42. Kapitel

92 16 4
                                    

Mavis 

Meine Rückkehr nach London lag 2 Tage zurück, und zum ersten Mal, seit ich für Blake arbeitete, hatte ich eine Woche frei. Eine Woche, die ich dringend benötigte, denn die Ereignisse in Manchester wirkten schwer nach. So schwer, dass ich mit meinen Gedanken nicht von ihnen loskam. Felix war tot, und zwar die ganze Zeit über, in der ich mir Hoffnungen gemacht hatte, mit ihm sprechen zu können. Und ich hatte mit Blake geschlafen. Weil ich es wollte. Obwohl er ein Mörder und Psychopath war, der mir, seit ich in sein Leben getreten war, immer wieder Leid und Schmerz zugefügt hatte. Eine Erkenntnis, die mir deutlich machte, dass mit mir etwas nicht stimmte. Dass ich krank im Kopf war, weil ich mich zu einer Person hingezogen fühlte, von der ich mich instinktiv fernhalten sollte. 

Die Traurigkeit und Erschrockenheit über mich und meine Entscheidungen hatten mich dazu gebracht, mein Telefon abzuschalten. Ich wollte nicht erreichbar sein und nur für diese eine Woche das Gefühl haben, ein ganz normales Leben zu führen. Ein Leben, in dem ich frei war und tun konnte, was ich wollte. In diesem Zustand begann ich in den letzten 5 Stunden zu fantasieren: darüber, einfach wegzugehen, um tatsächlich frei zu sein. Ein weiteres Mal ein neues, besseres Leben anzufangen, wo mich niemand kannte. Es war mitten in der Nacht und ich schmiss einige Klamotten in eine Reisetasche neben der Tür um mir daraufhin einen Flug nach New York zu buchen. Eine noch größere und anonymere Stadt als London. Eine Stadt in der es noch einfacher war unterzugehen und Teil der grauen Masse zu werden.. 

Meinen vor innerer Anspannung bebender Körper durchzog plötzlich ein heftiges Zucken, als ich ein kurzes Klopfen an meiner Wohnungstür vernahm. Ein Geräusch, dass mich augenblicklich erstarren ließ, um keinen Mucks von mir zu geben, während mein Blick auf die Uhrzeit an meinem Laptop fiel. Die Tatsache, dass es halb 3:00 Uhr morgens war und mein Flug in ein paar Stunden gehen würde, bereitete mir eine Gänsehaut.

Es vergingen einige lange Sekunden in denen ich mich nicht bewegte bevor es ein weiteres Mal klopfte. Lauter und fordernder. Ein unangenehmes Gefühl kam in mir auf denn ich wusste, dass es kein Zufall war. Genauso wusste ich, dass ich es nicht vermeiden könnte, an die Tür zu gehen. Also löste ich mich aus meiner Starre und lief mit langsamen Schritten durch meine Wohnung zur Tür. Vor meinem inneren Auge existierten nun zwei Bilder. Es bestand eine 50/50-Chance, dass entweder Carter oder Blake davorstand. Da ich mittlerweile allerdings wusste, dass Blake dramatische Auftritte liebte und gerne an Orten auftauchte, wo ich ihn nicht erwartete, vermutete ich letzteres.

Als ich mit eisig kalten Händen den Schlüssel im Schloss umgedreht hatte, um die Tür einen winzigen Spalt breit zu öffnen und hinaus in den Hausflur zu spähen, stockte mein Atem, als mein Blick in seine finstere aber dennoch neutral gestimmte Miene fiel. Ein Anblick, den ich befürchtet hatte und der mir nun das Herz bis zum Hals schlagen ließ. Wie konnte es sein, dass er jetzt hierherkam, wo ich doch in ein paar Stunden die Stadt verlassen wollte? Ich wusste, dass er, beziehungsweise Carter, mich in der Vergangenheit beschatten ließ, wenn ich arbeitete. Aber ich hatte seit zwei Tagen die Wohnung nicht verlassen, geschweige denn etwas getan, das mein Vorhaben hätte verraten können.

Ohne etwas zu sagen, scannte er für einen kurzen Moment mein Gesicht und mein Dekolleté. Ich wusste, dass er mir in der Sekunde, in der er mich sah, meine Nervosität ablesen konnte. Und ich hasste es!

„I-Ich dachte, ich hätte frei", durchbrach meine dünne Stimme die Stille zwischen uns. Eine Aussage, durch die ich gehofft hatte, dass er mir direkt den Grund für sein Erscheinen nennen würde. Statt dies zu tun, machte er allerdings einen Schritt auf die leicht geöffnete Tür zu und legte seine Hand dagegen, um sie weiter aufzudrücken, als ich sie geöffnet hatte. Eine Bewegung, die ich zuließ, denn ich wollte ihm nicht noch deutlicher signalisieren, dass er gerade nicht hier sein sollte. Also machte ich ein paar kleine Schritte zur Seite, damit er, wie er es offensichtlich wollte, eintreten konnte.

Next to Coke and Joy DivisionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt