Fingern und zuckte skeptisch mit den Schultern.
»Ein bisschen staubig hier, findest du nicht?«
»I... Ich weiß es nicht«, kam Karls Antwort abgehakt und verlegen, als wäre er derjenige, der unbefugt hier war.
»Wie bitte? Ich hab dich nicht verstanden.« Jeno trat näher, sah sich um, ohne Karl auch nur einmal dabei anzusehen. Auch Mark, der erstarrt vor ihm saß, bewegte keinen Muskel. Mark und Jeno hatten sich schon einige Male gesehen und miteinander gesprochen, aber Mark wusste vermutlich, dass es besser war, das nicht zu zeigen.
Mark wirkte ausgehungert und müde, als wäre es ihm seit Wochen nicht mehr ermöglicht gewesen, gescheit schlafen zu können und gute Mahlzeiten zu vertilgen. Es war höchste Zeit, dass er tatsächlich hier heraus musste. Seine Haare waren ungepflegt und zerzaust und verknotet, seine Augen glitzerten ungesund und alles an seinem äußerlichen Erscheinen schrie nach Hilfe, die so lange nicht gekommen war.
Er wollte diesen Moment, wo er die Oberhand hatte, noch genießen, weil er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Karl sich wieder gefasst hatte und mit Gewalt zurückschlagen würde und was die Zahl der Anwesenden fürs Kämpfen betraf, so waren sie in der eindeutigen Unterzahl.
Er sah bereits, wie die Farbe in Karls Gesicht zurückkehrte und er wünschte sich, er könnte den verlorenen Ausdruck auf Karls Gesicht noch ein wenig länger genießen. Aber alle Dinge gingen irgendwann einmal zu Ende und ehe er es sich versah, rief Karl: »Ergreift sie!«
Jeno wurde von hinten an seinen Armen gepackt, genau wie Donghyuck und weiter in den Raum gedrängt, an Mark vorbei, der jeder Bewegung mit seinen Augen folgte, bis sie vor Karl standen.
»Kniet nieder.« Es war ein Befehl, den niemand von ihnen ausführte, gar den Ansatz machte.
Jeno beugte seinen Kopf vor und er sah noch Karls zufriedenes Lächeln, bis Jeno einen Speichelbatzen formte und hinunter auf Karls Schuhe fallen ließ. »Über meine Leiche«, sagte er, als er den Kopf wieder hob und in das zornrote Gesicht sah. »Wegen dir bin ich aus Tizoth verbannt worden, nur damit du etwas erreichen konntest. Aber es hat nicht einmal funktioniert, weil du ein erbärmliches Stück bist, Karl und nie etwas ohne uns auf die Reihe bekommen hast.«
»Das stimmt doch gar-« Karl wurde unterbrochen, als die Türe, durch die Jeno und Donghyuck gegangen waren, aufgestoßen wurden und zwei breitschultrige Männer herein traten, der eine hatte Renjun vor sich, der andere Chenle.
»Hier sind zwei Bengel, die vor der Tür standen und...«, sagte der eine, der Chenle hielt und den es nicht zu kümmern schien, dass Karl gerade angesetzt hatte zu sprechen.
»Genau das meine ich.« Sobald Jeno seine Stimme erhob, verstummte der Mann.
»Du wünschst dir so sehr an der Macht zu sein, dass es mir schon fast weh tut, dir dabei zuzusehen. Du hast alles, was du konntest, in die Wege geleitet, dass ich aus Tizoth verbannt werde. Aber dann verlässt du die Stadt, weil du bemerkst, dass du ohne mich oder Donghyuck unfähig bist, etwas in dieser Stadt auszurichten und dir slebst einen Namen zu machen. Das ist doch so, oder vertue ich mich hier?«
Karl schwieg. Ein betretenes Schweigen, was zuerst Scham in seinen roten Wangen zeigte, dann verwandelte sich das Rot des Schams in das des Zornes, er ballte seine Hände zu Fäusten zusammen und biss seinen Kiefer fest zusammen, dass man die Kieferknochen aus seinem kantigen Gesicht herausstehen sehen konnte.
Er winkte den Mann, der Renjun hielt, zu sich, der Renjun zu ihm schleppte. Karl packte Renjun, der kurz davor schien, zuzuschlagen, aber sobald er Blickkontakt mit Jeno aufbaute und dieser leicht den Kopf schüttelte, blieb er still und ließ alles geschehen.
Karl zog ein Messer aus seinem Gürtel und hielt es Renjun an die Kehle, der die Augen aufriss und Jeno bittend ansah. Aber Jeno verneinte noch immer, trotz der schimmernden Angst und der Frage, sich wehren zu können, die zugleich in seinen Augen schimmerten.
Jenos Herz schlug schnell gegen seine Brust vor Angst, als er die silberne Klinge an Renjuns Hals sah, die leichte Angst, die in seinem Blick lag, aber Jeno zwang sich, ruhig zu bleiben.
»Hör auf mit deinen Spielchen, Jeno. Sonst...«
»Sonst was?«, fiel Jeno ihm ins Wort. »Sonst tötest du ihn?«
»Ist dir die Kameradschaft denn egal?«
»Fragst du das mich oder dich?«
Karl erstarrte und sah Jeno einen Moment lang unbewegt an, als könne er nicht fassen, wie Jeno das sagen konnte, ohne einen Funken Emotionen zu zeigen und im Inneren klopfte Jeno sich stolz auf die Schultern, als er genau das erreichte, was er erreichen wollte.
»Ist es dir egal, dass er sterben könnte, mit nur einer Handbewegung?«, fragte Karl.
»Nein. Deinen anderen Gästen auch nicht.«
»Welche anderen Gäste, ich habe keine anderen...«
Die Türe wurde hinter Jeno aufgestoßen und Jeno musste sich nicht einmal umdrehen um zu wissen, wer hineinkam und was als nächstes passieren würde und stur sah er Renjun weiter an und lächelte ihm sanft zu, während Karl abgelenkt war.
»Karl, mein Herr, es sind irgendwelche Schläger hier, sie sind wütend und wollen nicht einmal erklären, warum sie hier sind! Sie haben alle unsere Wachen niedergeschlagen und sind jetzt auf dem Weg, Euch zu finden! Ihr müsst-« Der Bote konnte nicht fertig sprechen, da ertönte lautes Gepolter von der Treppe bei der Türe und ehe der Bote hineinkommen konnte und die Türe von innen verriegeln konnte, durchbohrte ein Armbrustbolzen seine Brust direkt in durch sein Herz und es waren zwei Männer und zwei Frauen bereits durch die Türe gerannt und stürzten sich ohne zu zögern auf Karl und seine Männer.
Jeno stand nur dazwischen und sah zu, wie das Desaster um ihn herum ausbrach.
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sᴛᴀʀᴛ ᴀ ғɪʀᴇ | norenmin
FanfictionEin geheimer Auftrag. Geld. Ein alter Bekannter und Verbindungen. Jeno wurde auf Todesstrafe aus der Stadt verbannt, doch für ein Geschäft kehrt er zurück, wo er Verbündete trifft. Der Auftrag: einen entführten Geliebten zurückzuholen. Eine Aufgabe...