7. Kapitel

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Blake 

„Dein Bruder hat angerufen", sagte Carter und setzte sich auf einen der schwarzen Ledersessel neben mich. Sein Blick fiel genau wie meiner nach unten in den mit Menschen gefüllten Clubraum, der sich vor uns erstreckte. Der Bereich, in dem wir saßen, war eine Etage darüber und hinter einer getönten Glasscheibe verborgen, sodass es unmöglich war, von unten hinaufzusehen. Ein Bereich, in den niemand hineinkommen konnte, der es nicht sollte. Hier wurden Geschäfte mit Kunden gemacht. Ich kam jede Nacht hierher, um nachzudenken und die Menschen zu beobachten, die hier ein und ausgingen.

„Ich weiß", knurrte ich, ohne meinen Blick abzuwenden, und nahm einen großen Schluck meines Drinks. Seit einer Weile hatte ich zu viele scheiß Gedanken in meinem Kopf. Zu viele Dinge, die mich beschäftigten und anpissten. Auf diesen lag aktuell meine Priorität, weshalb Sawyer und ich uns seit einer Weile nicht gesprochen hatten. Dennoch bekam ich es mit, wenn er anrief. Ich führte zwei Leben, die ich nicht mischen konnte, obwohl ich es wollte. Ich wollte, dass auch Sawyer ein Teil von diesem Leben war...

„Ich halte hier die Stellung, falls du dir heute freinehmen willst", bot er an, nachdem er für einen kurzen Augenblick geschwiegen hatte. Es waren einige Wochen vergangen, seit er mir erzählt hatte, dass man in einem anderen Club eine Ratte geschnappt hatte. Seitdem hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, die Augen selbst offen zu halten, was die Aktivitäten in meinem Club anging – wer hineinkam und sich hier aufhielt. Ich vertraute alleine auf meinen Instinkt, weshalb ich die Sache bis zum Ende selbst in die Hand nehmen würde.

„Wenn ich mir freinehmen wollte, hätte ich es getan, Carter", antwortete ich daraufhin ernst. Ich hasste es, wenn er versuchte, mir zu sagen, was ich tun sollte und sich in Sachen einmischte, die ihn nichts angingen. Normalerweise würde ich ihm deshalb eine Ansage machen, aber meine Aufmerksamkeit war mittlerweile auf etwas Interessanteres gerichtet, wo sie hängen blieb: Eine Frau, die so heiß war, dass ich mich daran erinnern würde, wenn ich sie hier zuvor schon einmal gesehen hätte. Sie saß alleine seitlich an der Bar. In ihrer Hand hielt sie ein Telefon. Ihre Augen wechselten verdächtig oft zwischen dem Display ihres Telefons und dem Raum hin und her, als würde sie jemanden suchen oder nach jemandem Ausschau halten.

Ich erhob mich von dem Sessel und machte daraufhin ein paar Schritte auf die Glasscheibe zu, sodass ich direkt davor stand und einen besseren Blick auf sie hatte. Ihre Körpersprache wirkte verkrampft und angespannt, als wäre sie hier, obwohl sie es nicht sein wollte.

„Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass es ne Frau ist?", fragte ich ihn nach einer Weile, ohne meine Augen von ihr zu lösen. Ich hatte keine Ahnung, warum ich erst jetzt darauf kam. Obwohl Frauen unauffälliger waren, erwartete man keine in diesem Business. Aus dem ganz einfachen Grund, dass es ein männerdominierender Beruf war, der sehr schnell zur Hölle für jede Frau werden konnte. Denn eine Frau würde hier in jeder Hinsicht gefickt werden...

„Eine Dealerin? Ziemlich unwahrscheinlich", antwortete er.

„Aber würdest du es komplett ausschließen?", fragte ich nochmal. Das Telefon legte sie neben sich auf den Tresen der Bar ab. Es vergingen ein paar Sekunden, in denen sie fast regungslos dasaß und auf einen Punkt vor sich starrte, bevor sie mit der einen Hand über den Stoff ihres Kleides fuhr, so dass er daraufhin etwas von ihrem Oberschenkel glitt. Das, was ich darunter sah, bestätigte meine Vermutung. Durch die Türen dieses Clubs war heute Abend Ungeziefer hereingekommen. Die Tatsache, dass es sich hier jedoch eher um eine kleine Maus als um eine Ratte handelte, ließ mich schmunzeln.

„Zu 99%, warum?", stellte er die Gegenfrage.

„Weil da unten unsere 1% sitzen", erklärte ich und nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas. Auch wenn ich stolz auf meinen Instinkt war, verwunderte mich die Situation. Sie war so unvorsichtig, dass es fast so wirkte, als wollte sie, dass man sie entdeckte...

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