Kapitel 25

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Ich strich noch einmal liebevoll über das Foto in dem dünnen hölzernen Rahmen. Es zeigte Finn und mich, breit lächelnd bei dieser blöden 10-Minuten-Hochzeit, die vielleicht doch etwas mehr Spaß gemacht hatte, als ich gedacht hätte. Auch wenn der ganze Mist sehr unpersönlich gewesen ist und ich für meine richtige Hochzeit definitiv etwas anderes wollte.
Ich hörte, wie an die Tür meiner Wohnung geklopft wurde. Eilig stellte ich das Bild in das Geheimfach, in welchem ich eigentlich das Kostüm als Lyra versteckte. Davor legte ich noch den dünnen goldenen Ring. Der Ehering, der Finn und mich vor dem Universum verband. Jedenfalls wenn man dem verrückten Mann aus der Kapelle glaubte.
Das Geheimfach schloss sich wieder, während ich zur Tür lief. Wer kam mich so früh besuchen? Ich war doch gerade erst aus Amerika wiedergekommen. Mein Koffer war noch nicht einmal ausgeräumt.
Ich riss die Tür auf. Sehr zu meiner Verwunderung stand Alecto Carrow vor mir. Die Todesserin kam mich normalerweise nicht besuchen. Sie vermiet den Kontakt mit mir. Wenn man bedachte, wie ich immer mit ihr umging, konnte ich es auch sehr gut verstehen.
„Alecto Carrow", stellte ich fest. „Du musst mich ja schrecklich vermisst haben. Ich bin erst seit fünf Minuten wieder hier. Hatte nicht einmal Zeit, meine Souvenirs alle auszupacken."
„Also war es ein netter Urlaub?", wurde ich neugierig gefragt.
Ich verdrehte die Augen. Sie war bestimmt nicht wegen Smalltalk hier. Nein, sie hatte irgendein anderes Anliegen und ich würde mich sicherlich nicht erst über meine Zeit mit Natasha ausquetschen lassen. Wortkarg zu sein, hatte seine Vorteile, wenn man Geheimnisse bewahren musste.
„Du bist doch sicherlich nicht hier, um zu hören, wie meine kleine Schwester und ich Amerika unsicher gemacht haben. Was willst du, Alecto?", fragte ich in einem unheilverkündenden Ton.
„Der dunkle Lord verliert langsam die Geduld, was die anderen Nymphen angeht. Er will morgen, die neuen Gäste zu sich holen. Er sagte, ihr habt Pläne ausgearbeitet."
In meinem Hals bildete sich ein Kloß. Mir war natürlich klargewesen, dass irgendwann die Schonfrist für die Nymphenfamilien vorbei wäre. Ich hatte auch damit gerechnet, dass es in einigen Tagen oder Wochen soweit wäre. Aber dass ich kaum meine Wohnung betreten konnte, war jetzt doch überraschend.
„Morgen?", fragte ich belustigt. „Ich habe Pläne, aber morgen ist unrealistisch. Und da er sie ebenfalls hat, sollte er das auch wissen. Richten sie das dem dunklen Lord aus. Er soll für heute Abend die vertrauenswürdigsten Leute zusammenrufen. Dann werden wir alles noch einmal durchgehen. Am besten wäre es, wenn wir an einem Donnerstag zugreifen. Die Tagesabläufe haben sich nicht geändert. Ich habe ein Auge auf unsere Gäste behalten.
Wenn die Lordschaft auch Todesser mit etwas mehr Grips hat, kriegen wir es vielleicht schon diesen Donnerstag hin. Ich würde ja jetzt gerne sagen, wir sehen uns heute Abend, aber ... na ja, dein Bruder und du, ihr seid als Babysitter gerade gut genug. Und selbst das könnt ihr nicht gut. Ich wette, jetzt wo die kleine Lovegood verschollen bei den Malfoys im Keller wohnt, werdet ihr euren Job bestimmt besser hinkriegen. Weniger rebellische Kinder in der Schule. Außer Lovegood wird jetzt als Märtyrer angesehen. Könnte hier noch unterhaltsam werden.
Viel Spaß beim heutigen Schultag. Ich räume jetzt meinen Koffer aus. Bye." Ich schlug bestimmt die Tür zu. Kaum war sie ins schloss gefallen, ließ ich mich auch schon an der Wand herunterrutschen. In Amerika mit Finn hatte ich das Gefühl gehabt, endlich mal abschalten zu können. Wieder frei zu sein und eine Zukunft zu haben.
Und jetzt war ich wieder hier und ich hatte wieder das Gefühl, in einem Hamsterrad zu stecken, welches auch ohne mein Zutun lief. Ich konnte nur rennen, um möglichst lange drinnen zu bleiben und mich auf den Moment vorbereiten, an dem ich es nicht mehr sein würde.
Eine einzelne Träne löste sich aus meinem Augenwinkel. Ich wollte wieder zurück nach Amerika. Wieder zurück zu Finn und den ganzen Scheiß hier vergessen. Wieder so tun, als wären wir wirklich ein frisch verheiratetes Pärchen und über eine gemeinsame Zukunft philosophieren.
Bestimmt wischte ich den Tropfen weg. Jetzt war wirklich keine Zeit für so etwas. Ich konnte nicht in Selbstmitleid versinken. Ich durfte nicht in Selbstmitleid versinken. Ich hatte zu tun. Noch einmal meine Pläne durchgehen, überlegen wie ich dem dunklen Lord am besten Verkaufen konnte, dass unsere neuen Gäste am besten in Deutschland untergebracht waren, und ich würde die Kriegsnymphenfamilie informieren müssen. Eine lange To-do-Liste zum Abarbeiten.
Ich rappelte mich bestimmt auf. Die Ferien waren vorbei und das nutzlose Träumen von einer Zukunft. Wahrscheinlich hätte ich Finn nie mit nach England bringen dürfen, um mich hier mit ihm heimlich weiter zu treffen. Wir waren für diesen Donnerstag an einem Restaurant in der Nähe von Loch Ness verabredet, was ich wahrscheinlich eh nicht einhalten konnte. Der dunkle Lord wurde ungeduldig. Er würde kaum noch eine Woche mit den Entführungen der Nymphenfamilien warten.
Ich sollte ihn einfach versetzen. Ich wäre das Mädchen, mit welchem er eine schöne Zeit in Amerika verbracht hatte, und dann verschwand. Es würde ihn vielleicht das Herz brechen, doch wahrscheinlich war es besser, als das Ganze noch die nächsten Monate hinzuziehen und ihn dann mit meinem Tod das Herz zu brechen. Er hatte Besseres verdient.

Hexagramm - PhönixrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt