Kapitel 11

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Leise schlich ich mich durch die Schatten der Gasse. Ich huschte von einer Mülltonne zur nächsten, achtete immer darauf, keine Geräusche zu machen. Eigentlich war es komplett unnötig. Die Todesser konnten mich beim Apparieren nicht verfolgen. Sie hatten keine Ahnung, was mein Ziel gewesen war. Und auch hier würde mir sicherlich niemand auflauern.
Ich befand mich dieses Mal in einer schottischen Stadt. Auch heute würde ich mich wieder mal heimlich mit Remus treffen. Allerdings nicht bei Jessica, sondern wieder in einem Café, wo wir ungestört zu zweit reden konnten. Man merkte doch, dass im zuhause von Jessica jetzt vier Menschen lebten. Auch wenn dort noch viel mehr Menschen unterkommen könnten.
Gerade Andromeda und Ted hatten momentan sehr viel Redebedarf. Sobald jemand von außerhalb kam, waren sie zur Stelle, um sich nach den neusten Vorkommnissen im Zaubererkrieg und von ihrer Familie zu erkundigen. Dabei hatte ich nie das Gefühl, sie wären mit den Nachrichten wirklich zufrieden. Verständlich, wenn man bedachte, was momentan los war:
Die Ordensmitglieder wurden im besten Fall mit Kleinigkeiten schikaniert, im schlimmsten Fall wurden sie gejagt. Während man Arthur Weasley im Ministerium aufgrund jeder Kleinigkeit heruntermachte, jagte man Kingsley mittlerweile, weil er angeblich verdächtigt war, Harry bei dem Mord an Dumbledore geholfen zu haben.
Dazu kam noch die Jagd nach Muggelstämmigen. Das Ministerium hatte ein Artikel herausgegeben, indem sie bekannt gaben, man hätte neue Erkenntnisse, welche beweisen würden, dass Magier nur durch Magier gezeugt werden konnten. Muggelstämmige könne es demnach nicht geben. Sie wären nichts weiter als Diebe, welche die Zauberkräfte anderer klauten und nutzten. Ein Glück, dass Ted in Sicherheit war. Bellatrix hätte sicherlich sehr viel Spaß daran, ihren Schwager an das Ministerium auszuliefern. Sie sähe es bestimmt gerne, wenn er in Askaban einsaß, so wie sie früher. Vor allem weil die Todesser dort jederzeit vorbeischauen konnten, um die Gefangenen zu foltern. Das interessierte im Ministerium wirklich niemanden mehr.
Ich erreichte das Ende der Gasse. Von nun an gab es keine Schatten mehr, in denen ich mich verstecken konnte. Ein paar wenige Muggel liefen die Straße entlang. Keiner hatte auch nur ein Blick für die kleine Gasse und schon gar nicht für die Schatten in ihr. Ich scannte noch einmal alles, doch es gab wirklich niemand, der mich beobachtete. Daher löste ich mich aus ihnen, trat auf die Straße und lief die letzten Meter bis zum Café. Dieses Mal versuchte ich mich nicht in den Schatten zu verstecken, sondern möglichst gut in der Masse unterzugehen.
Schließlich erreichte ich das Café, in welchen Remus und ich verabredet waren. Der Werwolf war dieses Mal vor mir da. Er saß auf der Terrasse, inmitten der Vormittagssonne. Zwei Tassen standen schon auf dem Tisch. Mit dem Henkel von einer – vermutlich seinem Tee – spielte er nervös. Ob er sich wohl dieses Mal fragte, warum ich noch nicht hier war?
„Hallo, Remus", begrüßte ich den Mann mit einem freundlichen Lächeln, während ich mich auch schon auf den Stuhl schob.
„Patricia!", rief er sichtlich erfreut, spielte allerdings weiter mit dem Henkel. „Ich habe uns schon mal etwas zu trinken bestellt."
„Danke." Ich nippte kurz an meinen schon halb ausgekühlten Kaffee. Ob ich ihn wohl später unbemerkt wieder warm zaubern konnte? Vermutlich eher nicht. Aber ich wollte mich nicht beschweren. Er hatte es gut gemeint. Vielleicht dachte er, wenn er schon mal einen Kaffee bestellen würde, würde es mich magisch anlocken.
„Ist bei dir alles in Ordnung?", fragte ich freundlich nach, während ich auch noch neugierig zum Tagespropheten sah, welcher auf dem Tisch lag. Ganz vorne sah man das Bild von Harry, welcher als Unerwünschter Nummer eins betitelt wurde. Klappte man die Zeitung auf, würde man auch noch ein Artikel über die Verfolgung der Muggelstämmigen finden.
„Ja, es ist – Dora, sie ist –" Er zögerte kurz. „Sie ist schwanger."
„Und du denkst, das Kind ist nicht von dir und deshalb bist du so schlecht drauf!", riet ich einfach wild drauf los. Dem entsetzten Blick nach zu urteilen, lag ich allerdings ziemlich daneben.
„Also willst du keine Kinder haben, weil Kira und Mary so nervig in jungen Jahren waren", schlug ich als Nächstes vor.
„Auch wenn du dich sicherlich über eine andere Antwort freuen würdest, nein, Mary und Kira waren zwei wirklich liebe Kinder." Der Mann seufzte noch einmal leise. „Solche Leute wie ich pflanzen sich normalerweise nicht fort, Patricia. Ich will gar nicht wissen, was ich meinem Kind damit angetan habe. Wenn es so wie ich wird – ich will gar nicht daran denken."
„Er hat Kira auf seiner Seite. Bis er elf Jahre alt ist, wird also seine Kuscheltante da sein. Und dann geht er nach Hogwarts. An Vollmond kommt er vielleicht zurück ..."
„Dumbledore ist fort, Patricia. Mein Kind wird niemals nach Hogwarts gehen können, wenn es – wie ich wird. Und selbst wenn es nicht so wie ich wird. Es wird sein leben lang wegen mir geächtet sein. Überall, wo es hingeht."
Ich biss mir unsicher auf die Unterlippe. Ich war mir wirklich nicht sicher, was ich zu diesem Gespräch beitragen sollte. Offensichtlich steigerte sich Remus gerade in seine Angst herein. Und all seine Befürchtungen waren nicht unberechtigt. Aber das sollte man in diesem Moment wohl nicht sagen.
„Ich bin mir nicht sicher, was ich dazu sagen soll. Ich bin nicht gut darin. Ich –"
Remus fing an, traurig zu lächeln. Er griff über den Tisch, legte seine Hand beruhigend auf meine, dann schüttelte er leicht den Kopf.
„Tut mir leid. Du hast genug eigene Probleme."
„Nein, ich höre dir gerne zu. Ich weiß nur nicht, wie ich dir helfen kann. Vivienne hat immer gute Tipps für solche Dinge", stellte ich fest. Marlons Mama war in Tipps geben einfach unschlagbar. „Ich denke, sie würde dir sagen, du sollst mit Dora reden. Ihr kriegt das Kind gemeinsam – oder kriegt es eben gemeinsam nicht."
Wir beiden verfielen wieder in Schweigen. Remus schien seinen Gedanken hinterherzuhängen. Ich spielte unsicher mit meinen Fingern. Ich wollte ihn eigentlich nicht stören, aber gleichzeitig fand ich es in diesem Moment irgendwie unangenehm. Unterm Strich hatte ich gerade vorgeschlagen, man könne das Kind auch abtreiben. Eigentlich hatte ich mit einem entsetzten Nein gerechnet, aber jetzt wirkte es wie eine Option.
„Habt ihr schon von der Schulpflicht mitbekommen?", fragte ich nach einer Minute des Schweigens.
„Ja, das haben wir. Mache dir keine Sorgen. Mary und Kira bleiben im Schloss. In Sicherheit. Ihr habt doch keinen Weg gefunden, die Schutzzauber zu brechen, richtig? Ich meine, ihr habt den Zauber schließlich bei Jessica errichtetet ..."
„Ich weiß in der Theorie, wie ich den Zauber brechen kann. Das wusste auch schon Tahnea. Er wurde damals von zwölf Nymphen erschaffen, daher kann er auch nur von zwölf gebrochen werden. Der bei Jessica ist schwächer. Wir waren nur fünf Nymphen. Also können auch fünf ihn brechen. Sag ihnen das bitte nicht. Ein Überfall vom Orden wäre nicht in meinem Interesse."
„Wie immer bleibt alles von diesem Gespräch eine Sache zwischen uns. Aber ich hoffe, du wirst nach Hogwarts gehen. Mir wäre wohler dabei, wenn du nicht mehr mit Vol–"
„Du darfst diesen Namen nicht sagen!", unterbrach ich ihn schnell. „Er ruft Todesser her. Niemand aus dem Orden darf ihn jemals wieder sagen. Das darfst du auch weitererzählen."
„Ich werde es allen sagen, die ich kontaktieren kann", wurde mir versprochen. „Es ändert aber nichts daran, dass mir wohler wäre, wenn du nicht mehr mit ihm unter einem Dach leben würdest."
Dieses Mal war ich die Person, die leise seufzte. Was hatten eigentlich immer alle Leute damit, dass ich zurück zur Schule sollte? Falls ich überleben sollte, konnte ich meinen Schulabschluss problemlos nachholen und falls nicht – nun dann half mir einer erst Recht nicht mehr. Und ruhiger war es in einem Schloss voller Schüler und Lehrer sicherlich auch nicht.
„Er ist ständig unterwegs. In Hogwarts werde ich außerdem von noch mehr Leuten beobachtet. Ich glaube kaum, dass mich die Lehrer dort gerne wieder aufnehmen. Natürlich haben sie keine Wahl, aber ---"
„Wenn du aufgrund eines Fehlers gegenüber einem Lehrer auffliegst, sind die Konsequenzen bei weitem nicht so dramatisch, wie wenn es in einem Haus voller Todesser der Fall ist."
„Ich kann von dort nicht mehr so kommen und gehen, wie ich will."
„Ihr habt alles unter Kontrolle, Patricia. Ich bin mir sehr sicher, Professor McGonagall wird nicht Schulleiterin, sondern jemand von euch. Das heißt, du hast alle Freiheit, die du kriegen willst. Ziehe nicht wieder in den Schlafsaal. Beanspruche ein eigenes Zimmer für dich. Aber geh dort hin."
Ich nickte ergeben. Ich würde darüber nachdenken. So wie ich es auch schon Narzissa versprochen hatte. Auch wenn ich noch immer nicht überzeugt war, dass es das Richtige war.
„Hast du schon die Zeitung gelesen?", fragte ich, um das Thema nicht weiter zu vertiefen.
„Ja, leider schon. Das Ministerium hat mit der Verfolgung der Muggelstämmigen begonnen. Ich hoffe, die meisten waren so klug und haben schon in den letzten Tagen die Flucht ergriffen", gestand der Werwolf.
„Nein, waren sie natürlich nicht", stellte ich vielleicht mal wieder etwas zu ehrlich fest. „Heute alleine stehen schon fünfzehn Verhandlungen an. Mit einem Freispruch ist zu rechnen, ich vermute mal die anderen vierzehn werden eine Zeit lang in Askaban sitzen und Besuch von gelangweilten Todessern kriegen."
„Will ich wissen, warum du dir sicher bist, dass eine Person freigesprochen wird oder warum du einige Zeit so komisch betonst?", wurde ich misstrauisch befragt.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Nein, gerade auf Letzteres wollte er sicherlich keine Antwort. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er froh darüber war, wenn ich ihm erklärte, dass die Unbekannte von der Hochzeit gerade die Befreiung von Muggelstämmigen aus Askaban plante. Die Befreiung und das Schmuggeln außer Landes.
„Die Person mit dem Freispruch ist ein Bekannter von Marlon. Er hat sich schon vor einigen Wochen vorsorglich gefälschte Stammbäume besorgt. Nur England verlassen will er wohl nicht. Unvernünftig, wenn du mich fragst."
Mein ehemaliger Lehrer nickte verstehend. „Passe nur auf dich auf, wenn du die Muggelstämmigen befreist. Du gehst ein sehr hohes Risiko ein. Denke daran, dass dort noch immer die Dementoren sind und du nicht deinen Patronus nutzen kannst, wenn Todesser anwesend sind."
Ich lächelte unschuldig. Da hatte mich Remus wohl erwischt. Wenigstens versuchte er nicht, es mir auszureden.
„Keine Sorge. Ich werde die Mission besser planen, als – meine Hilfe bei der Hochzeit."

Hexagramm - PhönixrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt