Teil 6 - Ivy

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Ivy

Bis zuletzt hatte ich daran gezweifelt, dass ich heute Abend wirklich rausgehen würde. Ich konnte auch immer noch nicht fassen, dass ich tatsächlich hier war. Schuld daran war einzig und allein Miles. Das redete ich mir zumindest ein. Dabei wusste ich nur zu gut, dass ich auch selbst einfach viel zu neugierig auf diese Party gewesen war. Aber alleine wäre ich ja dann doch vermutlich nie hier aufgetaucht. Wir hatten uns bringen lassen. Dabei hätte Miles ja über ein Auto verfügt. Aber zum Glück hatten seine Eltern keine Fragen gestellt, wieso er nicht selbst fuhr. Sonst wären die sofort dahintergekommen, dass wir heute Abend wohin fuhren, wo definitiv Alkohol im Spiel war.

Als wir vor Aidens Haus ausgestiegen waren, hatte ich nicht schlecht gestaunt. Es war riesig. Wie groß das gesamte Grundstück war, wurde mir erst jetzt richtig bewusst, als ich den Garten betrat. Kein Wunder, dass sie damals umgezogen waren. Das Haus neben unserem, in dem die Familie früher gewohnt hatte, war wesentlich kleiner. Mir wurde jetzt erst bewusst, wie reich diese Leute sein mussten, die in dieser Gegend wohnten.

„Okay, wir sind tatsächlich hier", murmelte Miles neben mir. „Stürzen wir uns ins Getümmel."

„Warte!" Ich hielt ihm am Arm fest. „Was sollen wir überhaupt machen? Wie sollen wir uns verhalten?"

„So als wärst du nicht zum ersten Mal auf so einer Party", erwiderte er und schüttelte meine Hand ab. Ich hatte gar keine andere Wahl als ihm über den Rasen zu folgen, wenn ich nicht einsam am Eingang hätte stehen bleiben wollen, wo mich jeder hätte anstarren können.

Es war völlig verrückt, hier zu sein. Keine Ahnung, wie viele Leute gekommen waren, aber man hatte das Gefühl, als wäre man auf einer Schulveranstaltung gelandet. Ich lief an vielen bekannten Gesichtern vorbei, die mich in der Schule normalerweise kaum eines Blickes würdigten. Täuschte ich mich, oder starrten mich jetzt doch einige unverhohlen an? Ich begann augenblicklich mich komplett unwohl zu fühlen.

„Miles", rief plötzlich irgendein Kerl, dessen Namen ich tatsächlich nicht kannte. Sein Gesicht kam mir zwar wage bekannt vor, aber ich konnte ihn nirgendwo zuordnen, was wohl hieß, dass ich noch nie mit ihm zusammen in einem Kurs gesessen hatte.

Miles ging schnellen Schrittes auf die Gruppe von Jungs zu und ich musste mich schnell entscheiden, ob ich ihn alleine gehen lassen wollte, oder ob ich ihm lieber folgen sollte. Ich entschied mich für letzteres. Hauptsächlich nur deshalb, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hätte hingehen sollen. Ich fand es schön zu sehen, wie Miles mit Handschlag begrüßt wurde. Er hatte es zwar nie laut gesagt, aber ich war mir relativ sicher, dass er sich eigentlich wünschte, mehr männliche Freunde zu haben. Allerdings waren ihm wohl zu oft welche blöd gekommen, seitdem er sich geoutet hatte. Es würde mich wirklich freuen, wenn er den Anschluss wieder herstellen könnte.

„Hey, wen hast du denn da mitgebracht?", fragte der Kerl, dessen Namen ich nicht kannte und starrte mich dabei unverhohlen an. Auf einmal kam es mir nicht mehr so clever vor, mich dieser Gruppe Jungs anzuschließen.

„Das ist Ivy", stellte mich Miles vor, nachdem ich selbst scheinbar für kurze Zeit das Sprechen verlernt hatte.

„Hast du sie mitgebracht oder hat sie irgendwer eingeladen?"

„Sophie hat gesagt, ich könnte kommen", sagte ich.

„Was hat es überhaupt mit diesen komischen Einladungen auf sich?", fragte Miles. „Im Grunde scheint gefühlt jeder irgendwen einladen zu können, oder?"

„Vermutlich wollte man damit absichern, dass nicht so viele kommen", antwortete der Typ, der – das dachte ich zumindest – vermutlich Miles eingeladen hatte. „Allerdings hast du recht. Im Grunde hat das nicht wirklich funktioniert."

Torn - Die Liebe und alles dazwischenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt