Die warme Luft die mir entgegenweht, als ich auf meinem Hengst Axon über die Wiese zum Stall zurückreite, fühlt sich angenehm auf meiner Haut an. Der Duft der Freiheit liegt darin und alle meine Bedenken lösen sich auf Axon's Rücken in Wohlgefallen auf. Ich ziehe sanft an dem Zügel und der Hengst verlangsamt seine Schritte.
Als er vor vier Jahren von Mamas Stute Alisar mit seiner Schwester geboren wurde, dachten wir nicht, dass er überleben würde. Er war viel schwächer und kleiner als seine Schwester und der Tierarzt gab ihm nur eine Nacht, ehe er sterben würde. Ich hatte mich jedoch sofort in ihn verliebt. Sein braunes Fell, die rabenschwarze Mähne und der kleine weiße Stern auf seiner Stirn, hatten es mir angetan und ich bettelte meine Mutter an, ihn behalten zu dürfen. Sie sah ihn damals genauso abschätzig an, wie sie es mit mir immer tat. Einfach unter ihrer Würde und da sie niemals damit gerechnet hatte, zu welchem Traumpferd er sich unter meiner Hand entwickeln würde, willigte sie ein. Wir hatten eben beide etwas zu beweisen und arbeiteten unermüdlich an uns.
Bis zum heutigen Tag, hat er mir viele Preise und was für mich noch wichtiger war, viel Freude geschenkt. Mutters Blick ist nun nicht mehr abschätzig, sondern neidisch. Manchmal liegt eben die Schönheit im verborgenem.
Als wir beim Stall ankommen und ich von Axons Rücken hüpfe, ertönt ein lauter Pfiff und ich drehe mich in die Richtung aus der dieser Laut gekommen ist.
Mit einem fetten Grinsen kommt mein Bruder auf mich zugelaufen und ich grinse erfreut zurück.
„Hi, Augy", grüße ich ihn, als er mich in die Arme schließt und fest an sich drückt.
„Hi Lelli"
Ich löse mich von ihm und sehe in sein braungebranntes Gesicht.
„Wie war es an der Côte d'Azur?", erkundige ich mich, ehe ich Axon den Sattel abnehme und ihm zur Belohnung, eine Karotte vor die Nase halte. Er schnappt sie vorsichtig und kaut laut und schmatzend vor sich hin.„Traumhaft, Lelli. Wirklich traumhaft... Die Jungs und ich hatten wirklich eine mega Zeit. Wir befanden uns gefühlt, jeden Tag auf einer anderen Yacht. Du solltest das nächste Mal einfach mitkommen."
Ich lache gekünstelt, während ich mich um Axons Hufe kümmere und sie ein wenig auskratze.
„Du bist witzig Augy- du denkst doch nicht wirklich, dass Mutter und Vater es mir gestatten, mit einer Reihe Playboys, wochenlang um den Globus zu jetten?! Gerade gestern hat sie mir vorgeworfen, noch keinen Ehemann in Aussicht zu haben..."
Ich verziehe angewidert das Gesicht und mein Bruder tut es mir gleich. „Fürchterlicher Gedanke..."
Ich nicke bloß und greife nach dem Zügel, um Axon in seine Box zu führen. Mein Bruder folgt mir und ist auffallend schweigsam dabei.
Das ist für seine Verhältnisse, komisch. Denn sonst hat er immer etwas zu erzählen. Nachdem ich meinem Hengst die Abschwitzdecke abgenommen habe, kraule ich ihn kurz am Hals und trete aus der Stall-Box.Augy mustert mich argwöhnisch und ich werde sofort nervös. Hat einer seiner Freunde vielleicht den Club besucht, oder gar er selbst und hat mich erkannt. Diese Angst begleiten mich jeden Tag und überkommt mich immer, wenn mich jemand so komisch ansieht.
„Was?", frage ich meinen Bruder, der sanft lächelt während er tief ausatmet.
„Weißt du, Mutter ist ein Biest und ich kann es kaum ertragen, zu sehen, wie sie mit dir umgeht. Was denkst du, warum ich so wenig zu Hause bin. Dieses Gezeter und das Bewerten machen mich einfach krank. Als Kind war ich einfach erleichtert, dass sie mich in Ruhe lässt, aber je älter ich werde, desto mehr denke ich darüber nach, wie unfair das dir gegenüber ist..."Damit habe ich jetzt wirklich nicht gerechnet und ich blicke meinen älteren Bruder verwundert an. Zu sagen, dass mich sein Geständnis nicht bewegt, wäre eine glatte Lüge aber wenn ich diese Kiste jetzt und hier öffne, kann ich sie vielleicht nicht so schnell wieder schließen. Die Emotionen würden mich wie eine Welle mitreißen und in unbekannte Gewässer katapultieren. Dazu war ich noch nicht bereit und deshalb lächle ich tapfer, ziehe meinen Augy in eine Umarmung und flüstere ein leises „Danke" an seine Halsbeuge.
Er löst sich von mir, erwidert das Lächeln und stupst mir danach gegen die Nase, so, wie er es früher schon immer getan hat.
Danach lässt er seinen Blick hinter mich schweifen und er kaut auf seiner Unterlippe, als mich plötzlich die Erkenntnis trifft und ich ihn fest gegen die Brust schlage.„Du Arsch! Das hast du bloß gesagt, weil du etwas von mir willst... Gib's zu, ich kenne diesen Blick!", rufe ich angesäuert und verschränke die Arme vor der Brust ehe ich dem ungehobelten Kerl, angriffslustig mein Kinn entgegenrecke.
Dieser hebt ergebend die Hände und schüttelt den Kopf.
„Nein, wirklich! Das verstehst du falsch, ähm zumindest teilweise. Ich will dich schon etwas fragen aber dass davor war total ernst gemeint..."
Ich grummle und schenke ihm einen giftigen Blick.
„Was willst du, August?"
Wenn ich seinen vollen Namen ausspreche, weiß er wie böse ich mit ihm bin, denn er zuckt zusammen.
„Lelli, ehrlich... Meine Bitte hat wirklich nichts mit dem von vorhin zu tun."
Er legt mir einen Arm auf die Schulter und sieht mir tief und reumütig in die Augen.
Ich nicke und seufze.
„Gut, also sagst du mir nun was du von mir willst?"
Mein Bruder grinst mich schief an, hebt die Hand und deutet mit dem Finger auf Axons Stall Box.
Ich brauche ein paar Sekunden um zu verstehen, aber dann reiße ich die Augen auf.
„Nein, Augy! Kommt überhaupt nicht infrage!"
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The Night Sparrow
Romance✨„Stars can't shine without darkness"✨ Eine junge Frau, die bei Tag ein Leben unter stetiger Beobachtung führt, die jede Nacht die Ketten für einen Moment ablegt, um sich endlich frei zu fühlen. Soleil ist Tänzerin, im berüchtigten Nachtclub „ Sens...