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Eilig schreite ich in unser Esszimmer, obwohl das Wort Zimmer eigentlich nicht das Richtige dafür ist- Essenssaal trifft es da schon eher

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Eilig schreite ich in unser Esszimmer, obwohl das Wort Zimmer eigentlich nicht das Richtige dafür ist- Essenssaal trifft es da schon eher. Ich kann bereits die reich gedeckte Tafel vor mir erkennen. Am Ende des acht Meter langen Tisches sitzt meine Mutter und nippt gerade an ihrer Tasse Tee, ehe sie aufsieht und meine Erscheinung abschätzig prüft, bevor sie unzufrieden ihren Mund ein wenig verzieht und mich begrüßt.

„Guten Morgen, Soleil.", kommt es wie jeden Tag aus ihrem Mund und ich setze mich an das gegenüberliegende Ende des Tisches. Sofort eilen zwei Hausmädchen herbei, eines davon ist Dora, die mir frischgepressten Orangensaft einschenkt und mir eine feinsäuberlich gebügelte Serviette auf den Schoß legt, ehe die andere mir einen Teller mit einer halben Grapefruit vor die Nase stellt. Danach stellen sie sich neben mir auf.
„Danke, könnte ich um eine Tasse schwarzen Kaffee bitten?", sage ich freundlich und beide nicken nachdem sie meiner Mutter einen scheuen Blick zuwerfen.
Diese mustert mich mit einem strengen Blick und seufzt.

„Kaffee verfärbt die Zähne und lässt die Haut altern, Liebes. Eine Tasse Tee ist besser für dich und kurbelt deinen Stoffwechsel an..."
Mutter gibt den Hausmädchen ein Zeichen und sie schwirren beide davon.
Ich seufze frustriert auf, obwohl ich nichts anderes von ihr erwartet habe und stochere lustlos in meiner Grapefruit herum, während ich meiner Mutter beleidigt ins Gesicht sehe.
„Deine Laune lässt wieder zu wünschen übrig, Kind. Runzle die Stirn nicht so, sonst bekommst du Falten.", sagt sie entschieden und ich balle die Faust um meinen Löffel.

Wie kann man nur so sein?

Ich beiße mir fest auf die Zunge um zu verhindern, dass eine freche Erwiderung von mir eine Diskussion loslöst und senke den Kopf.
Dora kommt mit einer dampfenden Tasse hereingeeilt und stellt sie vor mir ab.
„Ihr Tee, Miss.", sagt sie und zwinkert mir kurz dabei zu. Der Duft von Kaffee steigt mir in die Nase und ich blicke zu dem pfiffigen Hausmädchen hin und schenke ihr ein dankbares Lächeln. Ich bin froh, über den Abstand zwischen mir und meiner Mutter, denn von dieser Entfernung, ist es ihr unmöglich den Geruch des Getränkes zu riechen. Ich mache einen raschen Schluck und genieße das Koffein, dass sich durch meine müden Zellen pumpt.

„Ich habe dir eine Auflistung über die nächsten Events erstellen lassen."
Wie automatisch legt Dora, ein feinsäuberlich bedrucktes Blatt Papier neben meinen linken Arm ab und ich schiele darauf. „Heute Nachmittag erwarte ich einige Damen und ihre Töchter zum Tee. Ich bitte dich, dich dabei anständig zu kleiden. Glaube nicht, ich hätte das Fehlen einer adäquaten Beinbekleidung nicht bemerkt...", fährt sie fort aber nicht erneut ohne das Gesicht zu verziehen. Ich koche innerlich über, zwinge mich aber zu einem neutralen Gesichtsausdruck.

„Morgen sind wir auf dem Poloturnier deines Bruders geladen und am darauffolgenden Tag, nehmen wir an der Gartenparty der Worthingtons teil."
Ich seufze frustriert, denn dem Turnier nur zusehen zu dürfen und nicht selbst reiten zu dürfen, ist eine richtige Qual. Augy- mein Bruder hat es da schon besser. Als männlicher Nachkomme, darf er jedes Klischee eines reichen verwöhnten Playboys entsprechen und trotzdem wird er als Goldkind gefeiert. Dass er aber nur Party macht, säuft und flucht, verpasst ihm keinen Kratzer an seinem makellosen Image. Anders, als es bei mir der Fall wäre, weil jede meiner Bewegungen und jedes Wort das ich spreche, auf die Waagschale gelegt wird.
Mutter räuspert sich, so wie sie es immer tut, wenn sie auf eine Reaktion von mir wartet und ich nicke wortlos.

„Wunderbar!" Sie klatscht in die Hände und schiebt den Teller mit ihrer aufgegessenen Grapefruit von sich, dabei beäugt sie meine, die ich noch nicht einmal angerührt habe und verzieht wieder ihren Mund.
Sie deutet mit einem perfekt manikürten Finger auf meinen Teller. „Du solltest essen, Kind. Die Grapefruit zügelt das Hungergefühl und verleiht deinem Teint ein strahlendes Leuchten..."
Pah, wo hat sie immer diese Informationen her?
Gehorsam löse ich mit dem Löffel ein Stück von dem saftigen Fruchtfleisch heraus und schiebe es mir in den Mund. Die Bitterkeit breitet sich augenblicklich darin aus und ich kämpfe gegen den Drang an, das Gesicht dabei unschön zu verziehen.
„Wusstest du eigentlich...", fängt meine Mutter in beiläufigem Ton an und ich hebe alarmiert den Kopf. Eines ist meine Mutter nie und zwar subtil. Wenn sie etwas sagt, erwartet sie immer eine Reaktion.

„Es wird gemunkelt, dass Theodor Worthington, Penelope Easton den Hof macht."
Dabei sieht sie mir tief in die Augen und obwohl ihr Mund lächelt, bleiben diese von der Freundlichkeit unberührt. Ich überlege fieberhaft wer diese beiden überhaupt sind, denn die meiste Zeit versuche ich diese Menschen zu ignorieren. Theodor Worthington ist mir zwar ein Begriff aber ich glaube, dass ich ihn nie richtig wahrgenommen habe. Er ist ein Schürzenjäger wie mein Bruder Augy.
Das Trommeln der Finger meiner Mutter auf dem edlen Tischtuch, bringt mich wieder in die Realität zurück und ich zucke mit den Schultern ehe ich ihr antworte.
„Das ist doch schön für die beiden..."
Mutter lässt die Hand fest auf den Tisch krachen bis alle Gläser klirren und ich zucke zusammen. Was hab ich denn gesagt?
Ihre Miene verrät dass sie aufgebracht ist.

„Schön? Das findest du schööön?" Sie betont das Wort extra lange und schüttelt verstimmt den Kopf.
„Ähm, ist das denn nicht schön?", frage ich irritiert und Mutter seufzt theatralisch.

„Schön wäre es, wenn du an ihrer Stelle wärst! Ich verstehe nicht, warum du dich so abweisend verhältst? Du hast die besten Schulen besucht, ich habe dich Grazie und Stil gelehrt. Du wärst prädestiniert dafür die Auserwählte für diesen Jungen zu sein. Wenn du nur halb so viel Energie darauf verwenden würdest, dir einen Ehemann wie Theodor zu angeln, als du sonst aufmüpfig und stur bist, dann würde nicht dieses schlaksige, pferde-gesichtige Ding die Frau an seiner Seite sein..."

Ich schlucke schwer, es ist etwas völlig anderes andauernd durch ihre abschätzigen Blicke, das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass ich in ihren Augen nicht gut genug bin, es jedoch aus ihrem Mund tatsächlich zu hören, verletzt mich tief. Meine Augen füllen sich mit Tränen, doch ich kämpfe gegen sie an. Ich gebe meiner Mutter diese Genugtuung nicht und deshalb räuspere ich mich, setzte ein falsches Lächeln auf und sage etwas, dass mich innerlich zerreißt.
„Es tut mir leid, Mutter..."

Ohne ihre Antwort abzuwarten, stehe ich auf und gehe mit so viel Würde aus dem Raum, wie ich nur aufbringen kann.

The Night SparrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt