Ich ließ den Stapel Akten einige Zentimeter über der Tischplatte los. Mit einem leisen Knall fiel sie auf das dunkle Holz. In dem totenstillen Raum hallte das Geräusch wieder, wie ein Donnerschlag.
Die Person, vor dessen Nase ich die Blättersammlung habe fallen lassen, ließ ich davon allerdings nicht beeindrucken. Wenigstens die anderen am Tisch konnten ein erschrockenes Zucken nicht unterdrücken. Eine kleine Genugtuung, aber das sollte mir reichen.
„Fünf Entscheidungshilfen für fünf Nymphen", stellte ich fest. „Es fehlt nur noch eine für die kleine Kira und die kleine Mary. Das wird wohl unsere größte Herausforderung, weil sie sich im Schloss von Artemis verstecken. Außer ihr beißt euch an den Schutzzaubern nicht mehr die Zähne aus."
Bei meinen Worten sah ich Voldemort unentwegt in die gruseligen roten Augen. Man konnte nicht erkennen, ob er sich nun darüber freute, dass ich vorangekommen war, es ihm egal war oder sonst etwas. Er starrte einfach zurück. Fast regungslos. Wenn ich nicht sehen würde, wie er atmete und Nagini mit einer kleinen Handbewegung über den Kopf strich, würde ich denken, er wäre eine Schaufensterpuppe.
Ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl neben der Hadesnymphe nieder. Noch kurz starrte er die Akten an, bevor sich der dunkle Lord im Salon vom Malfoy Manor umsah, in welchen wir uns mal wieder für eine Lagebesprechung fanden. Viele der hochrangigen Todesser waren herzitiert worden. Eigentlich alle bis auf Snape und die Carrows. Letztere waren allerdings momentan auch damit beschäftigt, die Hoffnungsträger von morgen zu unterrichten. Die beider Seiten.
„Der Schutzzauber ist weiterhin nicht gebrochen", wurde mir erzählt.
„Tragisch", gab ich zurück, allerdings in einem Tonfall, der ausdrückte, dass ich es nicht so wirklich ernst meinte. „Allerdings habe ich auch nicht mehr erwartet." Schließlich wusste ich genau, wie man den Zauber brechen konnte. Ein einfacher Todesser würde da wohl nicht so schnell ans Ziel kommen. Aber das war ja in meinem Interesse.
„Bei dem Herbringen unserer neuen Gäste werden sie erfolgreicher sein", wurde mir versichert. Ich schüttelte allerdings den Kopf.
„Wir werden unsere fünf Gäste noch nicht so bald empfangen. Die Familie von Mary und Kira traut sich jetzt schon kaum aus dem Schloss. Wir lassen meiner leiblichen Familie noch ein wenig Zeit. Vielleicht entspannen sie sich dann wieder etwas und machen einen Fehler, wenn wir nicht die Jagd auf Nymphenfamilien eröffnen.
Die anderen wiegen sich in Sicherheit. Sie werden ihren Tagesablauf so bald nicht ändern. Wir können uns die Leute auch noch in einem halben Jahr schnappen", stellte ich fest.
Voldemort betrachtete nachdenklich die Akten. Die anderen Todesser am Tisch schienen den Atem anzuhalten. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass aus solchen Kleinigkeiten irgendwann der Kampf der Giganten entstehen würde. Vermutlich schon, aber noch nicht heute. Noch brauchten wir uns gegenseitig. Also würde der schwarze Magier sicherlich meinen Wunsch nachgeben.
„Du denkst also, wenn wir abwarten, werden sie das Schloss wieder verlassen", wiederholte Voldemort meinen Vorschlag.
„Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube allerdings, wir können die Wahrscheinlichkeit minimal erhöhen, wenn wir sie in Sicherheit wiegen. Und wir verlieren nichts, wenn wir uns noch etwas in Geduld üben. Solange der Schutzzauber um das Schloss existiert, ist es unsere beste Chance. Außerdem sollte bei unserer Einladung an die anderen fünf definitiv nichts schief gehen. Deine Hampelmänner sollten sich also sehr gut darauf vorbereiten", legte ich noch einmal eine Schüppe drauf.
Bellatrix, welche natürlich mit am Tisch saß, sah mich deshalb mal wütend an. Wenn ich nicht die Basílissa wäre, die von Voldemort unbedingt als Verbündete gewollt war, hätte sie wahrscheinlich schon zwanzig Mal versucht, mich umzubringen.
„Sie werden sich auf diese Aufgabe sehr gut vorbereiten, während sie weiterhin versuchen, den Schutzzauber zu brechen. Geben wir deiner leiblichen Familie noch etwas Zeit."
„Damit wir meinen Stammbaum ordentlich stutzen können. Welke Zweige und Blätter muss man schließlich abschneiden", scherzte ich.
In diesem Moment wurde die Tür zum Salon aufgerissen. Ein mir nicht bekannter Mann kam hereingestürmt. Er und seine Kleidung waren in einem ziemlich schlechten Zustand. Dreck und mehrere blutige Schnitte zierten ihn.
„Kingsley! Er hat euren Namen genannt, mein Lord. Aber er konnte entkommen!", rief der Mann.
„Sie sollten das Ergreifen von Leuten wohl intensiv üben. So etwas sollte bei unseren fünf zukünftigen Besuchern wirklich nicht passieren."
Der Wasserspeier glitt bei Seite und gab damit mal wieder den Zugang zur Wendeltreppe frei. Ich betrat sie, um nach oben zum Schulleiterbüro zu gelangen. Snapes Büro. Ich wollte meinen ehemaligen Hauslehrer darüber informieren, was bei meinem Gespräch mit dem dunklen Lord herausgekommen war. Von meinem Verhandlungserfolg.
Ich kam oben an der Eichentür an. Dahinter hörte man den Schulleiter mit jemanden Reden. Es war nur ein leises Gemurmel, weshalb ich nicht wusste mit wem und warum. Anders als sonst sparte ich mir daher das Klopfen an der Tür. Eigentlich mochte ich es nicht, hier einfach hereinzustürmen. Für mich war es einfach eine Form von Respekt, es nicht zu tun. Aber Tahnea respektierte nun einmal niemanden.
Daher öffnete ich mit Schwung die Tür und ließ sie auch noch lautstark gegen die Wand knallen. Die Gemälde der ehemaligen Schulleiter starrten nun alle zu mir. Ein paar rieben sich noch über die Augen, als hätte ich sie gerade geweckt, andere sahen einfach wütend zu mir. Nur Dumbledores Porträt schien sich über mein Auftritt zu amüsieren. So wie es auch schon zu seinen Lebzeiten der Fall gewesen wäre.
Snape hatte sich vor drei Schülern aufgebaut. Ginny, Neville und Luna. Während die drei auch zu mir sahen, schien der aktuelle Schulleiter sich kein wenig für mich zu interessieren. Vermutlich weil er genau wusste, es gab nur eine Person, die auf die Idee kommen würde, einen solchen Auftritt hinzulegen. Mich.
Kommentarlos lief ich daher zum Schreibtisch, auf welchen das Schwert von Gryffindor lag. Anders als sonst, schließlich lag es normalerweise sicher verwahrt in einer Vitrine. Ein Teil von mir wollte nach der Waffe greifen, um sie mal auszuprobieren. Bisher hatte ich mich noch nicht getraut, sie mal dafür herauszunehmen. Ich hatte eigentlich das Gefühl, kein Recht dazu zu haben. Die Klinge gehörte nicht zu mir. Sie kam nur einem wahren Gryffindor zur Hilfe und das war ich bei weitem nicht. Aber jetzt, wo es vor mir lag, würde ich es mir doch gerne mal näher ansehen. Sobald die Unruhestifter das Büro verlassen hatten.
Ich ließ mich auf den Schreibtischstuhl fallen, also dem Platz, auf welchem eigentlich der Schulleiter saß. Um meine Führungsposition noch etwas zu unterstreichen, legte ich auch gleich noch meine Füße auf der Schreibtischplatte ab.
„Sie alle drei werden für ihre Tat Nachsitzen", verkündete Snape, den drei Gryffindors in einem gefährlich ruhigen Ton. Anders als früher im Unterricht war allerdings keine Schadenfreude bei der Verkündung einer Bestrafung zu hören. „Sie werden den nächsten Monat über jede Nacht Hagrid im verbotenen Wald helfen. Finden sie sich heute Abend um elf bei ihm ein. Und nun raus."
Die drei Schüler warfen Snape und mir noch hasserfüllte Blicke zu, bevor sie langsam in Richtung der Bürotür davontrotteten. Ich sah ihnen beim Gehen zu. Erst als die Eichentür zu war, stand ich von meinem Sitzplatz wieder auf. Ganz selbstverständlich lief ich um den Tisch herum, um mich dort wieder auf einen der Stühle zu setzen. Snape hingegen nahm den Platz des Schulleiters an.
„Was haben sie ausgefressen?", fragte ich neugierig nach.
„Sie sind hier eingebrochen und haben versucht, das Schwert zu stehlen", wurde mir erklärt. Der ehemalige Zaubertranklehrer deutete dabei auf Gryffindors Waffe.
Ich nickte verstehend, auch wenn diese Tat in meinem Kopf nicht so wirklich Sinn ergab. Wie waren sie auf die Idee gekommen, das zu tun? Hatten sie es als Symboltat geplant? Um zu zeigen, dass Snape nicht so unverletzlich war, wie er sich als Schulleiter gerne gab? Wussten sie, dass Harry die Mission hatte, Horkruxe zu zerstören, und es mit der Waffe möglich war? Aber wie hätten sie das Ding zu ihm bringen wollen? Die alten Geheimgänge vom Schulgelände waren alle dicht gemacht worden, die offiziellen Eingänge wurden schwer bewacht. Oder hatten sie einfach noch nicht so weit gedacht? Erstmal das Schwert stehlen und sich dann den nächsten Schritt überlegen? Das hielt ich zumindest für möglich. Besonders weitsichtig fand ich die Gryffindors und auch Luna oft nicht.
„Ein Monat im verbotenen Wald ist dafür doch wirklich noch ziemlich harmlos. Die Carrows fordern schließlich die Einführung des Cruciatus-Fluches", stellte ich ehrlich fest.
„Hätten sie gerne ihre Mitschüler unter diesen Fluch leiden sehen wollen, Basílissa?", wurde ich mit scharfem Ton gefragt.
Ich verdrehte die Augen. So nannte er mich nur, wenn jemand zuhörte, der nichts von all dem Wissen sollte, oder wenn ich mal wieder etwas äußerte, was er nur von Tahnea erwartete. Dieses Mal war es definitiv Letzteres.
„Nein, darauf verzichte ich gerne noch ein wenig. Ich meine nur, wir sind die Bösen. Wir gehen nicht zimperlich mit Ordensmitgliedern um. Auch nicht mit ihren Kindern. Es wäre der perfekte Moment gewesen, um das noch einmal zu unterstreichen. Stattdessen dürfen sie mit Hagrid gemütlich im verbotenen Wald spazieren gehen. Umbridge wäre ein gutes Vorbild für ihren zukünftigen Führungsstil, Professor."
„Ich werde die Schüler schützen, so gut es mir möglich ist."
„Edelmütig", stellte ich mit einer gewissen Spur von Ironie fest. Jetzt war wirklich nicht die Zeit, sich schützend vor irgendwelchen Schüler zu stellen. „Geben sie den Carrows die Macht über die Bestrafungen. Die anderen Lehrer werden sich kaum an diese Regel halten und die Schüler gehen lassen, die sie erwischen. Diese drei Personen Regel war auch ganz lustig. Solcher Mist halt. Und auf den Gängen kann man natürlich mal ein paar Regelverstöße übersehen, wenn sie nicht genau vor der Nase stattfinden."
„Wollen sie den Schulleiterposten?", wurde ich scharf gefragt.
„Bevor wir auffliegen, setze ich mich auf den Chefsessel", gab ich zu. Ich war definitiv zu weit gekommen, um nun aufgrund von Snapes plötzlich aufkeimenden guten Herzens zu scheitern.
„Wir werden einen neuen Platz für das Schwert finden müssen." Der Schulleiter schien nicht weiter auf meine Regierungspläne eingehen zu wollen. Hatte ich allerdings auch nicht mit gerechnet. Die Fronten waren geklärt, also ging es weiter zum nächsten Thema.
Das Bild von Dumbledore räusperte sich. Es sah bedeutungsvoll zu Snape, als wolle es ihn an etwas erinnern.
„Ich erinnere mich an unsere Gespräche, Dumbledore", kam nur die ein wenig genervte Antwort.
„Soll Harry das Schwert für seine Mission kriegen?", hakte ich weiter nach. Auch wenn ich mir eigentlich die Antwort schon denken konnte. Es gab nur zwei Gründe das Schwert zu schützen: Es sollte auf gar keinen Fall Voldemort in die Hände fallen, dann wäre aber schon vor Wochen ein Diebstahl vorgetäuscht worden, oder der Auserwählte brauchte es, weil er ohne es wohl kaum in der Lage war, einen Horkrux zu vernichten. Gut, dass gebündelte Nymphenkräfte dazu fähig waren.
„Scharfsinnig, wie eh und je, Ms Black", rief der Bild-Dumbledore vergnügt von seinem Rahmen aus.
Ich zuckte nur mit den Schultern. Das war wohl einer meiner besseren Eigenschaften.
Snape hingegen schien dieses Gespräch nicht weiter führen zu wollen. Es war allerdings auch nicht bei unserer Schwertproblematik hilfreich. Der Schulleiter trat stattdessen hinter den Schreibtisch. Er öffnete ein Geheimfach hinter Dumbledores Porträt, in dem sehr zu meiner Verwunderung das Schwert von Gryffindor schon lag. Oder besser gesagt, eine perfekte Replik von diesem. Außerdem erkannte ich dort die Pappschachtel, in welcher ich die Briefe für den Fall meines Ablebens aufbewahrte.
Ich hatte mich schon gewundert, wo sie abgeblieben war. Schließlich hatte ich sie während Umbridges Herrschaft wieder aus diesem Büro geholt. Als Tahnea hatte ich mich nicht um die Schriftstücke gekümmert und sie jetzt nicht wiedergefunden. Wahrscheinlich hatte Draco oder Adina dafür gesorgt, dass die Worte vor meinem Fluch-Ich sicher waren. Hoffentlich ohne die wahre Bedeutung zu kennen.
Ich wandte mich von den Schriftstücken ab, um mich stattdessen lieber den beiden Schwertern zuzuwenden. Sie waren beide wirklich wunderschön. Ich nahm sie nacheinander in die Hand, um jetzt doch mal endlich auszuprobieren, wie sie sich beim Führen anfühlten.
Fremd und falsch.
Beide waren nicht für mich geschaffen worden und das merkte man. Sie schmiegten sich nicht perfekt in meine Handfläche, schienen keine Verlängerung von meinem Arm zu werden. Doch das originale Schwert von Gryffindor schien noch mehr gegen mich zu haben, als seine Replik.
„Ich werde die Replik an Voldemort übergeben. Er bewahrt solche Dinge für gewöhnlich in Verlies der Lestranges auf."
Nun wurde ich hellhörig. Er nutzte es gerne für solche Dinge? Was hatte er denn für andere wertvolle Gegenstände zu verstecken? Ob dort wohl ein Horkrux drin lag?
„Ich werde es persönlich dort abliefern", meinte ich und griff nach der Replik.
Snape nickte einfach nur als Zeichen, er hätte mich verstanden. Wahrscheinlich wusste er, die Mühe zu fragen, was es mit meiner Neugierde auf sich hatte, wäre verschwendete Zeit. Ich würde es ihm sagen, wenn ich die Zeit für reif hielt. Keine Sekunde vorher.
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Hexagramm - Phönixruf
FanficDreizehn Nymphen, dreizehn Flüche. Sieben Horkruxe, drei zerstörte. Tahnea ist besiegt, Patricias Fluch ist gebrochen. Doch nun bleibt ihr nur kein Jahr, bevor sie stirbt. Kein Jahr, um die Vorgängernymphen und ihren Vater aus der Zwischenwelt zu be...