Kapitel 19

2.1K 117 16
                                    

Aus Amelies Perspektive

Ich liege im Bett und genieße das Gefühl des leer seins. Ich habe das wirklich zu schätzen gelernt in der letzten Zeit. Mein Bauch fühlt sich flach an. Ich bin wohlig entspannt. So kann es bleiben. Ich schließe die Augen und lasse meine Gedanken einfach ein bisschen wandern. Immer wieder bleiben diese allerdings bei einem überaus kantigen Gesicht hängen: Raik. Ich drehe mich im Bett herum und stöhne auf. Ich will diesen Typen aus meinem Kopf bringen! Ich stolpere von einer Peinlichkeit in die nächste. Was kommt als nächstes? Vielleicht sollte ich doch abreisen. Es klopft leise an meiner Türe. Raik kann das schonmal nicht sein. Der würde nicht klopfen. Ich schätze, dass es Chiara ist. 

"Komm rein!", sage ich also und setze mich im Bett auf. Leider ist es natürlich nicht Chiara. 

"Was willst du?", frage ich Raik, der selbstbewusst das Zimmer betritt. Ohne mich eines Blickes zu würdigen hängt er den erneut sehr vollen Irrigator an einem der Haken an der Fachwerkdecke auf. 

"Seitenlage oder Knie-Bauchlage?"

"Gar nichts!", sage ich trotzig. 

"Lass ich nicht gelten!", gibt er zurück und zieht mir mit einem Schwung die Decke weg. Ich versuche sie noch zum Fassen zu bekommen, da ich vorher mein Shirt ausgezogen habe und nun nackt unter der Decke bin. Das hätte mich bei Chiara nicht gestört, aber bei Raik? Na gut, er hat mich ja auch schon nackig gesehen. TROTZDEM. Was fällt ihm eigentlich ein. Ich setze mich auf und schaue ihn giftig an. "Hör zu, ich habe gesehen, dass das, was auf dir herauskam, nicht wirklich klar war. Wenn du wirklich die Entgiftung möchtest, würde ich dir gerne diesen Einlauf verabreichen. Er wird dir gut tun", sagt er versöhnlich. "Du kannst ihn dir natürlich auch gerne selbst geben."

Ich schaue ihn kritisch an. Kann ich ihm vertrauen? Ja, es stimmt schon, dass der Idealfall ja eigentlich eine Abfolge von Einläufen ist, aber trotzdem. Mein Unterleib spricht da eine ganz andere Sprache und beginnt zu kribbeln. Verräter!

"Dann mach halt!", sage ich und drehe ihm den Rücken zu. Ich bin angespannt. Sehr angespannt. Aber gleichzeitig auch ein bisschen aufgeregt. Das ist jetzt schon ein kleines Abenteuer. 

Er legt seine warme Hand auf mein Becken und lässt sie da für einen Moment  liegen. Dann legt er ein dickes Handtuch unter meinen Po.

"Zieh mal dein oberes Bein zum Bauch!", sagt er leise und einfühlsam. Ich folge ihm und spüre kurz darauf, wie er den Schlauch in meinen Po sanft einführt. Es ist schon etwas anderes, wenn das jemand für einen macht. Vor allem, wenn man die Person auf den Tod nicht ausstehen kann  - also ein bisschen. Okay, ich sollte einfach aufhören zu denken. Das wäre am sinnvollsten. Ich spüre, wie das warme Wasser in mich rinnt. Es ist deutlich  schneller, als beim letzten Mal. Hui. Raiks Hand liegt auf meinem Bauch und massiert ihn sanft. Das tut gut. Trotzdem krampft es schon ganz schön.  

"Langsam!", stöhne ich leise. Raik stoppt den Fluss. 

"Dann auf die Knie. Po nach oben!", kommandiert er leise und dirigiert mich in die richtige Position. Wieder wird das Ventil geöffnet. Es drückt und fließt so schnell. Viel zu schnell! 

"Raik? Mir, also mir wird schlecht!", sage ich leise. Ich spüre, wie meine Knie nachgeben.

"Scheiße! Amelie! Hier bleiben. Ja!" Ich spüre, wie er mich auf die Seite legt. Seine Finger tasten meinen Puls am Hals. "Ich bringe dich auf die Toilette, da kannst du dich entleeren. Dann geht es dir gleich besser!" Ich spüre, wie ich hochgehoben werde. Er ist ganz nah an mir, warm und er reicht so gut. Gleichzeitig ist mir schwindelig. Ich sehe Sternchen. Wie passt das alles zusammen. Ich werde auf der Toilette abgesetzt. Raik stabilisiert meine Schultern, während ich einfach loslasse. Ich bin müde, so unglaublich müde. Der Raum dreht sich um mich. 

"Amelie? Amelie!", höre ich wie von Fern, bevor ich in ein großes, dunkles Loch falle.  

Rezept auf UmwegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt