THREE

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Als ich hinter dem Vorhang zur Hauptbühne stehe, klopft mein Herz so schnell wie das eines Kolibris

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Als ich hinter dem Vorhang zur Hauptbühne stehe, klopft mein Herz so schnell wie das eines Kolibris. Eigentlich sollte ich es ja schon gewöhnt sein, aber diese Aufregung kurz vor meinem Auftritt, überkommt mich jedes Mal auf Neue. Langsam schließe ich die Augen und rufe mir die Emotionen ins Gedächtnis, die mich zu dieser Choreografie inspiriert haben.
Die Stimme des Ansagers erklingt und ich fange leicht an zu zittern.
„Werte Herren, unsere nächste junge Dame steht schon hinter dem Vorhang bereit und kann es kaum erwarten Sie zu unterhalten." dröhnt seine Stimme an meine Ohren und ich schlucke schwer. „Unserem Stammpublikum ist ihr Name mit Sicherheit ein Begriff und an alle anderen. Setzt euch hin, legt euch hin oder macht es euch sonst irgendwie bequem, denn hier kommt sie..." er macht eine dramatische Pause und ich kann das Pfeifen der Kundschaft hören und grinse kurz in mich hinein.
„...unser Night Sparrow!" ruft er durch den Raum und das Jubeln schwillt an. Der Vorhang öffnet sich und die Scheinwerfer werden auf mich gerichtet. Ich versuche mich wie immer auf kein einzelnes Gesicht zu konzentrieren um nicht geblendet zu werden. Langsam schreite ich heraus, nehme meine Position an meiner Polestange ein und warte auf den Einsatz der Musik. Sofort erklingen die ersten Takte von Jessie J's Song „Who you are" und ich beginne mich langsam um die Stange zu drehen. Höre genau auf den Text und lasse die Emotionen durch meinen Körper fließen. Ich lasse meine Hüften kreisen, ehe die Musik an Tempo aufnimmt und nehme etwas Anlauf um nach oben zu kommen. Harke mein linkes Bein an der Stange ein und winkle es dabei ab. Durch den Schwung drehe ich mich im Kreis und mein einziger Kontakt zur Stange ist meine Kniekehle. Die Männer rufen und pfeifen aber ich bekomme es nur am Rande mit.

Brushing my hair, do I look perfect? Ich fahre mir durch das Haar und greife nach der Stange und spreize die Beine zur Seite ehe ich mich nun so um die Stange drehe.

I forgot what to do to fit the mold, yeah
The more I try the less is working, yeah yeah
Nun bringe ich meine Beine wieder zusammen und kreuze sie bei den Fußknöcheln, sodass ich die Stange nun zwischen den Beinen habe, dass alles in einer flüssigen Drehbewegung.

'Cause everything inside me screams
"No, no, no, no, no" (no, no, no, no, no)
Ich gleite hinunter und laufe um die Stange, eine Hand in meinem Haar die andere am Ansatz meiner Kehle um die Dramatik des Textes zu unterstreichen.

Don't lose who you are
In the blur of the stars
Seeing is deceiving
Dreaming is believing
It's okay not to be okay
Sometimes it's hard
To follow your heart
But tears don't mean you're losing
Everybody's bruising
There's nothing wrong with who you are

Immer wieder füge ich neue Elemente hinzu und verliere mich in meiner Kunst. Als ich kurz einen Blick ins Publikum werfe, trifft mein Blick auf den Mann, den ich vorher schon gesehen habe und mache das, was ich sonst nie mache- ich konzentriere mich auf ihn, baue eine Verbindung zu ihm auf. Warum weiß ich selbst nicht. Jedes Mal, wenn ich die Möglichkeit habe, sehe ich ihn an und lasse meinen Körper sprechen. Ich bin davon so vereinnahmt, dass ich meine komplette Choreografie verwerfe und einfach das mache, was sich richtig anfühlt. Es dürfte nicht nur ihm, sondern auch den anderen Gästen gefallen, denn ich höre keine Buh- Rufe.

Die letzten Takte des Liedes erklingen aus den Lautsprechern und ich beende meine Choreografie. Ich verneige mich kurz und winke den Männern zu die mir zurufen und laut schreien. Als ich erneut zu meinem Blickpartner sehen will, sitzt er nicht mehr auf seinem Platz. Wo ist er bloß hingegangen? Aber die Zeit nach ihm Ausschau zu halten habe ich nicht. Ich drehe mich langsam um, zwinkere den Kerlen noch ein letztes Mal über die Schultern zu und verschwinde dann hinter dem Vorhang.
Dahinter kommen einige Mädels auf mich zu und klopfen mir auf die Schulter und machen mir ein Kompliment. So wird das bei uns bei jedem gemacht und das liebe ich an unserer Truppe. Keine kratzbürstigen Weiber, die einem Haarentferner in das Shampoo füllen oder die Schuhsohlen anrauen.
Ich lächle sie an und bedanke mich artig, so wie meine Mutter es mir eingebläut hat. „Was würde sie wohl sagen, wenn sie mich so sehen würde?" schießt es mir durch den Kopf aber ich schüttle ihn lieber, damit dieser absurde Gedanke verschwindet.

An meinem Platz angekommen trockne ich mich ab und ziehe mir den Hoodie über, steige aus meinen Schuhen und schlüpfe in meine Hose. Ich binde mir die Haare zu einem Pferdeschwanz und setze die Kapuze auf, ehe ich meine Sachen in einer Sporttasche verstaue. Ich verabschiede mich von den Mädchen und möchte gerade zum Hintereingang gehen, als Travis auf mich zukommt und nervöser als sonst aussieht.

„Du sollst ins Chefbüro, Sparrow..." sagt er und deutet den Gang entlang. Ich zucke kurz zusammen. Was kann er nur von mir wollen?
„Okay..." antworte ich und gehe auf die Türe zu, um dreimal kurz zu klopfen.
Ich warte bis das obligatorische „Herein" von drinnen ertönt und drücke die Klinke herunter.
Als ich eintrete sitzt mein Chef Donnie hinter seinem Schreibtisch und sieht mich erfreut an.
Er steht nicht auf, sondern deutet mir mich hinzusetzen.
„Da ist ja unser Night Sparrow!" ruft er und ich weiß wirklich nicht, wie ich seine Reaktion finden soll. Als ich mich gesetzt habe, betrachtet mich für einen Augenblick still. Diese Stille macht mich noch nervöser, aber ich versuche mir das nicht anmerken zu lassen.
„Du wolltest mich sprechen, Donnie..." lege ich ihm die Brücke, damit er endlich mit der Sprache rausrückt.
Er nickt eifrig und legt seine Hand an seine Wange.

„Ja, es ist nicht einfach, dich zu erwischen bevor du zur Tür hinausgeflattert bist.", scherzt er und ich täusche ein Lachen vor. Diese dummen Assoziationen mit einem Vogel, nerven mich. „Wie dem auch sei..." sagt er ernst und betrachtet mich erneut.
Ach, spuck es schon aus!
„Du wurdest angefragt, einem Gentleman einen privaten Tanz zu geben..." bevor ich dazwischenreden und ablehnen kann, fügt er hastig hinzu. „Es würde sich für dich lohnen, Täubchen."
Ich schnaube und schüttle den Kopf.
„Du weißt, ich brauche das Geld nicht, Donnie. Außerdem haben wir eine Abmachung, dass ich nur einmal die Nacht auftrete und diese Art von Angeboten nicht wünsche." sage ich bestimmt und verschränke meine Arme vor der Brust, um meinen Standpunkt besser zu untermauern.
Er fährt sich frustriert durch die Haare und springt von seinem Platz auf, ehe er nach vorne kommt und sich vor mich auf die Schreibtischkante setzt.

„Täubchen..." fängt er an und sieht mich bittend an, ich schüttle erneut den Kopf. „Herrgott noch eins, warum ihr Frauen immer so stur sein müsst! Dieses Angebot ist unmöglich auszuschlagen! Der Kerl bietet dir, 1000 Dollar den Abend. Für einen einzigen Tanz! Weißt du wieviel Kohle das in der Woche wäre?" Donnie spielt mit seiner goldenen Kette an der ein goldener Tiger hängt, der aussieht als hätte man ihn zum Trocknen aufgehängt und steckt sie sich zwischen die Zähne.
„Klar, ich bin ja nicht dämlich aber trotzdem..." fange ich erneut an, aber er fährt mir dazwischen, in dem er mit der flachen Hand auf den Tisch schlägt. Kurz fahre ich zusammen. Der Mann mir gegenüber funkelt mich wutentbrannt an und ich kralle meine Fingernägel in meine Oberschenkel.

„Du vergisst, dass ich deine Identität kenne, also zwing mich nicht, dich dazu zu nötigen!" brüllt er auf einmal und nun reißt auch mir der Geduldsfaden. Ich springe auf, recke ihm mein Kinn angriffslustig entgegen und funkle ihn wütend an.
„Das wagst du nicht, Donnie! Die Anwälte meiner Eltern würden deinen verschuldeten Arsch in den Ruin treiben, bevor du das Telefon in die Hand genommen hättest um eine von diesen Schmierzeitungen anzurufen! Du willst mich erpressen? Fein! Wir werden ja sehen, wer am längeren Ast sitzt...", fauche ich ihn an und seine Augen weiten sich geschockt. Kurze Zeit herrscht Stille zwischen uns und ich höre nur den dröhnenden Bass vom Club zu uns her wummern. Die Atmosphäre die nun hier drinnen herrscht, gleicht einem Hexenkessel. Ein falsches Wort und Boom!

„Täubchen, überleg es dir bitte. Dieses Angebot ist wirklich seriös und lukrativ für beide von uns!" bittet er erneut. Ich drehe mich zum Gehen um und gebe nur ein „Gute Nacht, Don." von mir, ehe ich die schwere Türe hinter mir zuziehe.

The Night SparrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt