12. Kapitel

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Mavis

Ich spürte mehr als deutlich die unangenehme Anspannung in meinem Körper, als ich, wie angekündigt, ein schwarze Auto auf der dunklen Straße vor dem Eingang meines Wohnhauses stehen sah. Für ein paar Sekunden stockte ich als ich es erblickte und daraufhin sah, wie die hintere Tür von innen auf ging und auffordernd einen Spalt breit geöffnet stand. Bemüht mir meine Aufregung aufgrund des unbekannten Bevorstehenden nicht anmerken zu lassen, lief ich mit langsamen Schritten auf die Tür zu. Als ich am Wagen angekommen war, griff ich sanft nach dem Stoff meines Kleides und hob es an um einsteigen zu können.

Als ich auf dem kühlen Ledersitz des Autos platzgenommen hatte, schloss und verschloss sich die Tür von alleine. Mein Herz begann erneut stärker in meiner Brust zu hämmern, als ich aus dem Augenwinkel nur leicht die in der Dunkelheit des Wagens einschüchternde und bedrohliche Präsenz wahrnahm. Sofort presste ich meine Lippen aufeinander, um meinen etwas beschleunigten Atem zu beruhigen und runterzukommen. Ich versuchte für mich herauszufinden, was genau es war, das erneut die Anspannung in meinen Körper trieb. Innerhalb eines Wimpernschlages kam ich auf das Offensichtliche. Er war es. Die eisige Kälte und Unberechenbarkeit, die er ausstrahlte. Die Tatsache, dass nach der Situation in der Umkleidekabine nichts weiter passiert war, als dass er das Kleid bezahlte und mich nach Hause fahren ließ, beunruhigte mich. Ich konnte bereits jetzt mit Sicherheit sagen, dass dies nicht seine einzige Reaktion sein konnte. Dafür stand ihm die Lust, mir Schmerzen zuzufügen, bei jedem Mal wo ich ihn sah, zu deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Dich in diesem Kleid zu sehen, macht es fast wett, dass du zu spät bist", sagte er mit rauer Stimme und durchbrach damit die Stille zwischen uns. Seine Worte brachten einen genervten Unterton mit sich, weshalb ich meinen Kopf nun etwas zur Seite drehte und meinen Blick auf ihn richtete. Ungeniert musterte er meinen Körper, bevor seine düsteren Augen meine trafen.

Der Ausdruck in seinem Gesicht zeigte mir, dass er darauf wartete, dass ich etwas sagte. Etwas, das mein Zuspätkommen erklären oder entschuldigen würde. Aber das tat ich nicht. Der Idiot sollte froh darüber sein, dass ich überhaupt gekommen war. Wenn er dachte, dass er mich dazu bringen konnte, die Dinge zu tun, die er wollte, sollte er sich auch daran gewöhnen, dass ich meinen Willen immer ein kleines bisschen behalten würde, soweit ich es konnte.

„Oh, ich darf reden?", gab ich als Frage an ihn zurück, nachdem ich einen Moment lang innegehalten und geschwiegen hatte. Die Ironie in meiner Aussage sollte ihn an seine vorherigen Worte von vor ein paar Stunde erinnern: dass ich meinen Mund halten sollte, bis er mich zum Sprechen aufforderte...

„Wenn ich dich anspreche, dann redest du, ja", antwortete er daraufhin bestimmt und nickte einmal kurz mit dem Kopf.

„Wie gütig", entgegnete ich erneut, ohne meinen Blick von ihm zu lösen. Ich spürte, wie ich die Wut, die in mir aufgrund seines dominanten Verhaltens aufzukochen drohte, unterdrückte. Weil ich wusste, dass sie hier keinen Raum haben durfte. Die Situation erinnerte mich schmerzlich daran zurück, dass ich darin geübt war, meine Gefühle zu kontrollieren.

In der Sekunde, in der diese Antwort genauso spöttische über meine Lippen kam, wie ich es eigentlich beabsichtigt hatte, bereute ich es, als ich sah, wie sein Kiefer nach meinen Worten zu mahlen begann. Obwohl ich meine Wut unter Kontrolle hatte, war ich dennoch emotional, weshalb ich Dinge sagte, die ich nicht sagen sollte. Damit tat ich mir selbst keinen Gefallen.

Als ich realisierte, wie dumm ich war, dass ich nicht einfach meine Klappe hielt, wendete ich meinen Blick von seinen durchbohrenden Augen ab und richtete ihn auf meinen Schoß. „Wie kann ich dich ansprechen?" Meine Stimme war nun ruhiger und beinhaltete keinen spöttischen Unterton mehr. Während ich so vor mich hinstarrte und über die ganze Situation nachdachte, fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste, wie er hieß. „Du kanntest meinen Namen, obwohl ich ihn dir nicht genannt habe. Wäre es nicht fair, wenn du mir auch deinen Namen nennst?", fragte ich und sah ihn dann wieder an. Ich ließ es mir für einen kurzen Augenblick durch den Kopf gehen, ob ich ihm diese Frage stellen sollte, und entschied mich dann, es zu tun. Es wirkte für mich nicht so, als würde ich aus all dem hier herauskommen, weshalb sein Name zu wissen wohl das Mindeste wäre, das ich wissen sollte.

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