Kapitel 70

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Was auch immer er zusagen hat.

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Seit 2 Minuten sitzen wir nun hier und schweigen uns an.

Er stellt eine Tasse vor mich und dampfender Kakaogeruch steigt mir in die Nase.

Er atmet tief ein und stütze sich mit beiden Ellenbogen auf der Kücheninsel, mir gegenüber ab.

„Warum bist du damals einfach gegangen? Wieso hast du Mum, Dad und mich einfach so im Stich gelassen?- Ein Stich in meinem Herzen, welcher schon längst verheilt war, wurde erneut aufgerissen.

Ich möchte es von ihm hören, dass er weiß was er getan hat. Warum Mum und Dad tot sind.

Er muss es laut aussprechen, damit er selbst realisiert, wie ich mich fühle. Aber selbst das kann er nicht.

Seit Minuten steht er einfach nur stumm da und nimmt hin und wieder an seiner Tasse.

„David, jetzt rede endlich!"- Ich war sauer, wütend, traurig. Ich hatten meinen Bruder wieder, aber er konnte mir keine Antwort auf meine Fragen geben.

Wenn ich ihn so ansehe, denke ich er hat es selbst
nie wahr genommen. Als würde er bis heute immer noch in seiner kleinen Bubbel leben und in Erinnerungen schwelgen, bevor er mich verlassen hat.

„Ich brauche doch nur eine Erklärung!"- Jetzt sah er mich an. So lange ist es her, als ich ihn das letzte mal so intensiv in die Augen geschaut habe.

Er kämpft mit sich selbst, aber warum? Ich bin jetzt hier, stehe vor ihm und trotzdem sagt er nichts.

„Es ist kompliziert Sina."- Er sprach meinen Namen so leise und sanft aus, dass ich Gänsehaut bekam.
„Dann erkläre es mir"-Ich brauche Antworten, aber er zögert, bis er seufzt und anfing.

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30 Minuten.

30 Minuten hatte es gedauert, mir alles zu erzählen.
Von seiner ersten Gang-Begegnung, bis dahin, Hals über Kopf aus Angst um seine Familie, die Flucht zu ergreifen.

Gespannt hörte ich zu.

Bis heute hatte ich die Begegnung mit den großen Männern im Garten nicht vergessen.

Aber auch jetzt kann ich es nicht verstehen.
Ich erhebe mich von meinem Stuhl.

Wir schweigen schon eine ganze Weile und sind tief in Gedanken und Erinnerungen, als er mich unterbricht.

„Sina, ich weiß das ist alles grade echt viel und ich hab in keinster weise irgendwelche Anforderungen an dich, aber vielleicht verstehst du jetzt mehr."- Ob ich ihm zugehört habe?

Ja, aber mehr verstehen tue ich trotzdem nicht.

Alles ist so surreal. Ihn vor mir zu haben, nach so langer Zeit. Mit ihm reden zu können wie ich es in meinen Träumen tat.

Wie ich mir immer die Schuld gegeben habe, wie ich geglaubt habe, dass ich alles Schuld war. Das ich es verdient habe, so ein Leben zu führen.

𝐆𝐚𝐧𝐠-𝐠𝐢𝐫𝐥 𝐚𝐝𝐨𝐩𝐭𝐢𝐞𝐫𝐭         „𝐆𝐚𝐧𝐠𝐬"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt