Teil 59 - Ivy

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Ivy

Es war Freitagabend. Irgendwie hatte ich Thanksgiving am Vortag überstanden. Aber mir hatte jede Leichtigkeit gefehlt, jene Unbeschwertheit, die eigentlich mit solchen Feiertagen einherging. Selbst meiner Mom war gestern aufgefallen, dass ich nicht so gut drauf war. Ich hatte zwar versucht, mir nichts anmerken zu lassen, aber vielleicht hatte ich zwar einen Teil meiner Familie überzeugen können, aber nicht meine Mom. Sie hatte mich sogar irgendwann beiseite genommen und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Natürlich war es das nicht gewesen, aber wie bitteschön hätte ich ihr das erklären sollen?

Sie hatte mich schließlich in Ruhe gelassen. Sie wollte vermutlich auch keine Szene, immerhin hatten wir Verwandte zu Besuch. Aber sie hatte diesen besorgten Blick draufgehabt, den man nur schwer ignorieren konnte. Und ich hasste es, meiner Mom nicht erzählen zu können, was wirklich los war.

Seitdem Miles mir versichert hatte, dass seine Informationen über Finn absolut wasserdicht waren, machte ich mir noch mehr Gedanken um Aiden als ohnehin schon. Er hatte nicht viel dazu gesagt, als ich ihm die Nachricht im Auto mitgeteilt hatte. Stattdessen hatte er das Ganze einfach abgetan und heruntergespielt, als würde ihn das mitnichten interessieren. Und als ich gemerkt hatte, dass er nicht darüber reden wollte, hatte ich ihm den Gefallen getan und mich von ihm verabschiedet. Seitdem hatten wir kaum noch Kontakt gehabt. Genau genommen hatten wir uns gestern nur per Textnachrichten ein schönes Thanksgiving gewünscht. Wir hatten nicht einmal miteinander telefoniert.

Und so wusste ich nicht, wie es ihm ging. Und er wusste nicht, wie es mir ging. Und mir ging es beschissen. Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutete, dass jemand wie Finn, ein eigentlich total sympathischer, eher zurückhaltender Typ auf einmal anfing, gezielte Angriffe auf jemanden zu starten. Denn auch das hatte Miles mir versichert: Der Flaschenwurf war Absicht gewesen. Und es war auch Aiden gewesen, der getroffen werden sollte. Und leider hatte Finn verdammt gut gezielt.

Es machte mich wütend, dass diese Aktion so passiert war. Und es machte mich noch wütender, dass Finn doch anscheinend meinte, einen guten Grund gehabt zu haben, Aiden so etwas anzutun. Wie hatte Finn sich so wandeln können, dass er bereit war, andere ernsthaft zu verletzen? Hatte vielleicht Jordan ihn dazu getrieben? Aber warum ging die Aktion gerade gegen Aiden? Er hatte mit diesem Scheiß an der Jefferson High kaum was zu tun. Er war nicht derjenige, der andere fertigmachte. Was hatte er denn schon getan? Außer, dass er Finn wegen der Juckpulverattacke aus Versehen verraten hatte?

Ich hasste es, dass ich nicht aufhören konnte, über alles nachzudenken. Ich wünschte, ich könnte endlich aus dem Grübeln rauskommen. Vielleicht hätte ich mir irgendeine Ablenkung für den Abend suchen sollen. Aber mir war auch nicht wirklich danach gewesen, mich zu verabreden. Stattdessen hatte ich mich auf der Wohnzimmercouch eingeigelt und genoss nun, dass ich heute Abend sturmfrei hatte, da meine Eltern auswärts bei Freunden waren. 

Abschalten konnte ich allerdings nicht. Auch der Film, den ich gestartet hatte, lenkte mich nicht von dem Gedankenkarussell in meinem Kopf ab. Immer wieder überlegte ich, Aiden anzurufen und ihn zu fragen, ob es ihm genauso ging wie mir.

Am Mittwochabend war die Atmosphäre so verdammt seltsam gewesen. Er hatte so komische Sachen gesagt, als wir zusammen im Auto gesessen hatten. Es hatte fast so geklungen, als ob er nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Aber dann war die Nachricht zum Flaschenwurf aufgetaucht und ich hatte plötzlich ganz andere Sorgen. Aber jetzt dachte ich wieder vermehrt darüber nach und je länger ich das tat, desto mehr fragte ich mich, ob wir wirklich dazu geschaffen waren, zusammen zu sein.

Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Irritiert schaltete ich den Fernseher auf Stumm. Zunächst dachte ich, ich hätte mich vielleicht verhört. Aber dann ertönte die Türklingel noch einmal. Während ich mich aus der Decke schälte, schaute ich auf die Uhr. Es war schon fast elf. Meine Eltern konnten es nicht sein. Die hatten einen Schlüssel. Wer war das dann so spät?

Torn - Die Liebe und alles dazwischenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt