Keine Ahnung wie lange ich in meiner Kabine sitze, es könnte sich um Stunden handeln oder auch nicht. Meine Gedanken kreisen um das Gespräch von vorhin und wenn ich ehrlich bin, habe ich es noch nicht realisiert. Alles fühlt sich so unreal an. Theodor weiß, dass ich der Night Sparrow bin. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass es so ausgehen würde aber es war unausweichlich. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich schon lange ehrlich sein. Es ist nicht einfach so ein Geheimnis zu bewahren, schon gar nicht- wenn es zwischen zwei Menschen steht.Ein leises Klopfen an meiner Tür reißt mich aus meiner Trance und kurz darauf erscheint mein Bruder in meiner Kabine.
An der Art wie er mich ansieht, kann ich sehen, dass er besorgt ist.
„Ist er weg?"
Ich muss diese Frage sofort geklärt haben, sonst werde ich verrückt.
Augy schüttelt den Kopf.
„Nein, das Schnellboot war nur für die Überfahrt zur Yacht gemietet. Er bleibt fürs erste Mal hier." Ich liebe meinen Bruder dafür, dass er mir keine Fragen stellt, sondern einfach nur da ist.
„Das ist gut... Denke ich.", murmle ich und wische mir über die feuchten Wangen.
Schnurstracks setzt er sich neben mich und zieht mich zu sich, sodass ich meinen Kopf an seine Schulter legen kann.
„Ich kann nicht behaupten, dass ich auch nur irgendwas davon verstehe, was da zwischen euch läuft aber ich kenne Theo und ich kenne dich." Er schlingt einen Arm um mich und haucht mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Zusammen könntet ihr großartig sein, wenn ihr euren Stolz und eure Vorurteile mal beiseite lasst."
Ich muss kichern.
„Das klingt so schmalzig, Augy!"
Er reibt mir aufmunternd über den Arm und lacht.
„Pack deine Sachen wieder aus und komm mit. Wir sind hergekommen um ein wenig Spaß zu haben und gerade du hast das nötiger als wir alle zusammen."
Ich schüttle langsam den Kopf.
„Mir ist aber nicht nach Spaß..."
Mein Bruder erhebt sich vom Bett, zieht mich gleichzeitig mit sich.
„Komm schon Lelli, was kann es schon schaden?"
Ich grunze genervt.
„Das hast du schon einmal gesagt und sieh wo wir gelandet sind...", motze ich und ernte ein dreckiges Lachen von meinem Bruder.-
Spaß sieht echt anders aus. Ich sitze seit einer halben Stunde auf der gepolsterten Sitzfläche unter einem riesigen Sonnensegel. Mein Bruder zu meiner Linken und Ed's kleiner Brünetten zu meiner Rechten. Die Sonne geht bereits unter und färbt den Himmel in die schönsten gelb und Rosatöne. Das Essen hab ich ausgelassen und nur ein Glas Wasser getrunken. Theodor nimmt am anderen Ende der Sitzfläche Platz. So weit weg von mir, wie nur möglich. Unser Streit hat die Stimmung an Bord kein Bisschen getrübt und jeder unterhält sich angeregt, während die Clubmusik aus den Lautsprechern dröhnt.
Der Alkohol fließt in Strömen und auch ich lasse mir nun ein Glas von meinem Bruder in die Hand drücken.
Der erste Schluck brennt zwar in meiner Kehle aber was soll's?
„Spielen wir doch „Ich hab noch nie"...", schlägt ein Mädchen namens Erica vor und ich verdrehe die Augen. Ein Raunen geht durch die Gruppe. Die Jungs scheinen nicht besonders erpicht auf diese dummen Spielchen zu sein. Ich kann dieses Gefühl nachempfinden.
„Neee, das ist doch Kinderkram!", protestiert Will der bis jetzt jeglichen Augenkontakt mit mir vermieden hat. Eine kleine Diskussion bricht daraufhin zwischen den Gästen los und ich lehne mich ein wenig zurück, damit ich nicht der Versuchung erliege andauernd Theodor anzustarren.
„Also ich finde die Idee in Ordnung oder hat jemand einen anderen Vorschlag?", ertönt nun seine Stimme und sofort breitet sich ein flaues Gefühl in meinem Magen aus.
Ich versuche mich, so gut es geht- hinter meinem Bruder zu verstecken, weil ich keine Lust habe meine Meinung zu äußern. Noch weniger steht mir der Sinn danach mitzuspielen.
„Gut dann ist es abgemacht, jeder spielt mit Ausnahmen gibt es keine.", sagt die Brünette neben mir und ich muss mir ein Augenrollen verkneifen. Kurz erhasche ich einen Blick auf Theodor, der sich bereits sein Glas vollfüllt und vorab schon einen großen Schluck macht.
Nervös rutsche ich auf meinem Platz hin und her, während die erste Frage gestellt wird.
„Ich hab noch nie betrunken das Auto meiner Eltern geschrottet.", fängt einer der Polospieler an und erntet grölendes Gelächter, bevor tatsächlich eine Handvoll Leute aus ihrem Becher trinken. Ich atme durch die Nase aus und senke den Blick auf meine Hände. Das kann ja heiter werden.
„Ich hab noch nie den Namen eines Dates vergessen und versucht, es mit irgendwelchen Kosenamen zu vertuschen"
Natürlich kommt das von einem der Jungs. Die Mädels schnauben empört, während die Hälfte der Jungs einen Schluck trinken. Selbst mein Bruder.
„Also wirklich, Augy!?", murmle ich halb empört halb belustigt und er zuckt mit den Schultern bevor er erwidert: „Es war bis jetzt ein stressiger Sommer..."
Grinsend schüttle ich den Kopf und grinse vor mich hin. Sofort verspüre ich ein komisches Gefühl und riskiere einen erneuten Blick zu Theodor, der mich verstimmt mustert. Am liebsten würde ich mich verkriechen. Was soll ich denn tun? Ist es nicht einmal kurz erlaubt zu lächeln?
„Ich hab noch nie jemanden geküsst, den ich überhaupt nicht leiden kann.", kommt es von Erica und ich erstarre. Spiele ich nun mit oder nicht?
Schnell entscheide ich mich dafür einen Schluck zu machen und vermeide den Augenkontakt mit Theodor. Denkt er gerade auch an die Sache zwischen uns im Stall?
„Ich hab noch nie jemanden für den ich Gefühle habe, belogen.", kommt es nun von ihm und mir wird übel. Was soll diese Frage? Will er mich damit quälen oder gar verletzen?
Ich pfeife auf seine Meinung und trinke, während ich ihn nicht aus den Augen lasse. Er wirkt verblüfft und ich kann nicht verhindern dass ich mit dem Kinn auf ihn deute, wie um ihm zu signalisieren, dass er selbst auch einen Schluck machen sollte.
Er tut es.
Langsam wärmt der Alkohol meine Glieder und ich kann die Hitze fühlen die in meine Wagen steigt.
„Ich hab noch nie Gefühle für eine Person gehabt, für die ich es nicht sollte.", kommt es von Ed's Anhängsel und ich lehne mich nun mutig nach vorne und trinke einen großen Schluck. Theodors Blick funkelt mich angriffslustig an. Was? Du hast doch damit angefangen!
Er schnalzt kurz mit der Zunge, schüttelt den Kopf und trinkt selbst einen Schluck.
„Ich hab noch nie ein geheimes Doppelleben geführt.", kommt es schneidend aus seinem Mund und presst mir die Luft aus den Lungen.
Ich kann nicht fassen was ich da höre.
Die anderen raunen und kichern.
„Du bist nicht an der Reihe...", entgegne ich so ruhig ich kann und starre ihn an.
Er zuckt mit den Schulter. „Ist doch egal, Frage ist Frage"
Langsam werde ich wütend, was will er nur damit bezwecken?
„Das ist eine dumme Frage...", knurre ich und ignoriere meinen Bruder der mich verwirrt von der Seite aus anstarrt.
Alle Augen sind auf mich und Theodor gerichtet und das kann ich überhaupt nicht leiden, jedoch versuche ich das zu ignorieren.
„Möglich... Aber sie ist nun mal gestellt..."
Ich verschränke abwehrend die Arme und rühre meinen Drink nicht an. Keiner der anderen nimmt einen Schluck, wieso auch? Sie machen sowieso was sie wollen. Das ist der Vorteil wenn man mehr Geld und Einfluss hat, als man verdient hat.
„Wieso nimmst du keinen Schluck, kleine De Vere?" versucht Theodor mich zu provozieren und obwohl ich mich nicht darauf einlassen sollte, kann ich nicht anders.
„Warum nimmst du keinen Worthington?"
Er weiß worauf ich anspiele und seine Miene verfinstert sich.
„Fuck, okay!", er leert seinen Becher in einem Zug und knallt ihn danach so fest auf den Tisch, das die restliche Flüssigkeit umherspritzt. „Jetzt du!"„Lelli, was soll das?", richtet Augy das Wort an mich aber ich antworte ihm nicht. Stattdessen stehe ich auf und funkle zum anderen Ende der Sitzreihe, bevor ich ebenfalls mein Glas leere.
Einzige der Mädchen kichern hinterhältig und mein Bruder sieht aus, als hätte er einen Geist gesehen.
„Ich tanze jede Nacht in einem Nachtclub. Nicht, dass es hier jemanden zu interessieren hat, aber ich liebe es, wenn mich die Menschen anstarren und mir zujubeln..." Den meisten fällt die Kinnlade runter, einige geben sogar ein Keuchen von sich. Aber am verblüffendsten ist Theos Reaktion. Er sieht beinahe beschämt drein. „ Ja, ich passe nicht in diesen goldenen Käfig und es befreit mich zu wissen, dass ich es so lange verheimlichen konnte." Ich setze mich in Bewegung und gehe erhobenen Hauptes an der Gruppe vorbei. Auf Theodors Höhe halte ich kurz inne und zische: „Bist du nun endlich zufrieden?"Ich lasse den Satz so stehen und warte nicht auf seine Reaktion sondern verschwinde über die Treppe zu meiner Kabine.
Oooh Mann 🤦🏼♀️🙈
Meinungen? 😬😘
DU LIEST GERADE
The Night Sparrow
Romance✨„Stars can't shine without darkness"✨ Eine junge Frau, die bei Tag ein Leben unter stetiger Beobachtung führt, die jede Nacht die Ketten für einen Moment ablegt, um sich endlich frei zu fühlen. Soleil ist Tänzerin, im berüchtigten Nachtclub „ Sens...