Epilog - Ivy

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Ivy

Das erste Halbjahr war irgendwie rumgegangen. Das zweite hatte begonnen und es herrschte überall so etwas wie Aufbruchstimmung. Es könnte auch daran liegen, dass Frühling war. Wir hatten den Winter und all seine Schrecken hinter uns gelassen. Natürlich nicht komplett. Das würden wir vermutlich nie richtig können. Und trotzdem hatte uns der Alltag an der Jefferson komplett zurück.

Das neue Halbjahr bot vieles. Viele neue Chancen, neue Freunde, neue Sportarten, einfach neue Erlebnisse. Aiden ging es gut, er hatte die letzten Wochen im Leichtathletik-Team verbracht. Die Footballsaison war längst zu Ende. Das Team war trotzdem nicht komplett auseinandergegangen. Mannschaftskollegen blieben Mannschaftskollegen. Und Aiden war sich sicher, dass sie im nächsten Schuljahr wieder zusammen angreifen würden. Er war nur etwas traurig, dass er diese Wende nicht mehr miterleben würde. Schließlich war es unser letztes Schuljahr.

Mir selbst ging es an der Highschool auch ziemlich gut. Ich hatte was gewagt, was ich schon lange nicht mehr getan hatte. Ich hatte Kunst als Schulfach gewählt. Es war höchste Zeit gewesen, zu meinem Lieblingsfach zurückzukehren. Ich hatte mich selbst viel zu lange davon abgehalten, nachdem mich Nelly im Kunstunterricht damals mit Farbe übergossen hatte und mich danach blind ins Jungenklo gelockt und mich dort halbnackt zurückgelassen hatte. Es war eine Situation, die mich geprägt hatte. Aber sie durfte nicht mein ganzes Leben bestimmen.

Ich hatte überlegt, mich mal mit Nelly auszusprechen. Aber so weit war es bisher dann doch nicht gekommen. Wir übten uns in gegenseitiger Ignoranz. Aller Anfang war nun einmal schwer.

Auch andere an der Jefferson High hatten noch nicht all ihre Differenzen geklärt. Das war aber normal. Trotzdem hatte man in den vergangenen Wochen gemerkt, dass sich etwas verändert hatte. Ja, manchmal bekam der ein oder andere noch einen blöden Spruch von jemandem reingedrückt. Das würde vermutlich nie ganz vergehen. Fiese Menschen würde es immer geben. Aber das richtig schlimme Mobbing oder physische Attacken blieben aus. Zum Glück.

Miles überlegte, ob er sich wieder fürs Baseball-Team bewerben sollte, das im Frühjahr in die Saison starten würde. Ich vermutete, dass er es tun würde. Er liebte den Sport zu sehr. Lilly hatte das Gleiche mal angedeutet, was das Cheerleader-Team betraf. Ob sie beide sich trauen würden, wusste ich nicht. Falls doch, hoffte ich sehr, dass sie wirklich gut aufgenommen werden würden. Und Kendra? Sie war leider immer noch die eher unsichere Person, die sich schwer damit tat, neue Leute kennenzulernen. Aber das machte ja nichts. Denn mit Miles, Lilly und mir hatte sie Freunde, die sie so nahmen wie sie war.

Insgesamt war die Stimmung an der Jefferson High gut. Es gab Tage, an denen ich nicht daran dachte, was beim Winterball passiert war. Aber natürlich konnte man so etwas nicht ganz abschütteln. Die vielen Mitschüler, die verstorben waren, konnte man nicht vergessen. Man durfte das auch gar nicht. Es wäre ihnen gegenüber nicht fair gewesen. Und trotzdem sagten uns alle – egal ob Eltern, Lehrer oder Seelsorger – dass wir unser Leben weiterleben sollten. Es sei okay, glücklich zu sein. Und das war ich. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Ab und zu hatte ich noch Albträume. Dann war ich wieder beim Winterball, wieder zurück in dieser Umkleide und spürte diese unerträgliche Angst. Aber meist war Aiden bei mir. In meinen Träumen, wie auch im echten Leben. Und das half mir sehr.

Ich hatte das Gefühl, dass unsere Beziehung noch nie so stark war wie jetzt. Es war schon verrückt, wenn man an die vergangenen Monate zurückdachte. Oder sogar an die vergangenen Jahre. Da war immer was gewesen. Die Kindheitserinnerungen hatten uns immer verbunden, obwohl wir uns nach seinem Umzug jahrelang ignoriert hatten. Ich war so unglaublich dankbar, dass wir uns wieder nähergekommenen waren. Obwohl alles kurioserweise auf einer Party anfing, auf der ich, wie viele andere, bloßgestellt werden sollte. War es nicht verrückt, dass ich im Nachhinein sogar ein klitzekleines bisschen froh war, dort gewesen zu sein?

Danach hatten Aiden und ich verdammt viel durchgemacht. Mein Herz hatte das ganze Hin und Her kaum ertragen. Es war zum Verrücktwerden gewesen. Es hatte lange gedauert, bis wir zueinandergestanden hatten. Unabhängig davon, was unsere Freunde dazu sagten. Aber es hatte sich gelohnt, immer wieder um das, was wir hatten, zu kämpfen.

Jetzt gerade waren wir glücklicher als je zuvor. Niemand war gegen uns und wir konnten endlich eine ganz normale Beziehung führen. Es war fast schon ungewohnt, wie glücklich man sein konnte, wenn einem niemand Probleme bereitete.

Manchmal fragte ich mich, warum es nicht von Anfang so hatte sein können. Wieso hatten wir erst so viel durchmachen müssen? Aber dann wurde mir auch klar, dass ich vielleicht nur so wirklich wertschätzen konnte, was wir aneinander hatten. Manchmal musste man sich erst durch die Hölle kämpfen. Das war nicht schön gewesen, aber es hatte uns stärker gemacht. Unsere Verbindung gestärkt.

Manche sagten, Beziehungen, die einmal zerbrochen waren, konnten nie wieder heilen, weil man sie nur zusammenkleben konnte. Die Risse würde man trotzdem sehen. Es würde nie wieder so werden wie früher. Ein bisschen stimmte das, aber man musste das anders betrachten. Das hatte ich inzwischen begriffen. Ja, man würde die Risse nie ganz heilen können. Aber was war verkehrt daran? Unsere Verbindung war nicht die Gleiche, aber das hieß nicht, dass sie schlechter war. Sie war nur anders. Wir sind das, was unsere Erfahrungen mit uns machten. Und schlechte Erfahrungen lehrten uns, es das nächste Mal besser zu machen.

Und das würden wir. Nicht nur Aiden und ich. Oder mein Freundeskreis. Oder das Footballteam. Die gesamte Jefferson High.

Wir alle.

Für eine bessere Zukunft. Für ein anderes Miteinander.

Für immer.

Hoffentlich.




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Es ist wirklich geschafft. Torn ist zu Ende. Ich bin unglaublich glücklich über jede Person, die so lange dabei geblieben ist. Vielen Dank! Das bedeutet mir wirklich sehr viel! Ihr habt mich motiviert, dieses Projekt auch zu Ende zu bringen.

Torn ist viel länger geworden, als ich gedacht hätte. Es hat nun eher die Länge eines Zweiteilers. Aber zwischendurch sah es auch mal überhaupt nicht gut aus. Ich hatte mich zugegebenermaßen so sehr in der Geschichte verzettelt, dass ich da erst einmal wieder rausfinden musste. Ich wollte schließlich ein Happy End.

Nicht alles lief perfekt. Vielleicht waren einige geschockt, als es zum Ende etwas düsterer wurde. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Ivy und Aiden eine schöne Zukunft haben werden. Was meint ihr?

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Torn - Die Liebe und alles dazwischenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt