Kapitel 1 - Die Vorgeschichte

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Viel zu spät, wie eigentlich immer, stehe ich vor der Türe meiner Kollegin. Sie ist noch ganz frisch in der Firma und hat zum Einstand zu sich nach Hause eingeladen. Es ist schon eine Weile her, Corona sei Dank, dass sich die Belegschaft auch privat getroffen hatte. Umso mehr freue ich mich auf den Abend. Den Nachtisch mit meiner fulminanten Zitronencrème unter meinem Arm klingle ich nur ein kleines bisschen abgehetzt. Kurz darauf wird die Türe aufgerissen und Chiara drückt mich in eine feste Umarmung. Ich balanciere etwas mit der Schüssel und versuche, mich ihrem italienischen Temperament zu entziehen. Schließlich gelingt es mir. Sie grinst mich an, nimmt mir endlich die sauschwere Glasschüssel ab. Ich atme auf. „Komm rein! Die anderen sind schon da!" Sie geht voran. Ich schlüpfe aus meinen Ballerinas und betrete kurz nach ihr die Terrasse. Unsere Belegschaft ist, bis auf unseren Chef, rein weiblich und so ist das Gekicher und Gegacker natürlich groß – wo ich mich selbst natürlich nicht ausschließe. Auch wenn ich eher zu den Ruhigeren gehöre. Mit dem Rücken zu uns steht Chiaras „Amore". Von diesem bekommen wir tagtäglich vorgeschwärmt. Schließlich sind die beiden frisch verheiratet. Ich bin ja gespannt, was er so für ein Typ ist. Unser Chef hat sich wohl zu ihn geflüchtet, er genießt es wohl auch einmal nicht der Hahn im Korb zu sein. Ich grinse ihm kurz zu, als er zu mir schaut. Schließlich ruft der Grillmeister zum Essen. Als er sich umdreht, fällt mir kurz die Kinnlade runter. Shit. Das ist „Amore"? Den kenne ich, nur zu gut. Ob er mich auch erkennt? Ich senke den Blick und lasse mir ein Würstchen von meinem Chef aufgeben. In der Küche gibt es die Salate dazu. Etwas umständlich stehe ich auf und gebe mir etwas Salat und Brot dazu. Es sieht alles so lecker aus. Als ich zurückkomme, ist mein Platz belegt. „Amore" hat sich auf diesen gesetzt. Klar, ist auch in der Nähe des Grills. Da alle anderen Plätze auch belegt sind, setze ich mich ihm gegenüber. Ich lasse mich in das Gespräch mit meinen Kolleginnen ein und entspanne mich wieder etwas. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass sein Blick immer wieder zu mir schwankt. Vollgegessen lehne ich mich zurück und halte mich an meinem Bier fest. Das war gut! Wenn ich auch leichte Kopfschmerzen spüre. Mist. Seitdem ich die doofen Tabletten gegen den Bluthochdruck nehmen muss, vertrag ich Alkohol echt nicht mehr so gut. Ich schenke mir kurz ein großes Glas Wasser ein und hoffe, dass es dadurch schnell besser wird. „Sag mal, kennen wir uns eigentlich?", spricht mich „Amore" an. „Ähm." Mist, was sage ich jetzt. Shit. „Also du kommst mir bekannt vor. Bist du auch im MacFit?" Ich schaue ihn ungläubig an. „Nein, definitiv nicht." Kein 10 Pferde bekommen mich in so eine Muckibude. „Aber ich kenne dich. Da bin ich mir sicher!" Ich werde unruhig. Es ist doch jetzt auch total doof zu sagen, dass man jemanden kennt, obwohl man schon den halben Abend ihm gegenüber sitzt. „Du bist doch Hausarzt in der Praxis am Marktplatz hat Chiara erzählt!", sage ich nun etwas unbeholfen. Obwohl Chiara dieses wichtige Detail natürlich unterschlagen hat. „Ja, bin ich. Warum?"„Ich muss da manchmal ein Rezept abholen!" Ich spüre, wie sich sein Blick intensiviert. „Vielleicht hast du mich da mal gesehen. Soll ich mal eine FFP 2 Maske aufsetzen?", ulke ich. „Das wäre vielleicht hilfreich!", er grinst mich an. „Du bist aber nicht meine Patientin, oder?" Wieder intensiviert sich sein Blick „Ich gehe mir mal Nachtisch holen. Möchte jemand anderes auch?", frage ich in die Runde. Obwohl ich eigentlich pappsatt bin. „Dazu gibt es aber einen digestivo!", fordert Chiara und ich bin fast froh, dass sie damit von dieser peinlichen Thematik abgelenkt hat. „Gute Idee!" Ich grinse sie an und erhebe mich, um zum Nachtischbuffet zu kommen. Mein Kopf findet die schnelle Bewegung so mäßig lustig. Aua. „Kann ich auch einen Espresso haben?", frage ich Chiara. „Klar, mache ich", springt Max, alias Amore,ein. „Danke, dir!" Chiara wirft ihm einen Luftkuss zu, während ich mein Vorschlag schon wieder verteufle. Man muss dazu sagen, dass ich so ein bisschen eine Hassliebe gegenüber meinen Hausarzt habe. Ich liebe seine Art, mit mir als Patientin umzugehen, aber ich hasse den Umstand, dass ich überhaupt zu ihm muss. Na ja. Egal. Ich stehe also auf und folge Max in die Küche. Während er den kleinen Espressokocher befüllt, betrachte ich ihn und seine breiten, durchtrainierten Schultern. Er ist schon sehr attraktiv und so sehr ich meine neue Kollegin bereits jetzt mag, bin ich doch ein bisschen eifersüchtig auf dieses Prachtexemplar. Wieder trifft mich sein Blick. „Was machen die Kopfschmerzen?"„Geht. Danke!" Mist dass ist ihm also aufgefallen. „Der Espresso wird es bestimmt richten." Er lächelt mich an und dreht sich dann wieder dem blubbernden Ungeheuer zu. Ich massiere mir kurz unauffällig die Schläfe. Er gießt das heiße Getränk in kleine Tassen für sich und für mich und reicht mir eine davon. Schließlich geht ein Leuchten über sein Gesicht. „Ha, wusste ich es doch. Du bist Madame Dauerhoch!"„Bitte was?", perplex schaue ich ihn an. „Na Bluthochdruck plus ein gewaltiger Weißkittelhochdruck! Du treibst damit meine armen Assistentinnen in den Wahnsinn!" Er lacht leise, als er mein verschämtes Gesicht sieht. „So oft war ich doch gar nicht da!"„Manche Patienten bleiben im Gedächtnis!" Er grinst mir zu und zeigt dann auf den Espresso. „Lass es dir schmecken. Bevor er kalt wird!" „Danke!" Ich nehme mein Tässchen und gehe wieder zum Tisch. Gott, war das peinlich!

***Na, was denkst du. Hat die Geschichte Potenzial? Möchtet ihr noch mehr lesen von Amelie, Chiara und Amore?***

Rezept auf UmwegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt