Mavis
Mein stark pochendes Herz und der Fakt, dass ich mich dreimal auf meinem Weg verfahren hatte, ließen mich den Widerstand spüren, der in mir herrschte, als ich durch den Hintereingang in den leeren Club trat.
Es waren einige Tage vergangen, seit ich zurück im düsteren und verregneten London war, und seit meinem ungewollten gemeinsamen Bad mit Blake hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Am nächsten Morgen fand ich mich alleine in der Suite wieder und blieb es so lange, bis mich am Mittag erneut der Fahrer abholte und zum Flughafen brachte.
Seitdem verfolgten mich die Erinnerungen an diesen Abend, was ich als den Grund für meinen Widerstand, ihn wiederzusehen, identifizierte. Weil ich mich dafür schämte, dass ich in diesem Moment nicht ausschließlich Abneigung ihm gegenüber empfand. Obwohl mein Kopf alles an ihm hasste, tat es mein Körper nicht. Sein mehr als offensives Angebot zeigte mir, dass er die Reaktion meines Körpers auf ihn bemerkt hatte, und es machte mich wütend, dass ich so durchschaubar war. Noch wütender machte es mich allerdings, dass ich für einen Augenblick wirklich darüber nachgedacht hatte, mit ihm zu schlafen. Aus diesem Grund entschied ich mich dazu, so schnell wie möglich aus der Situation zu verschwinden, um nicht Gefahr zu laufen, einen Fehler zu machen, den ich bereuen würde.
„Du hast Glück, er ist nicht da", vernahm ich plötzlich Carters durchdringende Stimme, die mich aus meiner Trance holte. Ohne seinen Blick auf mich zu richten, lief er hinter mir vorbei, rüber zum Bartresen. Ich war einige Meter vor Blakes geschlossener Tür stehen geblieben und hatte anscheinend gedankenverloren darauf gestarrt. Eine Aussage seinerseits, die mir ein Stein vom Herzen fallen ließ.
„Das heißt..-", fing ich nach kurzem Schweigen an, meine Frage zu formulieren. Meinen Blick riss ich von der geschlossenen Tür los und richtete ihn rüber zu Carter, während ich mit langsamen Schritten ebenfalls darauf zuging.
„Das heißt, du bekommst deine Anweisungen von mir, bis er zurück ist", fiel er mir mit ernster Stimme ins Wort, bevor ich meine Frage aussprechen konnte. Seinen Blick hatte er vor sich, auf ein paar beschriebene Papiere gerichtet, die er durchblätterte und mir dann eines davon zuschob.
Ohne etwas auf seine Worte zu sagen, richtete ich meinen Blick auf das Papier und stellte fest, dass es Adressen von Bars waren. Nachdem ich die Seite überflogen hatte, beobachtete ich für einen Moment, wie seine Augen über die anderen Blätter wanderten. Sein Gesichtsausdruck war anders. Ernster als sonst, was dafür sorgte, dass in mir ein irritierendes Gefühl aufkam.
„Ist daran etwas unmissverständlich?", fragte er nun und richtete seinen Blick auf mich. Die raue Art, mit der die Worte jedes Mal aus seinem Mund kamen, wenn wir miteinander sprachen, machte mir immer wieder deutlich, was er von mir hielt. Rein gar nichts. Und er machte nie einen Anstand darum, es zu verstecken.
„Nein", entgegnete ich und schüttelte leicht meinen Kopf. Die Situation verwunderte mich etwas, denn obwohl ich noch nicht lange dabei war, wusste ich, dass es nicht typisch war, dass Blake nicht da war. Diese Annahme bestätigte sich für mich dadurch, dass Carter noch genervter und angespannter wirkte als sonst.
„So sieht dein Gesicht aber aus" blaffte er, nachdem er mich für einen kurzen Augenblick stumm angesehen hatte.
„Kommt er zurück?", fragte ich daraufhin ehrlich, nachdem ich für einen Moment darüber nachgedacht hatte, ob ich ihm diese Frage stellen sollte. Von innen heraus spürte ich, wie mich etwas zu hemmen versuchte. Ich wollte nicht Gefahr laufen, später von Blake dafür bestraft zu werden, dass ich Fragen gestellt hatte, die ich nicht hätte stellen sollen. Dennoch konnte ich spüren, wie sich für den Bruchteil einer Sekunde ein Fünkchen Hoffnung in mir breit machte, dass er vielleicht nicht wieder kam. Dieses Fünkchen wurde allerdings innerhalb eines Wimpernschlags von ihm erstickt.
„Hast du etwa Angst, dass deine Zeit hier schon vorbei ist?", stellte er die Frage an mich zurück. Auf seine Lippen legte sich nun ein überlegenes und verächtliches Schmunzeln. Der sarkastische Unterton in seiner Stimme sorgte dafür, dass ich mich wie ein Idiot fühlte, bei jedem Wort, das ich sagte.
„N-Nein, ich..-" fing ich an, wurde aber erneut von ihm unterbrochen, bevor ich meinen Satz zu Ende bringen konnte. Glücklicherweise, denn damit, dass ich dachte, dass meine Zeit hier womöglich beendet wäre, wenn Blake nicht zurückkam, lag er richtig. Nur handelte es sich dabei nicht um eine Angst meinerseits.
„Er kommt zurück. Er ist aktuell nur verhindert", erklärte er knapp und löste seine Aufmerksamkeit wieder von meinem Gesicht, um sie auf die Blätter vor sich zu richten.
„Verhindert? Weshalb?" Sofort stellte ich fest, dass meine Frage überraschter klang als, ich eigentlich wollte, dass sie es tat. Offensichtlich so überrascht, dass Carter seinen Blick erneut zu mir aufrichtete.
„Warum fragst du ihn das nicht einfach selbst, wenn er wieder da ist?", entgegnete er und stützte sich nun mit den Armen auf die Bartheke. Eine rhetorische Frage, auf die wir beide die Antwort kannten. Eine Frage, die mich kurz stocken ließ. „Weil du weißt, dass er dir dafür eine Lektion erteilen würde. Stattdessen wählst du den leichteren Weg und fragst mich in der Hoffnung, dass du eine Antwort bekommst. Ich rate dir allerdings, aufzuhören, deine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die dich nichts angehen, und zu arbeiten, Mavis."
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Next to Coke and Joy Division
Teen Fiction{2. Teil der Preposition-Trilogie} Mavis und Phoebe Prescott - zwei Schwestern, die aufgrund ihrer tragischen Familiengeschichte unzertrennlich scheinen. Bis zu dem Tag, an dem Phoebe sich in den falschen Kerl verliebt und auf die schiefe Bahn gerät...