8. Kapitel

233 20 2
                                    

Mavis

„Wenn du auffliegst, werden sie dich umbringen. Also sorge besser dafür, dass du es nicht tust, verstanden?", sagte Kingsley streng und reichte mir die Verpackung mit den Drogen. Obwohl seine Worte hart und kalt klangen, wusste ich, dass er eigentlich versuchte auszudrücken, dass er wollte, dass ich wiederkam. Weil er mich mochte, auch wenn er so tat, als wäre ich ihm wie jeder andere hier auch egal.

„Sicher", entgegnete ich daraufhin knapp und nickte, während ich das weiße Pulver an mich nahm und es dann unter das Band schob, das um meinen Oberschenkel gespannt war. Ich hatte nicht vor, heute Nacht aufzufliegen. Und noch weniger hatte ich vor zu sterben. Ich wollte Phoebe finden und hatte die Hoffnung, dass sie vielleicht dort war, wo ich heute arbeiten würde. In einem Club, den Felix schon eine ganze Weile im Visier hatte. Einer, dessen Drogen den Markt zu übernehmen drohten, und das wollte er verhindern, indem er seine einschleuste.

„Gut", gab er kurz wieder, als ich mich aufgerichtet hatte und dann nach meiner kleinen Tasche griff, die ich einen Augenblick zuvor neben mir auf den Tisch gestellt hatte. Mit zügigen Schritten lief ich durch den Raum und steuerte auf die Tür zu, bevor ich allerdings doch nochmal Halt machte und mich zu ihm umdrehte.

„Versprich mir, dass du mir bescheid gibst, wenn du etwas von meiner Schwester hörst", sagte ich nochmals. Phoebe war seit einer ganzen Weile verschwunden. Nicht nur sie alleine, sondern auch Malik. Die beiden waren vor über einer Woche an einem Abend losgegangen und seitdem nicht wiedergekommen. Seitdem hatte niemand mehr etwas von ihnen gehört.

Der Ausdruck, der direkt nach meinen Worten in Kingsleys Gesicht lag, bevor er dennoch kurz zustimmend nickte, zeigte mir, woran er dachte. An etwas, an das ich mich weigerte, auch nur einen einzigen Gedanken zu verschwenden. Und das würde ich so lange tun, bis mich die Realität dazu zwingen würde...

-

Jede Faser meines Körpers begann zu beben, als der dröhnende Bass der lauten Musik durch meine Zellen pulsierte und sanft über meine Haut strich, so dass ein angenehmes Kribbeln darauf zurückblieb. Das Zittern meiner Nervosität war nun nicht mehr spürbar. Als ich meinen Blick langsam erkundend durch den Raum wandern ließ, während ich durch ihn hindurchschritt, beruhigte ich mich allerdings etwas. Es waren so viele Menschen mit mir zusammen in diesem Raum, dass es mir recht unwahrscheinlich vorkam, aufzufallen. Obwohl es genau das war, wovor man mich gewarnt hatte. Dass man mich beobachten und sehen könnte, auch wenn es sich nicht so anfühlte.

Als ich auf der anderen Seite an der überfüllten Bartheke angekommen war, vor der sich eine riesige Menschenmenge gesammelt hatte, lief ich an ihr vorbei und weiter an den Rand des Tresens, wo sich nun deutlich weniger Menschen befanden. Nachdem ich meinen Blick ein weiteres Mal sorgfältig aber dennoch unauffällig umherschweifen ließ und das Gefühl hatte, einen guten Überblick über alles zu haben – so weit das bei der Größe möglich war –, setzte ich mich auf einen der Barhocker.

Sofort griff ich nach der Getränkekarte, die bereits aufgeschlagen vor mir lag, und richtete meinen Blick hinein. Ich hatte das Bedürfnis, etwas zu trinken. Eigentlich wollte ich mich betrinken, und zwar so sehr, dass ich nichts anderes mehr außer der in mir aufsteigenden Wärme des Alkohols spüren konnte. Nachdem ich einen Moment ausführlich darüber nachgedacht hatte, entschied ich mich allerdings dagegen. Es war keine gute Idee, mich hier zu betrinken, denn meine Wahrnehmung wäre beeinflusst, wodurch ich Fehler machen könnte.

Nachdem ich die Getränkekarte wieder geschlossen und von mir weggeschoben hatte, ließ ich meine Augen erneut umherschweifen, durch die Location und über die Gesichter der Menschen, die sich amüsierten. Wussten sie, dass es hier gefährliche Kerle gab, die schmutzige Drogengeschäfte machten? Hatte ich selbst überhaupt eine Ahnung davon, welche Art von Kerlen hier waren und zu was sie fähig waren? Wer waren sie und wie waren sie in dieses Leben geraten? Waren sie vielleicht genau wie ich, gegen ihren Willen oder durch Zufall hineingeraten?

Next to Coke and Joy DivisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt