15. Kapitel

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Mavis 

Das letzte Mal, dass ich in meinem Leben so verzweifelt war wie zum jetzigen Zeitpunkt, war in Gravecliff. Weil ich dort Dinge tun musste, die ich nicht tun wollte, und das, weil ich einem Kerl ausgeliefert war, der mich dazu zwingen konnte, Dinge zu tun, die ich nicht tun wollte. Und so war es schon wieder. Auslöser dafür war, dass ich mich dazu bereit erklärt hatte, in einem illegalen Business zu arbeiten, aus Angst, meine kleine Schwester zu verlieren. Meine Schwester, die jetzt tot war.

Frustriert stützte ich meinen pochenden Schädel in meinen Handflächen ab, während ich auf dem Bett saß und den Blick auf den Boden vor mir gerichtet hatte. Meine fast schon zwanghaften Gedanken, die immer und immer wieder Möglichkeiten durchgingen, wie ich mich erneut aus dieser Situation retten könnte, bereiteten mir höllische Kopfschmerzen. Und der Gedanke an Phoebe und die Phantasien über sie und ihr Schicksal.

Zum wiederholten Male griff ich nach meinem Telefon und wählte die Nummer von Kingsley, nur um ein weiteres Mal festzustellen, dass sie nicht länger existierte. Ich hatte die Hoffnung, dass er mir meine Fragen zu Phoebes Tod beantworten könnte. Antworten, von denen ich glaubte, dass ich sie brauchte, um meinen Frieden finden zu können. Weil ich wusste, dass ich dann gehen konnte...

Kleine Tränen, die innerhalb von Sekunden drohten, immer größer zu werden, trieben in meine Augen, als ich das Telefon von meinem Ohr sinken ließ und es einen Moment später neben mich auf das Bett legte. Hastig erhob ich mich und rieb mir mit meinem Handrücken durch die Augen, um zu vermeiden, dass die Tränen über mein Gesicht rannen, während ich mit einigen Schritten durch mein Schlafzimmer rüber zum Fenster lief, wo ich meine leicht verschwommene Sicht auf die graue Straße richtete.

Ich fühlte den massiven Konflikt, der in mir aufkam. Ich wusste, dass ich Kingsley im Laden von Felix finden würde. Aber die Tatsache, dass Felix und jeder andere seiner Leute mich sofort umbringen würde, sobald ich über die Türschwelle trat, weil ich, auch wenn ich es nicht wollte, nun zur Konkurrenz gehörte, ließ mich hadern. Genauso der Gedanke daran, was Blake mir antun würde, wenn er dies herausfände. Mein Magen zog sich bereits schmerzhaft zusammen, als ich daran dachte.

Es vergingen einige Minuten, in denen ich stumm vor mich hin starrte, um zu entscheiden, was ich tun sollte und was mir am wichtigsten war. Und recht schnell wurde mir klar, dass es Phoebe war. Ich musste wissen, was mit ihr passiert war. Dies war meine Priorität, genauso wie sie die Priorität in meinem Leben war.


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Die innerliche Aufregung, die mich durchströmte, ließ meine Beine so sehr zittern, dass es mir beinahe unmöglich war, ohne zu wanken, über den schmutzigen, unebenen Boden des Ganges zu gehen, in dem ich mich nun befand. Eine Gänsehaut überzog mich innerhalb von Sekunden, als ich meinen Blick wandern ließ, während ich durch das bekannte Gebäude schritt. Die düsteren Wände schienen sich bedrohlich zu verengen, als ich inmitten der verlassenen Industrieräume stand. Erschrocken machte mein Herz für einen Augenblick einen Aussetzer, als ich umher sah. Alles, was sich zuvor mal in diesem Raum befand, war nun zerstört. Die Möbel waren zerschlagen, und das Polster einer Couch war aufgeschnitten, so dass das weiße Futter herausquoll. Das war nicht das, was ich erwartet hatte.

Es war so ruhig, dass ich nur das Pfeifen des Windes hören konnte, der durch eine undichte Stelle eines Fensters hindurchdrang. Der Anblick des Raumes zeigte mir, dass seit einer Weile niemand mehr hier gewesen war. Und so, wie es aussah, vermutete ich, dass auch niemand mehr hierherkommen würde. Als sei das Geschäft von Felix hochgenommen worden. Das alles hier trug allerdings eine spezielle Handschrift, die mich annehmen ließ, dass nicht die Polizei dafür verantwortlich war.

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