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Der Palast dient mir als Orientierung durch die Stadt, die sich im Wesenlichen davor befindet

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Der Palast dient mir als Orientierung durch die Stadt, die sich im Wesenlichen davor befindet. Also wird das Land hinter ihm mein Ziel sein. Dort befindet sich ein Wald und dahinter muss es etwas anderes geben. Also werde ich dort hingehen und dann sehe ich weiter.

Freiheit, ich komme!

Wie gedacht, lichtet sich die Stadt, als ich den Palast passiere und mich dem Wald nähere. Ich komme an Gärten vorbei, Gemüse, Obst und Früchte und auch Getreidefeldern sowie einzenelne Viehweiden. Die Männer und Frauen, die hier arbeiten nicken mir freundlich zu, aber niemand hält mich auf. Es ist fast mittag, als ich den Wald erreiche. Sollte meine Abwesenheit bis jetzt unentdeckt geblieben sein, so sollte es spätestens jetzt auffallen. Es bleibt also keine Zeit zum Vertrödeln.

Die Luft im Wald ist kühl und frisch. Hier und da bahnen sich Sonnenstrahlen durch das Geäst des Mischwaldes und ich kann Vögel hören und sehe hier und da kleine Tiere, die mich an Eichhörnchen erinnern. Ich höre in der Nähe eine Fluss plätschern, bis mir ein Baum auffällt, bei dem ein Ast halb abgebrochen ist. Er hat eine wunderschöne, starke Gabelung - perfekt für eine neue Schleuder. Dennoch sollte ich nicht all zu viel Zeit damit verbringen, den Ast auf die perfekte Größe zu brechen - lieber weitergehen und später nach einer geeigneten Waffe suchen, als hier zu verweilen. Und als läge das Glück mal auf meiner Seite, kann ich den Ast soweit kürzen, dass ich den Grundbaustein einer Schleuder mit mir nehmen kann. Sehr gut! Im nächsten Ort besorge ich mir etwas Gummi und im Nu habe ich eine neue Waffe.

Während ich durch den Wald gehe und meinen wunderschönen Ast begutachte, muss ich an den Jungen denken, der mir damals den Umgang mit der Schleuder beigebracht hat. Er wohnte bei dem Hof, auf dem ich arbeiten musste. Noyan war jünger als ich und außer mir gab es sonst keine Kinder oder Jugendlichen dort. Während ich also die Feldfrüchte mit den anderen Sklaven pflückte, vertrieb er seine Zeit in meiner Nähe. So kamen wir ins Gespräch und er zeigte mir seine Schleuder und wie er sie benutzen kann. Irgendwann haben wir uns soweit angefreundet, dass er mir seine alte Schleuder geschenkt hat und wir zusammen geübt haben. Ich wurde gar nicht mal so schlecht darin. Eines Tages wurde der Hof überfallen. Viele männliche Sklaven ließen ihr Leben, die Mädchen und Frauen wurden verschleppt, auch ich. Als ich zusammen mit den anderen abtransportiert wurde, sah ich Noyans leblose Augen gen Himmel blicken und mein Herz brach auf ein ganz andere Art und Weise wie zuvor. Diese Welt ist grausam, wenn sie selbst vor Kinder nicht halt machten. Irgendwann habe ich meine Schleuder verloren und ich bedauere es bis heute, dass ich Noyans Geschenk nicht in Ehren halten konnte.

Am späten Nachmittag - ich hoffe Loki tobt vor Wut - lichtet sich der Wald. Ich habe nur einmal kurz Halt gemacht, am Fluss getrunken und meinen Beinen eine Pause gegönnt. Jetzt flattert mir das Herz, als ich das Ende des Waldes sehen kann. Meine Schritte beschleunigen sich und ich kann die Freiheit schon vor mir riechen, als ich...

Als ich vor einer Klippe stehen bleibe. Das Leben scheint von mir abzufallen, als ich ein großes Nichts dahinter sehe. Hinter dieser Klippe ist einfach.. Nichts! Gar nichts. Es ist, als endet Asgard einfach hier. Ich schaue nach links und rechts, sehe aber nur diese Klippe, die fast einen Tagesmarsch vom Palast entfernt ist, und damit das Ende der Stadt symbolisiert.

"Nein...", entweicht es mir und ich lasse meinen Ast fallen, bevor ich mich selbst auf den Hintern fallen lasse, meine Knie anziehe und mein Gesicht darin vergrabe. Ich will weinen und schreien, aber da ist diese Leere, die mich aufzufressen droht.

Deshalb durfte ich alleine in die Stadt. Ich kann gar nicht fliehen, also braucht auch niemand auf mich aufzupassen. Diese Erkenntnis trifft mich wie ein Hammerschlag. Ihm folgt ein großes Schluchzen.

Es ist bereits dunkel und kalt, als ich Pferdehufe höre. Ich habe mich seit Stunden nicht bewegt und meine Gelenke sind steiff. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper, ich spüre sie aber kaum.

"Hier ist sie!"

Mehrere Männer reiten auf mich zu und halten kurz vor mir an, steigen ab und überwinden die letzten Meter zu Füß.

"Du musst mit uns kommen, Befehl vom Palast."

Mit knackenden Gelenken stehe ich auf und strecke emotionslos meine Hände nach vorne, aber mir werden keine Handschellen angelegt. Geistesabwesend führt mich der Soldat in goldener Rüstung zu seinem Kameraden, der mich auf das Pferd hebt und mich vor sich im Sattel platz nehmen lässt.

Mein Kopf ist vollkommen leer, als das Pferd zu traben beginnt. Der Sodat hinter mir umgreift meine Körpermitte und gibt dem Tier die Sporen. Im Gallopp sind wir deutlich schneller beim Palast angekommen, als zu Fuß. Ich betrete ihn durch die Ställe. Ein Soldat geht vorweg, der andere hält mich am Arm fest; nicht grob, aber dennoch bestimmend führt er mich in das Innere, durch die Korridore bis vor Lokis Tür. Ich lasse den Kopf hängen, als der Soldat vor uns an die Tür klopft, um sie nach der Aufforderung öffnet, und ich hinein geführt werden.

"Ah ja." Ich kann diese verachtenswürdige Selbstgefälligkeit in Lokis Stimme hören. "Wie schön. Ihr könnt wegtreten."

Die Soldaten salutieren und verlassen den Raum. Und ich bin allein mit ihm.

"Ich hätte wissen müssen, dass du die erste Chance zur Flucht nutzen würdest, die sich dir auftut. Und trotzdem hatte ich gedacht, dass du klüger wärst. Als wäre ich so dumm und würde dich an deinem ersten Tag alleine in die Stadt lassen, wenn es nur einen Hauch der Chance zur Flucht geben würde."

Loki, der wie ein Raubtier vor mit hin und her gelaufen ist, ist nun direkt vor mir stehen geblieben und beugt sich zu mir herab, bis wir auf Augenhöhe sind.

"Und ich dachte, dass jemand mit denem frechen Mundwerk schlauer wäre. Und jetzt geh dich waschen. Du stinkst nach Schweiß und Pferd." kommentiert Loki.

Ich hebe eine Augenbraue und das Leben kehrt leise zurück. "Weil es mich ja so sehr interessiert, was du denkst."

"Sei vorsichtig, Noa.", knurrt Loki - er knurrt! und seine Hand greift nach meinem Kinn. "Jeder andere würde jetzt sein Leben verlieren, wenn es nach mir ginge."

Aber ich weiche auch dieses Mal nicht zurück. "Wie gut, dass es nicht nach dir geht." Mit diesen Worten drehe ich meinen Kopf aus seinem Griff und stapfe in mein Zimmer, reiße die Kommode auf, greife nach dem erstbesten Stoff und stapfe zurück durch Lokis Zimmer, hinaus auf den Korridor und über die Dienstbotenflure hinab zu den Waschräumen.

Loki | NoaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt