Teil 58 - Aiden

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Aiden

In unserer Stadt gab es genau zwei Krankenhäuser. Die Wahrscheinlichkeit, genau in das gebracht zu werden, in dem mein Vater arbeitete, war also dementsprechend hochgewesen. Und natürlich hatten seine Kollegen ihn sofort informiert, als ich dort eintraf. Nachdem ich ärztlich versorgt worden war, hatte ich noch ein ein bisschen warten müssen, dann war seine Schicht vorbeigewesen und wir hatten uns zusammen auf den Weg nach Hause gemacht. Ich hatte zwar darauf bestanden, noch meinen Wagen an der Schule abzuholen, aber Dad hatte sich dagegen ausgesprochen.

„Wer weiß, ob du nicht doch was am Kopf abbekommen hast", hatte er gesagt und damit war das Thema erledigt gewesen. Das Auto würden wir noch irgendwann anders abholen können.

Letztlich hatte ich ziemlich viel Glück gehabt. Ich wusste immer noch nicht, wie das alles geschehen war, dafür war die Sache mit der Flasche viel zu schnell passiert. Wie aus dem Nichts hatte ich plötzlich einen heftigen Schlag auf der linken Schulter verspürt. Dass plötzlich auch Scherben um mich herumgeflogen waren, hatte ich erst geschnallt, als ich das Klirren auf dem Boden hörte, als die Flasche – oder besser die Reste – neben meinen Füßen aufschlugen. Anscheinend war sie aber einmal schon an meiner Schulter zerschellt. Ich hätte nicht gedacht, dass Glas dermaßen unstabil sein kann, andererseits war die Flasche wohl auch aus mehreren Metern Höhe auf mich hinabgesaust.

Was danach geschehen war, war alles so verdammt verschwommen. Ich meinte mich zu erinnern, dass Leute geschrien hatten. Diejenigen, die um mich herum unterwegs gewesen waren, waren zunächst von mir weggesprungen und einen kurzen Moment später wieder alle auf mich zugekommen, um zu sehen, ob es mir gut ging. Ich hatte wohl ein wenig unter Schock gestanden, sodass ich kaum reagiert hatte.

Ich hatte eine starke Prellung im Schulterbereich und ein paar Schnittwunden an Hals und Wange davongetragen. Nur eine davon war größer gewesen, sodass sie genäht worden war. Alles in allem hatte man mir gesagt, dass ich glimpflich davongekommen war. Hauptsächlich wohl deshalb, weil es mich nicht am Kopf erwischt hatte.

„Hat man wirklich nicht herausgefunden, wer die Flasche fallengelassen hat?", fragte Dad, als wir im Wagen nach Hause saßen.

„Ich glaube nicht", antwortete ich, dabei hatte ich keine Ahnung, ob sich das nicht mittlerweile geändert hatte. Ich war ja relativ schnell von dort weggebracht worden.

„Das muss doch jemand gesehen haben", sagte Dad ernst. Er war wütend darüber, dass so etwas passiert war. Und anscheinend auch darüber, dass niemand dafür verantwortlich gemacht werden konnte.

Ich selbst wusste gar nicht, ob ich wütend sein sollte. Vielleicht war ich auch einfach noch zu geschockt, um es zu sein.

„Das war doch keine Absicht, oder?" Dad warf mir an einer Ampel kurz einen besorgten Blick zu.

„Ich glaube nicht", murmelte ich, dabei war ich mir da selbst nicht so sicher.

Ich wusste nicht, was ich von der Sache halten sollte. Wäre es Absicht gewesen, hätte derjenige schon verdammt viel Glück gehabt, wenn ich tatsächlich das Ziel gewesen war. Immerhin musste man von weiter oben erst einmal treffen, vor allem, da ich in Bewegung gewesen war. Vielleicht war aber auch jemand ganz anderes das Ziel gewesen. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wer das hätte sein sollen.

Vielleicht war es also einfach ein Versehen gewesen. Jemandem war diese Flasche möglicherweise aus der Hand gerutscht und oben über die Brüstung gefallen. Ich war dann einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

„Bist du sicher, dass es nicht jemand mit Absicht getan hat?", fragte Dad noch einmal, als wir schon fast zu Hause angekommen waren.

Ich stöhnte auf. „Warum reitest du da so drauf rum?"

Torn - Die Liebe und alles dazwischenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt