Epilog

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Patricias P.o.V.:
Ich lenkte das Auto auf den Parkplatz von Kings Cross. Er war gut besucht. Überall standen schon die verschiedenen Autos herum, weshalb es gar nicht mal so einfach war, für den Van einen Parkplatz zu finden. Ein paar Idioten hatten auch noch so schlecht geparkt, dass sie eigentlich eineinhalb Parkplätze einnahmen. Doch schließlich fand ich einen passenden Platz, weshalb das riesige Auto zum stehen kann.
„Wir sind da!", verkündete ich meinen Mitfahrern unnötigerweise.
„Danke fürs Fahren, Welpe!", rief Marlon von der hintersten Sitzreihe.
Ein lautes Bellen war zu hören, als wolle mein Hund Pan den Worten meines Vaters zustimmen. Der schwarze Neufundländer war mein zweiter Hund. Ich hatte ihn, vor zehn Jahren übernommen, nachdem meine Antiope im stolzen Alter von dreizehn Jahren verstorben war. Auch ihm merkte man das Alter mittlerweile sehr deutlich an. Vermutlich würde ich mich sehr bald auch von ihm verabschieden müssen.
Wir stiegen aus. Pan nutzte die Gelegenheit erstmal, um sich ausgiebig zu strecken, während Antheias Hündin Nana ihm interessiert dabei zusah. Maélys zog los, um einen Wagen für das Gepäck zu holen. Keine zwei Minuten später kam sie auch schon damit wieder. Finn, unsere Tochter Antheia und meine kleine Schwester Jade wuchteten die Koffer für Hogwarts aus dem Kofferraum darauf und es kamen noch vier Rucksäcke dazu. Zwei gehörten Finn und mir, in den anderen beiden hatten die beiden Schülerinnen ihre wichtigsten Sachen für die Fahrt gepackt. Pan sprang hinterher und legte sich mit einem Gähnen auf einen der Koffer, während Nana doch das Laufen vorzog. Allerdings war sie auch noch einmal gut drei Jahre jünger als mein Haustier.
Dann ging es weiter in Richtung Bahnhofsgebäude. Antheia und Jade schoben zusammen ihr Gepäck und meinen Hund, während ich mich bei Marlon untergehakt hatte.
„Was bin ich froh, dass wir nächstes Jahr nicht herkommen brauchen. Die Parkplatzsituation wird von Jahr zu Jahr schlimmer", stellte mein Onkel-Vater fest und betrachtete etwas genervt die zwei schlecht geparkten Autos, die es mir unmöglich gemacht hatten gut hundert Meter näher am Eingang zu parken.
„Wir hätten auch einfach apparieren oder flohen können", stellte Jade trocken fest. „Aber um einen weisen, alten Mann zu zitieren: Der Weg ist das Ziel."
„Alt?", fragte Marlon empört, der mit genau diesen Worten vorgeschlagen hatte, wir könnten zu sechst mit dem Auto von Frankreich hier herüberfahren und noch eine Woche Urlaub in England machen, bevor wie die beiden Siebzehnjährigen am Hogwarts-Express ablieferten.
„Für einen Vater schon", kam es mitleidlos von seiner jüngeren Tochter, die damit aber natürlich auch nicht ganz unrecht hatte. Immerhin war er schon einundvierzig gewesen, als sie zur Welt kam.
„Dafür bist du aber ein sehr junger Großvater", tröstete Antheia den Mann.
„Für mich warst du auch noch ein junger Vater", fügte ich noch hinzu. Wenn man bedachte, dass zwischen Jade und mir relativ genau achtzehn Jahre und neun Monate Altersunterschied lagen, war es wohl auch nicht sonderlich überraschend. Ob es ihn wohl tröstete, dass Sirius ein noch älterer Vater war? Immerhin war von seiner Seite mein jüngstes Geschwisterkind gerade einmal elf Jahre alt, während meine eigene Tochter und auch Marlons beide schon siebzehn waren.
„Maélys, ich habe das Gefühl, die Kinder wollen mich ärgern."
„Wenn du nur das Gefühl hast und dir nicht sicher bist, machen sie irgendetwas falsch", kam die trockene Antwort meiner Stief-Tanten-Mutter, weshalb die beiden Siebzehnjährigen anfingen zu kichern.
Marlon sah ziemlich empört zu seiner Ehefrau herüber. Diese Antwort hatte er wirklich nicht bekommen wollen.
„Manchmal frage ich mich, warum ich dir einen zweiten Heiratsantrag gemacht habe. Und es dieses Mal sogar durchgezogen habe."
„Dann sind wir da ja schon mal zu zweit."
Die Empörung auf dem Gesicht meines Onkel-Vaters wurde immer größer, weshalb ich leicht grinsen musste. Für Außenstehende hörte sich das vielleicht fies an, doch ich wusste, die beiden sahen es irgendwie als liebevolles Geplänkel an. Daher störte ich mich auch kein wenig an den verbalen Schlagabtausch.
Der Eingangs des Bahnhofes kam zum Vorschein und deshalb auch die riesige Gruppe, die davor wartete. Eigentlich waren es nur Harry mit seiner Familie und ein paar der Bewohner von Artemis Schloss. Genauer gesagt, standen dort die Kinder, welche nach Hogwarts gingen, zusammen mit ihren Eltern. Bis auf Mary, deren ältestes Kind erst zehn war, waren damit alle Personen hier, die so alt waren wie ich oder älter. Sirius und Carolin hatten mit ihren vier schulpflichtigen Kindern allerdings den meisten Nachwuchs dabei.
„Meine Hunde sind da!", rief Sirius glücklich, als er unsere Truppe entdeckte. Kaum waren wir in Reichweite, wurden auch schon Antheia und ich in eine herzliche Umarmung gezogen. „Welpe." Ich bekam einen Kuss auf die Stirn. „Und Baby-Welpe." Meine Tochter bekam ebenfalls einen.
„Hallo, Dad", begrüßte ich den Mann breit grinsend. „Ich habe dich auch vermisst."
„Wenn Finn und du euch weniger woanders herumtreibt, müssen wir uns auch weniger vermissen."
Ich biss mir auf die Unterlippe. Finns und mein Nomadentum. Ich hielt es bis heute für die beste Lösung. Mal waren wir in Frankreich, dann wieder in England, Amerika oder wir schnappten uns unser Wohnmobil, um irgendwo auf der Welt unsere Zweisamkeit zu genießen. Wenn ich meine Liebsten vermisste, fuhren wir sofort hin, doch gleichzeitig konnte ich auch immer fliehen, wenn es mir zu viel wurde. Unterm Strich hieß das, spätestens nach einer Woche waren wir wieder weg.
Ich wusste allerdings auch, gerade Sirius viel es immer schwer, Finn und mir beim Abreisen zuzusehen. Er hätte mich gerne unter seinem Dach, so wie wir es noch vor seinem Tod der Plan gewesen war. Schon bei seinem ersten Besuch in der Zwischenwelt hatte er mir versichert, Carolin und er würden sofort mit mir in ihr altes Haus in England ziehen. Wenn ich es wirklich wollte, würde sogar Finn einziehen dürfen.
So weit war es allerdings nie gekommen. Wir beiden hatten beschlossen, unsere Weltreise zu machen, die wir schnell aufgrund meines Heimwehs unterbrachen, Sirius und Carolin blieben im Schloss und bauten sich ihre Familienidylle wieder auf. Sie hatten sich wieder sehr gut dort eingefügt, auch wenn – sehr zu meiner Erleichterung – mein Vater recht behalten hatte. Die Beziehung zu Kira und Mary war heute zwar wesentlich enger als früher, aber keine Vater-Tochter-Beziehung wie wir hatten.
Manchmal fragte ich mich, ob wir nicht einfach hätten bei Sirius und Carolin bleiben sollen. Ob ich damit glücklicher geworden wäre als mit diesem Herumreisen. Ich hatte mich aber nie getraut, das Thema noch einmal anzusprechen, nachdem wir uns erstmal gegen die beiden entschieden hatten.
„Jetzt sind wir erstmal bei euch", versprach ich. Deshalb hatten nämlich Finnlay und ich unsere Rucksäcke dabei. In ihnen befanden sich alle die Sachen, die wir bei einem Umzug mitnahmen. Solche Dinge wie Klamotten hingen mittlerweile überall herum, weshalb wir nicht mehr brauchten.
„Und wir sind unglaublich glücklich deshalb", versicherte mir Carolin. „Euer Bett ist schon fertig bezogen und heute Abend grillen wir, wie du es dir gewünscht hast."
„Ich habe heute auch noch mal alle Hunde gebürstet, damit sie beim Knuddeln schön flauschig sind!", erklärte mir meine elfjährige Schwester Elizabeth Euphemia stolz. „Zwei der Welpen sind allerdings direkt danach raus zu einer Pfütze gerannt."
Die neuen Welpen der Familie. Auf diese freute ich mich schon. Kleine, tapsige Hunde, welche die Welt entdeckten. Bei unserem letzten Besuch vor sechs Wochen waren sie noch gar nicht geboren gewesen und jetzt sprangen sie schon in Pfützen.
„Ich kuschel auch dreckige Welpen. Pan und Antiope sind früher auch gerne im Dreck herumgesprungen. Nicht war, alter Herr?"
Mein Hund bellte zur Bestätigung. Liebevoll kraulte ich ihm hinter den Ohren, bevor ich meine Begrüßungsrunde fortsetzte. Fred und George behaupteten mal wieder, ich würde sie verwechseln. In solchen Momenten bereute ich es ja, Georges Ohr gerettet zu haben. Die Zeit ohne dieses Getue musste wirklich schön gewesen sein.
Schließlich kam ich bei Harrys und Ginnys Familie an. Wie immer bestand hier die Begrüßung nicht aus einer herzlichen Umarmung, sondern nur einem kurzen Nicken.
Mit den meisten hatte ich es geschafft, die Kluft, welche durch mein Doppelagentenleben entstanden war, zumindest einigermaßen zu überwinden. Vor allem, wenn Finn und ich wieder eine Mission übernahmen, merkte man allerdings, wie sehr das Vertrauen der anderen unter meinem Doppelagenten gelitten hatte. Die Angst, ich würde so etwas noch einmal abziehen oder erneut schwer verletzt werden, war jedes Mal wieder greifbar.
Bei Harry und Ginny sah es anders aus. Bis heute war unsere Beziehung angespannt. Jedenfalls, wenn man es freundlich ausdrücken wollte. Wir begegneten uns mit Respekt, gingen uns aber wann immer möglich aus dem Weg. Wenn wir gleichzeitig im Schloss zu Besuch waren, saßen wir zum Essen an den jeweils anderen Enden des Tisches und sprachen nicht gleichzeitig mit den gleichen Personen. An Weihnachten schenkten wir uns nichts und zu Geburtstagsfeiern luden wir uns nicht gegenseitig ein.
Am Anfang hatte vor allem noch Sirius versucht, uns wieder zusammen zu bringen. Sein unangenehmster Versuch war wohl das Vater-Kinder-Campen, wenn man es so nennen wollte. Ungefähr vier Monate nach meinem Erwachen aus dem Koma hatte er im Schlossgarten ein Zelt aufgeschlagen und Kira, Harry und mich zum Zelten überredet. Allerdings ohne uns Bescheid zu sagen, dass die jeweils anderen dabei waren. Ich musste wohl nicht erwähnen, dass es die schrecklichste Nacht meines Lebens gewesen war und keiner von uns dort übernachtet hatte.
Auch jetzt hielt ich mich nicht länger mit der Familie Potter auf. Das Thema war mittlerweile wirklich abgehakt. Stattdessen lief ich lieber zu meinen Geschwistern herüber, während die Truppe sich in Richtung Gleis 9 ¾ aufmachte.
„Freut ihr euch schon auf Hogwarts?", fragte ich die vier.
„Natürlich!", rief der sechzehnjährige Patrick Paul und damit der Älteste der Nachzügler. „Endlich bin ich in der sechsten und kann all die langweiligen Fächer abwählen!"
„Ich beneide dich", gab der ein Jahr jüngere Robert Joseph zu. „Auf die ZAGs habe ich überhaupt keine Lust. Die Lehrer machen da immer so viel stress."
„Ich mag nicht nach Hogwarts. Ich kenne da doch niemanden. Ich wäre gerne bei meinen Freundinnen geblieben", gab die kleine Elizabeth zu.
„Du kennst. doch uns alle", stellte Antheia fest und machte eine ausladende Geste. Damit war meine kleine Schwester wirklich nicht schlecht aufgestellt. Sie war mit zehn Schülern biologisch verwandt, dazu kamen noch Remus und Nymphadoras beiden Töchter, Jade und Harrys zwölfjähriger Sohn James Sirius. Also von niemand konnte man wirklich nicht reden.
„Aber ihr wohnt nicht mit mir im Schlafsaal und ihr geht auch nicht mit mir in den Unterricht."
„Wenn dein Schlafsaal blöd ist, ziehst du einfach zu einen von uns", schlug Antheia vor. „Schließlich haben wir jedes Haus besetzt."
„Wenn Jade und du euren Schulabschluss macht, ist Slytherin wieder unbesetzt."
„Dann hatten wir aber ein Jahr lang Zeit, deinen Schlafsaal zu erziehen."
„Und im Unterricht kennst du die Lehrer", fügte ich noch hinzu. „Ansonsten können wir auch gleich nach Adina suchen. Ihre Tochter Katara kommt dieses Jahr auch nach Hogwarts."
„Die kennt doch schon ganz viele", murrte Elizabeth.
Damit hatte sie nicht ganz unrecht. Seit dem Krieg hatte sich vieles in der magischen Welt verändert. Kingsley, der nach dem Krieg zum Zaubereiminister gewählt wurde, hatte tatsächlich viele meiner Ideen umgesetzt. Für die Kinder aus Zaubererfamilien gab es seit ungefähr fünfzehn Jahren eine Grundschule, in welcher sie die normalen Fächer einer Muggelgrundschule und zusätzlich Muggelkunde hatten. Für Letzteres war die Einstellungsvoraussetzung, dass die Leute mindestens ein Jahr unter Muggeln gelebt hatten. Seit der Eröffnung war die Stelle deshalb mit einer Muggelstämmigen besetzt. Aus meiner Sicht eine vernünftige Entscheidung.
Adina und Jamie hatten sich dafür entschieden, ihre Tochter auf diese Schule zu schicken, wo sie zusammen mit sieben anderen Kindern unterrichtet wurde. Es war vor allem reinblütiger Nachwuchs von Eltern, die sich nicht trauten, ihre Kinder auf eine normale Grundschule zu schicken. Keine perfekte Konstellation, allerdings zeigte der Muggelkunde-Unterricht und Ausflüge in die Muggelwelt ihre Wirkung. Und in ein paar Jahren wäre es vielleicht endlich normal, die magischen Kinder auf Muggelschulen zu schicken, bis sie das Alter für Hogwarts erreicht hatten.
„Nur weil sie schon ein paar der anderen Schüler kennt, heißt es noch lange nicht, dass sie keine Freundin von dir werden kann", stellte ich klar. Vor allem weil ich wusste, dass die kleine Katara keine ganz einfache Stellung in der Klasse gehabt hatte. Die eine Hälfte war ihr skeptisch gegenüber, weil ihre Eltern im Krieg auf Voldemorts Seite standen, die andere Hälfte, weil ihre Eltern dazu beigetragen hatte, Familienmitgliedern in den Knast zu bringen. Keine einfache Mischung.
Ich drückte auf meinem Armband herum, weshalb jedem anderen Interessierten mein Standort mitgeteilt wurde. Wenn Adina ihr Armband trug, würde sie mich also finden können.
Dann folgte ich meiner Familie durch die Mauer auf den Bahnsteig des Gleis 9 ¾. Auf den ersten Blick wirkte er noch genauso wie damals, als ich von Jean in den Hogwarts-Express gesetzt worden war. Noch immer war er am ersten September vollkommen überfüllt mit Menschen. Eltern verabschiedeten sich unter Tränen von ihren Kindern, kleine Geschwister beschwerten sich, dass sie nicht mitfahren durften, und Freunde vielen sich zur Begrüßung um den Hals. Dazwischen waren noch die ganzen Tiere in ihren Käfigen. Eulen schrien und Katzen fauchten sich gegenseitig an.
Wenn man genauer hinsah, sah man allerdings noch die anderen magischen Wesen, welche zwischen den Zauberern herumliefen. Ein paar von ihnen waren Werwölfe, an anderen Stellen sah man Kobolde und irgendwo mussten Zentauren herumrennen, jedenfalls hörte man über die Gespräche das Donnern ihrer Hufe.
Auch meine Ideen, die Vorherrschaftsstellung der Zauberer gegenüber anderen Wesen zu beenden, hatte Kingsley versucht umzusetzen. Hier ging es allerdings deutlich langsamer voran, als beim Muggelkundeunterricht für Kinder. Trotzdem meldeten sich jedes Jahr mehr Wesen für Hogwarts an und kamen dafür aus der ganzen Welt zu uns gereist. Gerade bei Werwölfen war die Schule sehr beliebt, vermutlich weil sie auch die Einzige war, welche sie aufnahm.
„Ich geh meine Freunde suchen und mein Gepäck wegbringen!", verkündete James Sirius, kaum dass er auf dem magischen Bahnsteig angekommen war. Und schon war er fort.
Elizabeth sah ihm etwas entsetzt hinterher, nur um dann besorgt zu den anderen Schülern zu sehen, als hätte sie Angst, es würden gleich alle einfach losrennen und sie würde alleine hier zurückbleiben.
„Wir laufen dir nicht weg!", versicherte Patrick Paul seiner kleinen Schwester und zog sie an sich. „Und wenn du dich in deinem Schlafsaal gar nicht wohl fühlst, nehmen wir dich alle bei uns auf. Die Betten sind groß genug, dass wir für dich Zwerg Platz finden."
„Ich bin kein Zwerg, ich bin platzsparend."
„Sehr platzsparend", versicherte der Sechzehnjährige seiner kleinen Schwester.
„Patricia!", hörte ich in diesem Moment Adina rufen.
Ich drehte mich um, weshalb ich sah, wie sich die Blondine aus Richtung der Kamine mit Jamie und ihrer gemeinsamen Tochter zu uns kämpfte. Der komplett überdimensionierte Schrankkoffer und der riesige Käfig, in dem eine wunderschöne schwarze Katze saß, machte das Vorankommen nicht unbedingt leichter.
„Ich bin ja so froh, dass wir euch gefunden haben. Katara ist schon ganz nervös, weil es ihr erstes Jahr ist und ich auch. Oh, Tric, wie hast du es nur damals geschafft, Antheia gehen zu lassen?"
„Sie ist mir einfach glücklich mit Jade davon gehüpft", gab ich zu. Für meine Tochter war es tatsächlich kein riesen Ding gewesen. Natürlich war sie aufgeregt gewesen, doch sie hatte ja ihre Tante in ihrem Jahrgang. Und in den Köpfen der beiden war es auch keine Option gewesen, dass sie in unterschiedlichen Häusern landen könnten. Waren sie zum Glück auch nicht.
Adina sah hoffnungsvoll zu ihrer Tochter, doch diese schien eher ein wenig verängstigt. Sie würde sicherlich gleich nicht glücklich davon hüpfen. Wenigstens hatte sie mit Elizabeth eine Leidensgenossin gefunden.
„Und wir hüpfen gleich auch mal wieder los", verkündete Antheia gut gelaunt. „Nicht, dass der Zug gleich ohne uns abfährt und Grandpa uns morgen mit zur Arbeit nehmen muss."
„Morgen ist leider nicht >bringe deine Familie mit zur Arbeit<-Tag."
„Ich dachte, der ist bei dir jeden Tag", hinterfragte Marlon die Antwort meines Vaters.
„Ich bringe sie ja nicht mit, sondern sie kommen zu mir. Großer Unterschied, vor allem wenn man Minerva fragt", stellte Sirius klar. „Also alle in den Zug mit euch. Wir sehen uns dann bei Verteidigung gegen die dunklen Künste."
„Mindestens ein Tag Pause!", jubelte Patrick, nur um im nächsten Moment doch seine beiden Elternteile zum Abschied zu umarmen.
Die große Abschiedsrunde ging los. Jeder musste jeden der Schüler noch einmal drücken und ein paar nette Abschiedsworte zu ihnen sagen. Fast als hätte James Sirius es gerochen, kam er genau in diesem Moment wieder. Allerdings ohne sein Gepäck.
„Habt bitte ein Auge darauf, dass Katara und Elizabeth gut ankommen und sich gut einleben", bat ich meine Tochter und meine kleine Schwester.
„Wir suchen gleich ein Abteil, wo sie mit hereinpassen und gehen dann im Zug spazieren, um andere Erstklässler zu finden. Wir kriegen die beiden schon verkuppelt."
„Ihr seid die besten." Ich drückte die beiden Siebzehnjährigen noch einmal, doch dann ließ ich sie los. Es war Zeit für den Abschied.
„Vergiss nicht, Neville liebe Grüße von uns auszurichten!", bat in diesem Moment Ginny ihren Sohn.
„Mum!", beschwerte sich dieser. „Ich kann einem Professor doch nicht liebe Grüße ausrichten!"
„Aber du kennst Neville doch –"
James verdrehte demonstrativ die Augen. Es ging ja nicht darum, ob er ihn kannte, sondern er fühlte sich nun einmal zu cool, um solche Dinge einem Lehrer auszurichten.
„Draußen ja, aber in der Schule ist er Professor Longbottom, oder? Ich kann doch nicht in Kräuterkunde gehen und ihm liebe Grüße ausrichten ..."
„Stell dich nicht so an James. Lehrern liebe Grüße von den Eltern auszurichten, ist überhaupt nicht schwierig", stellte meine Tochter augenverdrehend fest.
„Du bist ja auch nicht cool."
„Dafür habe ich Selbstbewusstsein", konterte meine Tochter. „Ich richte Tante Ari und Tante Max ganz viele liebe Grüße von dir aus, Mum. Und von dir auch Grandpa Marlon."
Arienne und Max. Noch zwei Verwandte von mir, die mittlerweile in Hogwarts unterrichteten.
Meine große Schwester hatte vor ungefähr sechzehn Jahren in der magischen Schule angefangen, als die ersten Nicht-Zauberer-Schüler dort angemeldet wurden. Da sie nicht zaubern konnten, sah der Stundenplan von ihnen natürlich ziemlich anders aus. Zentaur lernten zum Beispiel das Lesen von Sternen und Verteidigung gegen die dunklen Künste war nun in das magische Fach, welches ich selbst belegt hatte, und das nicht magische Waffentraining unterteilt. Für den ganzen Fachbereich gab es mittlerweile auch drei Lehrer: Sirius, der nur das magische Fach unterrichtete, ein Zentaur, fürs Waffentraining, und Arienne, welche beides gab.
Über ihren neuen Job hatte meine große Schwester auch ihre Partnerin Max, eigentlich Maxine, kennengelernt. Die junge Frau hatte in Neuseeland eine ziemlich steile Karriere als Aurorin hingelegt, bis sie im Dienst von einem Werwolf gebissen wurde. Danach war sie ihren Job und Freundeskreis los. Zwei Jahre lang hatte sie sich mit ihrem Ersparten und Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten, bevor sie in Hogwarts den Job als Lehrerin für Verwandlung direkt nach dem Krieg übernommen hatte.
„Drück die beiden ganz fest von mir. Und erinnere sie daran, dass ich sie am Samstag besuchen komme. Ich hoffe, dann kann ich auch einmal meine Tochter und meine Geschwister knuddeln."
„Wir schauen für einen kurzen Knuddler vorbei", wurde mir versichert, was ich mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis nahm.
Antheia drückte mir noch einen Kuss auf die Wange, bevor sie jeweils einen Arm um Kantara und Elizabeth legte.
„Und jetzt wird losgehüpft", verkündete sie den beiden Elfjährigen. „Ich hoffe, ihr habt viel Taschengeld dabei, damit wir die Süßigkeitenhexe leerkaufen können."
Wir sahen dabei zu, wie die Schüler in Richtung Zug abrauschten. Adina fing aufgrund des Anblicks doch tatsächlich an zu weinen, weshalb Jamie sie tröstend in den Arm nehmen musste. Mein Vater sah ebenfalls ganz wehmütig seiner Jüngsten hinterher.
Kurz darauf hörte man auch schon da Pfeifen, welches die baldige Abfahrt des Zuges verkündete. Man sah, wie auch die letzten Schüler zum Zug eilten, dann schlugen die Türen zu. Die Lok setzte sich langsam in Bewegung. Kurz konnten wir ihm noch beim davonfahren zusehen, doch schließlich verschwand er um die erste Kurve. Zurück blieben wir Erwachsenen und Pan, der das ganze mit einem Gähnen kommentierte.


Hexagramm - PhönixrufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt