Meine Finger zitterten furchtbar, als ich das goldene Armband abnahm. Eigentlich widerstrebte es mir, es abzunehmen, doch ich hatte wohl keine andere Wahl. Ich hoffte seit gestern Abend, es würde endlich anfangen, mir mitzuteilen, dass jemand aus Frankreich mit mir reden wollte. Dass alles in Ordnung mit Azura war und sie nur aufgrund der Streitigkeiten einen Tag Auszeit gebraucht hatte. Einen Grund, ihr einmal ordentlich eine hereinzuhauen, doch dann wäre unsere Sorge endlich vorbei.
Innerlich wusste ich allerdings, dass mein Armband nicht anfangen würde, zu blinken. Ich war mir sehr sicher, dass Azura nicht nur einen Tag Auszeit genommen hatte. So war sie einfach nicht. Vor allem nicht jetzt, wo sie genau wusste, wie krank vor Sorge alle waren, wenn einfach jemand in England verschwand. Das hätte sie ihrer Familie niemals angetan.
Daher gab es für mich aktuell nur zwei Erklärungen für ihr verschwinden: Tod oder Gefangenschaft. Momentan wusste ich allerdings nicht, was mir lieber war. Beides wünschte ich ihr nicht und für beides wollte ich nicht verantwortlich sein. Ich war es aber. Hätte ich mich doch einfach nur mit ihr vertragen, dann wäre sie nach Hause appariert. Ins sichere Frankreich.
Aber nein, ich hatte ja beleidigt und verletzt sein müssen. Ich hatte sie so traurig gemacht, dass sie unbedingt mit ihrer ältesten Freundin reden wollte, doch auch da hatte sie nicht den erhofften Halt gefunden. Ich hatte die Freundschaft zwischen Elaina und ihr zerstört, weshalb sie auch nicht dort geblieben ist. Sie war irgendwo anders hingegangen und niemand wusste wohin. Ich hatte ja gehofft, dass sie sich einfach bei Finn ausheulte, doch als Azura bei ihm war, hatte sich niemand mehr in der Hütte aufgehalten. Wahrscheinlich war er einfach nach seinem gescheiterten Auftrag zurück nach Amerika gereist. Vielleicht ja sogar doch mit dem Mädchen aus der Kriegsnymphenfamilie und ich schätze sie einfach falsch ein. Oder sie waren beide getötet oder entführt worden.
Ich raufte mir die Haare, bevor ich noch einmal wütend zu dem Armband sah, welches ich in der Hand hielt. Dadurch blinken tat es natürlich nicht. Aber wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wütend legte ich das Armband weg. Wenn aus Frankreich keine guten Nachrichten kamen, musste ich eben eine andere Informationsquelle befragen. Eine, die mir sehr wahrscheinlich schlechte Nachrichten überbringen würde. Snape.
Es war mal wieder Zeit für unsere tägliche Besprechung, was außerhalb dieser Mauern vor sich ging. Ich war mir sehr sicher, er hatte die Nachrichten aus der Malfoy Villa erhalten und würde mich definitiv informieren, wenn Azura dort war. Wahrscheinlich mit mahnenden Worten, ich solle auf gar keinen Fall versuchen, sie zu retten. Kein Nutzen und ein viel zu hohes Risiko.
Für ein paar Sekunden starrte ich noch das Armband an, doch schließlich gab ich mir einen Ruck. Das Geheimfach schloss ich wieder, dann machte ich mich endlich auf den Weg.
Hogwarts wirkte wie immer fast ausgestorben, als ich mich auf den Weg machte. Die meisten Leute waren gerade im Unterricht oder nutzten die Freistunde, um in der Bibliothek Hausaufgaben zu machen oder ein wenig Ruhe in den Gemeinschaftsräumen zu kriegen. Nur ein paar wenige sah ich gerade über das schlammige Hogwartsgelände spazieren.
Ich stieg immer weiter nach oben, bis ich schließlich vor dem Wasserspeier stand, welcher den Eingang zum Büro versperrte. Ich murmelte ihm das Passwort zu, weshalb die Statue meinen weiteren Weg freigab. Die sich selbst nach oben windende Wendeltreppe kam zum Vorschein. Ich stellte mich auf die oberste Treppenstufe und wartete ungeduldig darauf, endlich oben anzukommen. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, in der ich viel zu langsam immer weiter nach oben getragen wurde. Doch schließlich war ich endlich oben angekommen, weshalb ich in das Büro des Schulleiters stürmen konnte.
Snape saß an seinem Schreibtisch und hatte sich seelenruhig über ein Haufen Dokumente gelehnt. Auf den ersten Blick wirkte es nicht so, als hätte er irgendwelche brisanten Neuigkeiten für mich. Ich wollte schon erleichtert aufatmen, doch dann sah der Schulleiter auf und legte seine Feder bei Seite. Sofort schnürte sich mein Hals zu. Das war neu.
An normalen Tagen unterbrach der ehemalige Lehrer für Zaubertränke seine Arbeit nicht sofort für mich. Ich kam herein, ließ mich auf einen Stuhl plumpsen und er fing an zu reden, während er nebenbei das beendete, woran er gerade saß. Er wusste, wann ich kam, also hatte er eigentlich immer etwas auf dem Schreibtisch liegen, was nicht seine volle Aufmerksamkeit erforderte. Aber heute wich er von dieser Routine ab. Kein gutes Zeichen.
„Er hat Azura", stellte ich möglichst nüchtern fest, allerdings war ich mir sehr sicher, meine Stimme klang trotzdem etwas belegt.
„Ms Sansouci und Mr Bucket. Ihm ist auch bewusst, was für eine innige Beziehung sie mit einem amerikanischen Auroren geführt haben. Ich würde ihnen daher raten, ihre Mission abzubrechen."
„Was weiß er über meine Beziehung zu –" Ich stockte, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich nun von Finnlay Bucket sprechen sollte. Sollte ich ihn als Finn bezeichnen, so wie ich es vor dem Streit immer gemacht hatte? Als Bucket, um mich vollkommen zu distanzieren? Vielleicht war auch Finnlay richtig? Nicht ganz distanziert, aber auch nicht mehr so nah wie früher.
„Er ist misstrauisch geworden, aber noch nicht sicher, was diese Entdeckung nun zu bedeuten hat. Er vermutet allerdings, dass sie eher eine Verräterin sind", wurde mir sehr zu meiner Erleichterung mitgeteilt. Es war noch nicht alles verloren. Ich musste ihm nur eine Alternative zu seiner Theorie bieten und sie überzeugend herüberbringen. Zum Beispiel, dass es mir langweilig geworden war, immer mit Draco zu schlafen. Schließlich war er mir hörig und Finn an der Angel zu haben ... er war es nicht. Es war aufregend und gleichzeitig konnte ich ihn im Auge behalten. Die Geschichte würde dem dunklen Lord sicherlich gefallen.
„Falls sie in den nächsten zwei Stunden nichts von mir hören, Sorgen sie bitte dafür, dass es Adina, Draco und Jamie herausschaffen", bat ich den Lehrer, während ich im Kopf schon durchging, wie ich nun diese neue Rolle am besten herüberbringen konnte. Am besten würde ich möglichst selbstbewusst ins Malfoy Manor stürmen. Außerdem sollte ich mich wohl innerlich darauf vorbereiten, Finnlay und Azura foltern oder töten zu müssen.
„Ms Black!", wurde mir mahnend mitgeteilt. „Tot nützen sie niemanden mehr etwas."
„Wir müssen den Zauber sprechen und wir sind beinahe dafür bereit. Ich werde jetzt nicht aufgrund eines kleines Problems aufgeben."
„Das ist kein kleines Problem, Ms Black! Wenn sie dabei scheitern, den dunklen Lord davon zu überzeugen, dass sie ihn nicht verraten haben, werden sie aus Malfoy Manor nicht mehr herauskommen. Nicht einmal sie haben genug Macht, um gegen all die Zauberer dort zu bestehen."
„Entweder ich überzeuge ihn oder man kann meine Leiche bergen. Das ist mir bewusst. Aber ich kriege das hin", versicherte ich dem Lehrer. Ich hatte es verbockt, also würde ich es jetzt auch wieder gerade biegen.
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Hexagramm - Phönixruf
FanfictionDreizehn Nymphen, dreizehn Flüche. Sieben Horkruxe, drei zerstörte. Tahnea ist besiegt, Patricias Fluch ist gebrochen. Doch nun bleibt ihr nur kein Jahr, bevor sie stirbt. Kein Jahr, um die Vorgängernymphen und ihren Vater aus der Zwischenwelt zu be...