24. Kapitel

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Mavis

In der Sekunde, in der ich über die Türschwelle meines Zimmers trat und in den Raum stolperte, versagten meine Beine ihren Dienst und ließen mich zu Boden gehen. So schnell ich konnte, drückte ich die Tür hinter mir ins Schloss und lehnte mich mit meinem Rücken dagegen, in der Hoffnung, dass ich dadurch verhindern könnte, dass sie von außen geöffnet wurde. Mein Herz hämmerte so schmerzhaft stark in meiner Brust, dass ich befürchtete, es könnte kollabieren.

Sofort presste ich mein Gesicht in meine Hände, um jeglichen Laut zu ersticken, den ich aufgrund meines bitteren Weinens und der unendlichen Traurigkeit in mir nicht länger zurückhalten konnte. Ich war traurig darüber, dass Blake es geschafft hatte, Felix' Namen aus mir herauszuzwingen. Ich ahnte, dass es Gründe gab, warum er ihn die ganze Zeit über wissen wollte. Er plante ihn und jeden, der etwas mit ihm zu tun hatte, umzubringen. Denn das waren Dinge, die er tat, um sein krankes und minderwertiges Leben lebenswert zu machen. Schließlich war er ein hassenswertes, verabscheuungswürdiges Arschloch, das niemals etwas anderes oder Besseres sein konnte als das. Damit sanken meine Chance und die Hoffnung, etwas über Phoebes Tod zu erfahren, auf Null.

Es vergingen Stunden, in denen ich mit schmerzendem Hals auf dem harten Boden vor der Tür saß und mich nicht bewegte. Ich starrte stumm vor mich auf einen Fleck. In dieser Zeit schweiften meine Gedanken von Selbstmord zu Mord an Blake. Ich fantasierte zuerst darüber, was ich mir antun könnte, und dann, was ich stattdessen mit ihm tun könnte, um diesem Leid ein Ende zu setzen. Fantasien, die mich etwas aufmunterten und trösteten, denn in meinem Kopf existierte die Vorstellung, dass ich tatsächlich eine Chance hatte, ihn umzubringen, auch wenn es in der Realität nicht so war.

Die aufgehende Sonne und die ersten warmen goldenen Sonnenstrahlen, die durch das große Fenster drangen und mich erreichten, ließen meinen müden Blick von dem Punkt lösen und ihn nach draußen richten. Das immer heller werdende Licht führte mir vor Augen, dass ich die ganze Nacht dort gesessen hatte. Es vergingen weitere Stunden, in denen ich noch immer nichts anderes tat als das. Statt allerdings weiterhin starr auf einen Punkt am Boden zu blicken, starrte ich nach draußen auf Paris.

Irgendwann, als es für längere Zeit unverändert hell draußen blieb, verlor ich das Zeitgefühl. Also erhob ich mich langsam mit schmerzendem Hintern vom Boden, um mit wankendem Schritt zum Bett zu gehen. Für einen kurzen Augenblick setzte ich mich auf die weiche Matratze und blickte auf die Uhrzeit auf meinem Telefon. Etwas verwirrt stellte ich fest, dass es fast Mittag war und ich noch keinen einzigen Mucks aus der Suite oder von Blake gehört hatte.

Auch wenn ich mich davor fürchtete und es vermeiden wollte, wusste ich, dass ich dieses Zimmer irgendwann verlassen musste. Und ich wusste auch, egal was in der Nacht war, ich einen ganzen weiteren Tag hier mit ihm in Paris verbringen musste, ob ich wollte oder nicht.

Widerwillig erhob ich mich erneut von dem Bett und lief zur Tür. Ohne sie zu öffnen, legte ich mein Ohr an das Holz und lauschte nach möglichen Geräuschen. Obwohl ich nichts hörte, malte sich mein Kopf Horrorszenarien aus. Eine davon war, wie ich die Tür öffnete und Blake davor stand.

Langsam legte ich meine Hand an die Türklinke und drückte diese vorsichtig nach unten, um die Tür so leise wie möglich zu öffnen. Nur einen Spalt breit, um hinausspähen zu können. Glücklicherweise sah und hörte ich nichts. Kein Psychopath, der vor der Tür lauerte.

Während ich durch die sonnendurchflutete Suite lief, ließ ich meinen Blick in die verschiedenen Räume wandern. Als ich wie gestern Nacht bei dem offenen Barbereich ankam und durch diesen hindurch in den Wohnbereich lief, stellte ich fest, dass Blake nicht da war und ich komplett alleine war. Augenblicklich entspannte ich mich etwas mehr.

Meinen Blick richtete ich daraufhin in Richtung der großen Terrasse. Mit ein paar Schritten ging ich darauf zu und blieb dann für einen kurzen Moment vor der breiten Glastür stehen, um hinauszusehen. Dann legte ich meine beiden Hände an die Klinke und öffnete sie. Eine gewaltige Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper, als mir die angenehm warme und frische Luft von draußen entgegenkam. Ein Gefühl, das mich für den Bruchteil einer Sekunde leicht schmunzeln ließ und meine Stimmung hob. Man konnte sagen, was man wollte, aber es war spürbar, dass die Sonne glücklich machte.

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