Aiden
Es war der drittletzte Schultag vor den Weihnachtsferien. Seit dem Amoklauf war über eine Woche vergangen. Die meisten kamen zur Schule und versuchten, irgendwie in ein normales Leben zurückzufinden. Manche Unterrichtsstunden wirkten bereits wieder wie zuvor. In manchen herrschte aber immer noch getrübte Stimmung. Hauptsächlich in den Kursen, in denen die leeren Plätze extrem auffielen.
Aber am seltsamsten von allem war das Footballtraining. Denn hier fehlten die meisten. Coach Simmons hatte uns gefragt, ob wir weiter trainieren wollten. Denn eigentlich machte es keinen Sinn mehr. Die Football-Saison hätte im Januar eh geendet. Die letzten Spiele waren von Seiten der Schulleitung abgesagt worden. Das konnte jeder von uns verstehen. Niemand hatte wirklich Lust, noch anzutreten. Es hätte sich falsch angefühlt. Außerdem hätte unsere Mannschaft ganz anders aussehen müssen. Wären wir überhaupt konkurrenzfähig gewesen?
Ob wir trotzdem weitertrainieren wollten, war allerdings eine andere Frage. Wir hatten uns schließlich für ja entschieden. Die, die nicht wollten, konnten selbstverständlich fernbleiben. Ohne Konsequenzen. Aber nur wenige hatten darauf verzichtet. Die meisten kamen. Ich auch, weil es mir wichtig war, die Verbindung zu den anderen aufrechtzuhalten. Erst recht in dieser Situation. Das Zusammensein war auch eine Art Therapie. Niemand wollte alleine sein. Und vielleicht sollte man das nach so etwas Schrecklichem auch nicht.
Obwohl wir vermutlich alle hofften, uns gegenseitig Halt zu geben, war die Stimmung trotzdem extrem angespannt und seltsam. Wir ließen das Training irgendwie alle über uns ergehen. Die meisten waren nicht ganz bei der Sache und jeder gab vermutlich nur die Hälfte von dem, was er geben konnte. Im Normalfall hätte Coach Simmons uns dafür zur Sau gemacht. Aber er hielt sich zurück. Er wusste, wie es uns ging. Er selbst hatte an dem Ganzen sicher auch zu knabbern.
Wir waren gerade dabei, alle Geräte wegzuräumen, als plötzlich jemand zu Grölen anfing. Andere stiegen mit ein. Es war seltsam, aus dem Nichts diesen Ausdruck echter Freude zu hören. Überrascht sah ich mich um. Die ersten strömten zum Rand des Footballfeldes. Dort kam eine Person auf uns zu. Und auf einmal verstand ich die Aufregung aller, denn es handelte sich um niemand geringeren als um Dean.
Zwei Tage nach der Trauerfeier in unserer Schule war er aus dem Koma erwacht, das hatten wir alle mitbekommen. Ich hatte allerdings nicht gewusst, dass er bereits aus dem Krankenhaus raus war. Es hieß, dass er eine Notoperation hatte, nachdem er angeschossen wurde. Irgendetwas war nicht planmäßig verlaufen, da er aus der Narkose nicht wieder aufgewacht war. Aber offenbar war die Verletzung an sich nicht so schlimm gewesen. Zumindest hatte die Operation gute Erfolge bewirkt, sodass er bereits wieder aus dem Krankenhaus raus war. Er ging zwar etwas langsam auf uns zu, aber von Weitem sah man ihm nicht an, dass er vor Kurzem erst angeschossen worden war.
Von Nahem sah er allerdings doch etwas mitgenommen aus. Das bemerkte ich, nachdem ich wie alle anderen auf ihn zuging. Er wirkte blasser als sonst. Seine Wangen sahen sogar ein wenig eingefallen aus, er wirkte kränklich, obwohl er breit grinste.
„Na Jungs, habt ihr mich vermisst?", rief er. Als die ersten mit ihm einschlugen, verzog er aber kurz das Gesicht, so als hätte er noch Schmerzen. Aber er fing sich schnell wieder. Er war wie sonst auch. Schwäche wollte er offenbar nicht zeigen.
„Seit wann bis du draußen?", fragte Jonny.
„Das klingt, als würde ich aus dem Gefängnis kommen", erwiderte Dean lachend.
Die anderen lachten auch. War die Situation wirklich so lustig? Wie konnte Dean so gut drauf sein? Oder spielte er allen nur was vor? Er hatte auch Schreckliches erlebt. Und bei ihm war es knapp gewesen. Auch er hatte Freunde verloren. Und er war erst vor Kurzem aus dem Koma erwacht. Er hatte noch weniger Zeit, als alle anderen, um alles zu verarbeiten. Nahm ihn das Ganze denn so gar nicht mit?
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Torn - Die Liebe und alles dazwischen
RomanceAlles beginnt mit einer Party, auf der das Motto gilt, den größten Versager mitzubringen. Aiden gehört zu den beliebtesten Schülern seiner High School und beteiligt sich an dem Spiel, bis er feststellt, dass auch seine frühere Kindheitsliebe bloßges...