FORTY- SIX

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Die Worte hängen zwischen uns in der Luft und ich schwöre bei Gott, die Zeit bleibt stehen. Ich erstarre in meiner Bewegung und halte die Luft so lange an, bis meine Lunge wie Feuer brennt.
Meine Augen sind auf den Mann vor mir gerichtet, der mich einfach nur schockiert anstarrt. Beinahe kann ich seine Gedankengänge hören, die alles noch einmal vor seinem geistigen Auge abspielen. Jedes Gespräch, jede Berührung - alles an dieser seltsamen Beziehung wird von ihm bis ins kleinste Detail hervorgezerrt und hinterfragt.
Ich wage es nicht auch nur ein Wort zu sagen, sondern lasse ihm die Zeit, es zu begreifen. Ob mir das in die Karten spielt? Keine Ahnung. Die Würfel sind gefallen und sie rollen unendlich lange, bis sie endlich eine Entscheidung aufweisen. Die Musik aus meinem Handy rückt in weite Ferne, sie ist kaum mehr als ein Flüstern.
Theodors Finger krallen sich um die Armlehnen des Stuhls auf dem er sitzt. Ein Ausdruck seiner Angespanntheit. Jeder Muskel, jede Sehne und Faser seines Körpers ist zum Zerreißen gespannt.
Endlich regt sich etwas hinter diesen atemberaubenden Augen, aber ob es gut oder schlecht für mich ist, vermag ich nicht zu sagen.

„Du...", fängt er beinahe tonlos an und bricht sofort ab, um seine Gedanken weiter zu ordnen. Er starrt mich immer noch an und ich erlaube mir nun, Luft zu holen.
Eine Träne rollt aus meinem linken Auge und benetzt meine Wange. Ich habe es nicht mal bemerkt, bis sie mir auf die Unterlippe tropft.
Schlagartig springt Theodor aus dem Sessel.
Mein Herz pocht und gleichzeitig fühlt es sich an, als würde es stehen bleiben. Das ergibt überhaupt keinen Sinn.
„Die ganze Zeit über...", sagt er leise. Ich bin mir nicht sicher, ob er es zu sich selbst sagt oder zu mir, denn er sieht dabei an die Zimmerdecke.
Er fährt sich mit beiden Händen frustriert über das Gesicht, ehe sein Blick auf mir landet.
Theodor sieht nun nicht mehr nur schockiert sondern zornig aus. Er packt mich an den Oberarmen und ich lasse es geschehen.
„Wie lange wolltest du mich noch an der Nase herumführen?", fragt er mit schneidender Stimme.
Ich schnappe entsetzt nach Luft.
„Das wollte ich keineswegs. Es gab nur nicht den richtigen Zeitpunkt, es dir zu erklären.", sage ich mit zittriger Stimme.
Ein wütendes Schnauben verlässt seinen hübschen Mund und er schüttelt wie wild den Kopf.
„Du bist unglaublich! Du hast verarscht und ausgenutzt. Mich immer wieder hinters Licht geführt."
Zu sagen, dass diese Anschuldigungen nicht verletzend sind, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts.
Ich mache einen mutigen Schritt nach vorne und lege ihm meine Hände an die Wangen. Meine Augen fixieren seine.
„Ich habe dich nicht mit Absicht angelogen. Erst als wir uns bei den Stallungen getroffen hatten und du an dem Abend in den Club kamst, habe ich dich erkannt. Und falls du es vergessen haben solltest, ich habe mich danach geweigert, für dich zu tanzen."
Er zieht ruckartig die Hände von meinem Körper zurück und stößt einen Fluch aus, den ich gerne erwidern würde. Es ist die Hölle zu sehen wie er jedes Wort und jede Tat auf die Waagschale legt aber es bleibt mir keine andere Wahl.
„Warum hast du es dir dann anders überlegt?" Theodor verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mich argwöhnisch.
Fest schlucke ich den Kloß hinunter, der sich in meinem Hals gebildet hat und unternehme einen erneuten Schritt nach vorne.
„Anfangs wollte ich dich bestrafen, wegen Axon und weil ich dachte, du wärst ein arroganter Player." Nun muss ich mich sammeln und suche nach den richtigen Worten.
„Aber es war die Wahrheit, dass ich nie auch nur einen Cent deines Geldes genommen habe. Shira brauchte es dringend und ich wollte nach der Sache mit dem übergriffigen Kerl, nicht den Draht zu dir verlieren. Du hast dich dem Night Sparrow geöffnet und das wollte ich nicht aufgeben."
Er sagt nichts und auch der Ausdruck in seinen Augen verrät mir nicht, was er bei meinen Worten fühlt.
Ich möchte ihn berühren, ihn spüren lassen, wie viel er mir bedeutet und gebe dem Drang nach. Wie von selbst schlingen sich meine Arme um seine Hüften und ich vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. Langsam und tief sauge ich seinen Duft ein, damit ich mich später daran erinnern kann, falls er mich zum Teufel jagt. „Ich war wütend und eifersüchtig auf mich selbst. Nichts wollte ich mehr, als das du zu mir dasselbe Vertrauen aufbaust wie zu ihr."
Entschieden schiebt er mich von sich.
„Aber das ergibt keinen Sinn! Siehst du nicht wie verrückt das klingt? Du hast diese „Figur" dazu benutzt mich zu manipulieren!"
Wut spiegelt sich in seinem Gesicht und ich kann nun die Tränen nicht mehr aufhalten. Sie laufen einfach aus meinen Augen.
„Das ist nicht wahr! Ich hab versucht dich auf Abstand zu halten. Wenn du darüber nachdenkst, wirst du erkennen, dass ich den Annäherungsversuchen deinerseits keine Chance mehr gegeben habe, seit das zwischen uns..."
Aber er unterbricht mich mit einem wütenden Knurren.
Seine Augen lodern vor Zorn.
„Das spielt aber keine Rolle! Du hast mich wissentlich gelenkt. Woher soll ich wissen, dass das was ich für dich gefühlt habe, jemals echt war?"
Theodor atmet schwer und seine Fäuste sind geballt.
Es verletzt mich, dass er so über mich denkt.
„Wenn du dich das wirklich fragen musst, hast du wirklich keine Ahnung von mir. Du warst derjenige der Nacht für Nacht in den Club gekommen ist. Du warst es, der meinen Korb ersteigert hat und mich zuhause aufgesucht hat. Ich habe dich niemals auch nur mit einer Silbe dazu gedrängt."
Meine Stimme bebt.
„Du hast das alles selbst entschieden. Genauso, dass du deinen Eltern nicht widersprochen hast und dich mit einer anderen verlobt hast! Ich habe Fehler gemacht, das gebe ich zu, aber ich bin nicht die einzige die sich nicht richtig verhalten hat."

Er seufzt tief und wendet den Blick ab. Panik macht sich in meinem Körper breit, denn ich fühle wie er mir immer mehr entgleitet und ich kann rein garnichts dagegen tun.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fängt er an zu sprechen.
„Da mag etwas wahres dran sein aber dennoch." Er sieht mich an, lässt sich Zeit damit mein Gesicht zu studieren. „Ich kann das einfach nicht. Das zwischen uns kann nicht funktionieren. Nicht mehr..."
Ich schlucke schwer. Natürlich könnte ich ihn versuchen zu überzeugen. Aber tief in mir weiß ich einfach, dass es keinen Zweck hat.
„Ich weiß nicht wer du bist. Bist du der Night Sparrow oder Soleil De Vere?!"
Ich schluchze.
„Beides, Theo. Ich bin immer noch ich und wenn du dir unsere Gespräche aus dem Club noch einmal in Erinnerung rufst, wirst du erkennen, dass es wahr ist."

Er verzieht traurig das Gesicht, bevor er sich abwendet und Richtung Zimmertüre geht. Mein Herz bricht in 1000 Teile, aber ich habe alles gesagt. Alles getan. Nichts geht mehr.

The Night SparrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt