Wenn mich jemand im Club tanzen sieht, meine Bewegungen mit den Augen verfolgt und meinen leichtbekleideten Körper damit erkundet, würde er niemals vermuten, wie mein Leben bei Tage verläuft.Ich erwache jeden Tag, um dieselbe Uhrzeit, weil mein Zimmermädchen Dora die Fensterläden und die Vorhänge öffnet und mich wachrüttelt.
„Aufstehen Miss. Ihre Mutter erwartet Sie zum Frühstück."
Ich grummle verschlafen, wie jeden Tag, weil ich doch bis spät in die Nacht im Club war. Doch davon weiß hier niemand Bescheid und deshalb denken die Angestellten bestimmt, dass ich ein reiches verzogenes und missmutiges Gör bin.
Ich schiebe meinen Kopf unter das Kissen und stöhne erneut, als mir Dora die Decke vom Körper zieht.
„Los raus aus den Federn, oder die Misses wird verstimmt sein und das möchten weder Sie noch ich erleben, Miss.", kommt es freundlich aus ihrem Mund, doch auch schlaftrunken kann ich die Ernsthaftigkeit dahinter erkennen.
Langsam strecke ich meine Glieder und tauche unter dem Kissen hervor. Meine blonden kinnlangen Haare sind verstrubbelt und fühlen sich wie ein Filzball an, als ich mich am Hinterkopf kratze. Dora steht immer noch an meinem Bett, lugt mich abwartend an und tippt mit der Schuhsohle ungeduldig auf dem dunklen Holzboden herum.„Schon gut... Ich komme ja schon...", brumme ich und steige aus meinem Bett, während das Zimmermädchen selbstzufrieden lächelt. Ich ignoriere es und schlurfe ins angrenzende Badezimmer um mich frisch zu machen. Als ich eine halbe Stunde später wieder herauskomme, lag schon ein pastellblaues Sommerkleid auf meinem frisch gemachten Bett, während daneben die passenden Accessoires drapiert waren. Ich seufze genervt über den Umstand, dass ich nie selbst aussuchen darf was ich tragen werde und kicke vor Zorn nach dem Paar neuer Schuhe, die auf dem Boden stehen.
Dora kommt genau in diesem Moment aus dem begehbaren Kleiderschrank, in den Händen trägt sie ein blaues Seidenband, dass sie mir in die Haare flechten wird und sieht mich ernst an.
„Brauchen Sie noch eine Minute Miss?"
Ich schüttle den Kopf und greife nach dem Kleid, welches ich mir missmutig überwerfe.
Danach begebe ich mich zu der kleinen Schmink- Kommode und lasse mich auf den Hocker plumpsen.
Meine Augen sehen in den Spiegel und betrachten Dora, die nun mit einer Bürste bewaffnet auf mich zukommt um die Knöpfe aus meinen Haaren zu bürsten. Ich hasse es, dass ich das nicht selbst machen darf und beiße mir fest auf die Lippen, damit ich nicht losschreie.
Gekonnt flechtet sie mir das Seidenband ins Haar und betrachtet ihr Werk danach im Spiegel, ich lächle sie trotz allem dankbar an, denn sie erledigt immerhin nur die Befehle meiner Mutter.
Sie tritt von mir zurück und ich greife nach dem Concealer um mir etwas unter die Augen zu tupfen. Während ich mir ein schlichtes Make-up verpasse, sehe ich Dora wie sie in meinem Zimmer herumwuselt. Plötzlich tritt sie wieder zu mir und hält eine beigefarbene Strumpfhose hoch, die ich im Spiegelbild angewidert mustere.
Ich hasse dieses hässliche Folterinstrument. Sie kneift mich an allen möglichen Stellen und sieht einfach nur oma-mäßig aus.
„Kommen Sie, Miss. Sie wissen doch, dass die Misses keine nackten Beine duldet...", erinnert sie mich und ich verdrehe genervt die Augen, ehe ich nach dem kratzigen Alptraum greife.
„Wenn Sie mich nun nicht mehr brauchen, gehe ich nach unten."
Ich nicke und bedanke mich bei ihr, ehe sie eilig das Zimmer verlässt.
Ich erlaube mir kurz die Ruhe zu genießen, bevor ich mich von dem gepolsterten Hocker erhebe und nach der Strumpfhose greife. Meine Mutter empfindet das zur Schau stellen, nackter Beine als Affront. "Hochwohlgeborene Damen haben ihre Beine zu verhüllen, kein Kleid oder Rock darf oberhalb des Knies enden, das ist vulgär, Soleil.", betet sie bei jeder Gelegenheit herunter und mustert dabei meine Erscheinung mit gerümpfter Nase.
Sie kann einfach nicht verstehen, dass ich partout nicht in dieser Welt leben will, in die ich, laut ihrer Meinung, doch so gut zu passen scheine. Durch das Ballett ist mein zierlicher Körper, stahlhart und ohne ein Gramm Fett. Meine Arme und Beine wohlgeformt und meine Haltung makellos.
Mein Mundwerk jedoch, spricht eine ganz andere Sprache. Mutter hasst die Ausdrucksweise, die ich mir angeeignet habe und versucht bei jeder Gelegenheit, mich mit einem Sprachlehrer zu quälen.Ich sehe erneut in den Spiegel und betrachte mich für einen Augenblick. Für mich kommt diese Aufmachung einer Kostümierung gleich, so unwohl fühle ich mich darin. Das brave sittsame Mädchen, dass sich Mutter so sehr wünscht, starrt mir im Spiegelbild entgegen und augenblicklich schnürt sich mir die Kehle zu. Das ausgestellte Kleid, fühlt sich nun wie ein enges Gefängnis an und schnürt mir die Luft zum Atmen ab. Ich schließe die Augen, um den Impuls zu unterdrücken mir den Stoff vom Leibe zu reißen. Ich zittere am ganzen Leibe und vernehme ein leises piepen in meinen Ohren.
Atme! Atme...Ich konzentriere mich auf die Dinge, die ich liebe um diesem Strudel an Negativität zu entkommen, der mich in die Tiefe ziehen möchte. Sofort sehe ich den Club vor meinem inneren Auge, höre die Musik und die Stimmen der Menschen darin. Ich entspanne mich merklich, als ich mir das Gefühl ins Gedächtnis rufe, dass ich beim Tanzen verspüre.
Langsam öffne ich die Augen und begegne meinem Blick im Spiegelbild. Die Strumpfhose fest umklammert, stehe ich da.
Aus einem Impuls heraus knülle ich sie unachtsam zusammen und werfe sie auf den Boden.
Nachdem ich einmal tief ein und ausgeatmet habe, straffe ich die Schultern und begebe mich nach unten, um meiner Mutter gegenüberzutreten.Wie gefällt es euch bis jetzt?
Ich würde mich über Kommentare und über das ein oder andere Sternchen freuen. Dauert nicht lange und tut auch nicht weh 😉
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The Night Sparrow
Romance✨„Stars can't shine without darkness"✨ Eine junge Frau, die bei Tag ein Leben unter stetiger Beobachtung führt, die jede Nacht die Ketten für einen Moment ablegt, um sich endlich frei zu fühlen. Soleil ist Tänzerin, im berüchtigten Nachtclub „ Sens...