Teil 61 - Aiden

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Aiden

Die letzten Tage waren eine einzige Katastrophe gewesen. Erst hatte ich mich in diese dämliche Prügelattacke gegen Finn mitreinziehen lassen, wobei ich selbst einige Schläge hatte einstecken müssen. Dann war ich von Ivy auch noch dafür verurteilt worden. Sie hatte mich angesehen, als sei ich ein blutrünstiges Monster. Später hatte ich Dad alles erklären müssen, als ich so grob zugerichtet zu Hause erschienen war, während Finn nur eine kurze Weile vorher bei ihm im Krankenhaus abgeliefert worden war. Immerhin hatten einige Leute auf Deans Party genug Anstand bewiesen, ihn im Krankenhaus abzuliefern. Wobei damit die ganze Scheiße noch längst nicht zu Ende war. Danach fing es erst an, richtig schlimm zu werden.

Natürlich hatte es nicht lange gedauert, bis die Polizei auf der Matte stand. Bei so ziemlich allen, die auf Deans Party waren. Wir konnten uns auf eine Anhörung gefasst machen. Mein Dad war ausgerastet, als er davon gehört hatte. Denn niemand wusste, was diese Schlägerei bedeutete. Finn würde wieder gesund werden, das war das Wichtigste. Aber Tatsache war, dass es sich um schwere Körperverletzung handelte und vielen nun eine saftige Strafe drohte.

Ob ich selbst davonkommen würde? Ich wusste es nicht. Mein Dad wollte mir einen Anwalt besorgen, der mich da raushaute. Er meinte, ich hätte mich ja nur gewehrt. Das mochte zwar stimmen, aber ich wusste, wie hart ich zugeschlagen hatte. Ich war ausgetickt. Richtig wütend war ich gewesen. Auf Finn, auf die anderen vom Footballteam. Und leider war da eine Sicherung in mir durchgebrannt. Ich war mir selbst nicht mehr sicher, ob ich mich wirklich nur gewehrt hatte, oder ob ich mich nicht doch hätte zurückhalten können. War ich zu weit gegangen?

Während ich mich mit meinem Selbsthass am liebsten zu Hause versteckt hätte, bis wir die Anhörung hinter uns gebracht hätten, meinte mein Dad mich bestrafen zu müssen, indem er mich in die Schule schickte. Vielen Dank auch! Es würde die reinste Hölle werden, von all den anderen angegafft zu werden. Aber vor allem wollte ich die Blicke einer bestimmten Person aus dem Weg gehen.

Ich war extra erst kurz vor Unterrichtsbeginn erschienen, sodass ich bisher von neugierigen Blicken und Fragen verschont geblieben war. Nach der ersten Stunde passte mich aber Calum ab. Er war bei Deans Party gar nicht dabei gewesen, weil er über die Tage rund um Thanksgiving mit seiner Familie weggefahren war.

„Hey, wie geht es dir?", fragte er und ich hörte die Besorgnis in seiner Stimme. Auch sein Blick wirkte nervös und gleichzeitig auch voller Mitleid. Natürlich hatte er mitbekommen, was bei der Party passiert war.

„Wie soll's mir schon gehen?", blaffte ich. Dabei wollte ich ihn gar nicht so anfahren. Entschuldigend hob ich die Arme. „Tut mir leid, ich bin nur immer noch total durch den Wind."

„Ich habe die Videos gesehen und gehört, was wirklich vorgefallen ist. Ich fühle mich schrecklich, dass ich nicht da war. Ich hätte nicht gedacht, dass die anderen so weit gehen würden." Calum sah ehrlich zerknirscht aus. Und auch wütend.

„Die anderen sind schon das ganze Schuljahr über so drauf", sagte ich genervt. „Hast du das wirklich nicht mitbekommen?"

„Ja, irgendwas hat sich verändert", murmelte Calum. „Aber angesichts der Spannungen, die es dieses Schuljahr gibt, ist das doch auch irgendwie verständlich, oder?"

„Verständlich?" Ich spuckte fast, so angepisst war ich. „Die anderen mobben und tyrannisieren andere schon ihr Leben lang. Und jetzt, wo die sich wehren, wird es nur noch schlimmer. Finn wurde ernsthaft verletzt. Und mich haben sie auch noch da mitreinziehen wollen. Sie haben uns beide quasi aufeinandergehetzt, als wären wir bei einem Hahnenkampf oder so. Alle standen nur dumm rum und haben blöd geglotzt."

Ich musste mich zusammenreißen, nicht laut zu werden und die halbe Schule zusammenzuschreien. Je weiter ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich.

Torn - Die Liebe und alles dazwischenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt