Es klingelte an Vincents Türe.
Dass es nicht Anja war, war ihm klar. Sie lag seit vier Tagen flach im Bett.
Ein wenig hatte er die Besorgnis, dass es ihr einerseits eventuell auf eine andere Art und Weise nicht gutging, da sie ja bereits einmal eine Auszeit von ihm genommen hatte. Und andererseits war da immer noch eine kleine Stimme in ihm, die Panik hatte, sie würde ihren anderen Job ausüben.
Er hatte ihr gesagt, dass er nicht wolle, dass ein anderer Mann sie berührte. Mehr oder weniger war er der Meinung, das würde ausreichen, um ihr irgendwie verständlich machen zu können, was er in ihr sah. Obwohl er dafür nicht mal eine Bezeichnung hatte. Aber dieses, sie nicht teilen zu wollen, war schon im Großen und Ganzen ein Ansatz.
Vielleicht war das ja immer sein Fehler in der Vergangenheit gewesen? Den Dingen einen Namen zu geben. Mit Anja lief doch alles super, ohne das genau klar war, was da jetzt vonstattenging.
Bei Natascha hatte er sich nicht mal ansatzweise so wohl gefühlt.
Seine Ex hatte sich ja eh für eine Achterbahnfahrt mit ihrem Raphael entschieden. Wo es ein ständiges Auf und Ab gab. Was Vincent jedoch nicht aus eigener Recherche erfuhr, sondern von Tobi und anderen.
Ihm war es im Grunde egal, was sie trieb und was nicht. Sie hatte ihr Leben. Er seins. Etwas Gemeinsames gab es nicht mehr.
Seine Mutter fragte gelegentlich nach ihr, weil sie anscheinend auf eine kleine Wiedervereinigung hoffte. Vincent war sich darüber im Klaren, dass es eigentlich gar nicht um Natascha speziell ging. Sondern schlichtweg der Umstand das er voranmachen sollte.
Doch wozu Pläne schmieden? Anja hatte er auch durch ... Zufall kennengelernt.
Er öffnete den Eingang und sah in das bis an die äußerste Grenze gehende grinsende Gesicht von Tobi. »Was machst du denn hier?«
»Wollt mal hallo sagen, nachdem du es nicht für nötig hältst, dich bei Freunden zu melden.« Er ging an ihm vorbei, den Flur entlang ins Wohnzimmer. »Bist du allein?«
»Ja.« Vincent war ihm hinterhergeschlurft. »Ich melde mich schon, aber nach deinem letzten Ich-benehme-mich-wie-ein-kleines-Schulmädchen-Gehabe, dachte ich mir, ich lass' dich erst einmal deine Betrachtungsweise überdenken.«
Tobi grunzte auf und setzte sich hin. »Meine? Sicher das du nicht in einer vorgeheuchelten Welt lebst?«
Vincent nahm ebenfalls platz. »Was meinst du?«
»Na ja ... diese Frau höher zu stellen, als sie es überhaupt wert ist.«
Sofort lehnte er sich zurück und rieb sich die Schläfen. »Ehrlich jetzt? Geht das jetzt ewig so weiter, Tobi? Was ich mache, und wie hoch ich jemanden in meinem Leben stelle, ist einzig und allein meine Sache. Das hat dich kein bisschen anzugehen.«
»Doch. Natürlich. Ist ja meine Schuld, dass dir die Kleine am Arsch klebt.«
»Sie klebt mir nicht am Arsch. Es war unser beider Entscheidung uns auch privat sehen zu wollen. Ich verstehe dein Problem nicht. Hast du dadurch irgendwelche Nachteile? Weil sorry, die Beziehung von Natascha und mir war dir doch auch nie so extrem wichtig.«
»Oh jetzt reden wir von einer Beziehung.« Er lachte laut. »Du und deine kleine Nu- ...«
»Lass es.« Er unterbrach Tobi direkt und sah ihn auch mit einem Blick an, der Bände sprach. »Ich hab' dir dazu etwas gesagt.«
Sein Kumpel rutschte mehr nach vorne und visierte ihn. »Dann sag' ich dir jetzt mal was. Eine Taube bleibt eine Taube. Selbst wenn ich sie mit zu mir nach Hause nehme und bunt anmale, wird daraus kein Papagei.«
Vincent rollte mit den Augen. »Hast du es?«
»Nein.« Er holte sein Handy raus und öffnete anscheinend irgendwas. »Ich hatte gestern meinen Spaß und kann ein wenig verstehen, was dir alles so gefällt.«
»Was redest du da?«
Tobi präsentierte ihm sein Display. Ein Video wurde sichtbar.
Vincent runzelte die Stirn. Sein Kumpel war darauf zu sehen, der mit einer Blondine kräftig bei der Sache war. Er zog an ihrem Haar, als er sie Doggy nahm. Gerade als er fragen wollte, was der Scheiß solle und das er ihm jetzt hier bestimmt nicht beim Ficken zusehen wollte, drehte die blonde Frau ihren Kopf und ihr Gesicht war zu erkennen. Ihm wurde kotzübel. »Du Arschloch.« , kam über seine Lippen und er merkte, das er kurz davor war ihm eine reinzuhauen. »Was soll der Scheiß? Willst du mich verarschen? Du hast dich mit Anja getroffen?«
»Täubchen.« , sagte er und steckte sein Handy wiederkehrend ein. »Mir blieb doch keine andere Wahl, als deine verblendeten Augen endlich wieder zu öffnen.«
»Du hast dich mit Anja getroffen?« , wiederholte er mit extrem lauter Stimme.
»Jetzt fahr ma' runter, Vincent. Ja, ich habe sie gebucht. Aber nur so konnte ich dir ja begreiflich machen, was du dir angelacht hast und für was für eine Frau du denkst, deine Freunde niedriger zu stellen.«
»Verpiss dich. Ey, verpiss dich einfach, Tobi.«
»Ich bin dein Freund. Ich will dir nur zeigen, dass du mit Natascha einen besseren Fang gemacht hattest, als ...«
»Freund? Das da macht kein Freund und jetzt raus. Verschwinde.«
»Willst du mich gerade verarschen? Das habe ich für dich getan. Hat mich einiges gekostet die Schlampe zu treffen, und ...«
»Raaaauuuuus.« Vincent schrie ihn an. »Ey, ich mein' es ernst. Verpiss dich, bevor das hier ... geh'.«
Tobi schüttelte den Kopf und stand schließlich auf. »Weißt du, du solltest dankbar sein. Aber ich denke mal, du musst erst einmal deine rosarote Brille ablegen, die dir hoffentlich bei dem Anblick verrutscht ist.« Er ging in den Flur. »Meld' dich, wenn du dich endlich bedanken willst.«
Vincent verharrte an Ort und Stelle. Sein Körper zitterte und er merkte, wie seine Fäuste weiterhin geballt waren, weil er wahrlich kurz davor war seinem langjährigen Freund eine zu scheuern. Was zum Teufel war nur in ihn gefahren? Wie konnte er ihn so hintergehen?
Obwohl ...
Das hatte Anja ebenso getan.
Sie sagte, sie wäre krank. Läge zu Hause. Dabei ging sie klar ersichtlich ihrer Tätigkeit nach ... und das auch noch mit blonder Perücke, wie es schien. Es sei denn, sie hatte in den Tagen ihre Haarfarbe generell gewechselt, aber jene Frau, die er dort gesehen hatte, war mehr das Abbild, was ihm bei der Agentur präsentiert wurde.
Vielleicht war sie ja so ...
Ein Chamäleon, das sich den Wünschen des Kunden anpasste.
Sie hatte ihm etwas vorgespielt. Eine Version dargeboten, in die er sich ...
... für die er Gefühle entwickelt hatte.
Wieso tat sie das?
Es gab doch keinen finanziellen Gewinn in der Hinsicht, wenn sie mit ihm spielte?
Das Schlimmste war, das es Tobi gewesen war, mit dem sie sich freiwillig getroffen hatte.
Wie konnte er sich nur so sehr in einem Menschen täuschen?
Ob Anja oder Tobi ... im Grunde hatten beide mit ihm gespielt und ihn hintergangen.
Sein Handy ging. Weiterhin wütend und mit so einem Scheiß Kotzgefühl holte er es heraus. Er war schon drauf und dran in sein Handy zu brüllen, weil er fest damit rechnete, es würde Tobi sein, der fortwährend auf seine Freundschaft zu ihm hindeuten wollte, aber ... da lag er falsch.
Es war Natascha.
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Fuck Baby, I'm in Love
FanfictionVincent ist sich darüber im Klaren, dass er ein Risiko eingeht, als er die Escortdame Anja als Date engagiert. Er will nur eine Begleitung, jedoch keine feste Freundin vorweisen. Vincent hat selbstverständlich seine Gründe dafür ... seine Ex, die e...