"Warum hat das so lange gedauert?"
Loki sitzt an seinem Schreibtisch, anscheinend vertieft in etlichen Papieren und schaut nicht einmal hoch, während er zu mir spricht.
"Ich kenne mich in diesem Palast nicht aus, schon vergessen? Das hat so lange gedauert." Meine Stimme trieft vor Verachtung und ohne ihn nur anzusehen, stelle ich das Tablett an den nächst gelegenden Tisch.
"Falsch." Mein Handeln wird direkt kommentiert und ich atme hörbar ein und wieder aus.
"Ich sitze hier. Warum sollte ich mich denn zu dem Essen hinbewegen? Wofür habe ich denn dich?"
"Um mir den Tag schwer zu machen?", frage ich extra lieblich. Jetzt sieht er mich an. Und sein Blick ist hart und streng, aber dieses Mal läuft mir kein Schauer über den Rücken. Ich habe gut geschlafen und mein Magen ist gefüllt - ich fühle mich stark und bin bereit, diese Stärke zu beweisen.
"Bitte mich darum, dir das Essen zu bringen. Vielleicht komme ich dann deiner Bitte nach."
Noch bevor ich diesen Satz zu Ende gesagt habe, steht Loki auf und sein Stuhl fällt laut hinten über - eine Handlung, die wohl ziemlich oft bei ihm vorkommt. Er läuft in großen Schritten auf mich zu, aber ich weiche nicht zurück. Nicht dieses Mal und sowieso nie wieder. Nach wenigen Metern steht er vor mir, so dicht, dass meine Brust sein Hemd streift und das Adrenalin durch meinen Körper stürmt. Mit jedem weiteren Atemzug presst sich mein Körper an ihn und ich bin mir jeder Berührung vollends bewusst. Das würde mich erschaudern lassen, würde Loki nicht so finster zu mir herab starren und damit jegliche positiven Gefühle vertreiben.
"Ich habe dich darum gebeten." Seine Stimme ist leise und eiskalt und klingt gefährlich. Viel gefährlicher als die vielen unzähligen Male, als ich von anderen angeschrieen oder offen mit Strafe bedroht wurde.
"Und jetzt," sein Kiefer wirkt angespannt, "esse ich am Schreibtisch."
Ich nicke gezwungen und greife nach dem Tablett. Der Tee in dem Krug schwabbt bedrohlich, bleibt aber darin. Provizierend umkreise ich Loki und berühre dabei seinen Arm und stelle sein Frühstück etwas zu ruppig auf den Schreibtisch. Loki ist mir gefolgt und steht mit verschränkten Armen hinter mir und deutet mit seinem Kinn auf den umgekippten Stuhl. "Heb ihn auf."
Wieder seufze ich, greife aber danach und stelle ihn komplett an den Tisch, sodass Loki ihn wieder hervorziehen muss. Danach knickse ich übertrieben und wende mich ihm ab und gehe auf das Bett zu um - so laut wie möglich - die Laken abzuziehen und die Kissen aufzuschütteln. Dabei werde ich das Gefühl von Augen auf mir nicht los. Ich stapfe zu dem Wandschrank, öffne ihn und stemme meine Hände auf die Hüfte. Wie gestern schon liegen die frischen Laken viel zu hoch, um da dran zu kommen. Aber mein schelmischer Kopf hat schon die nächste, für Loki hoffentlich quälende, Lösung parat.
Mit lauten Schraben ziehe ich einen dunkelroten, mit Samt bezogenen Hocker über den Holzfußbogen; in der Hoffnung, Kratzer zu hinterlassen. Beim Wandschrank angelangt steige ich auf darauf, hole die Laken und schiebe ihn dann mit dem Fuß zurück an seinen Platz - natürlich laut. Loki schnaufft auf und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, während ich das Bett frisch mache.
Ohne etwas zu sagen, raffe ich die abgezogenen Laken zusammen und verlasse mit ihnen das Zimmer.
Da ich die Wäscherei unten bei der Küche vermute, gehe ich den gleichen Weg hinab. Kaum unten angekommen, huscht eine andere Dienerin an mir vorbei - mit schmutziger Wäsche in einem Korb und ich versuche mit ihr Schritt zu halten. Ein bisschen aus der Puste - weil sie wirklich flink ist - und mich der Machtkampf mit Loki doch mehr anstrengt, als ich dachte, erreiche ich die riesige Wäscherei. Riesig ist dabei total untertrieben. Es scheint, als wäre der gesamte untere Bereich, abgesehen von der Küche, die Wäscherei. Es stapelt sich alte Wäsche, Laken, Handtücher oder Tischdecken auf der einen Seite; es ist ein geschäftiges Treiben hier unten. Aber was mich wirklich erstaunen lässt, ist der Fluß, der einmal durch den Raum fließt. In diesem Fluß stehen Frauen knietief und reinigen die Wäsche, die andere ihnen wiederum bringen. Weiter hinten im Raum stehen etliche Mangeln und die Frauen, die die Kurbel betätigen, haben Arme so dick, wie ich meine Oberschenkel habe. Einige singen leise Lieder und scheinen wirklich so etwas wie Freude bei der Arbeit zu emfinden.
Ich selbst habe auf einer Plantage gearbeitet. Mit mir zusammen gab es Männer und Frauen, deren Haut hellgrün und die Haare blau waren. Ihre Augen waren fast vollkommen schwarz. Sie haben auch leise Lieder gesungen und es war, als würde ich Engel trällern hören. Es ist eines der wenigen positiven Erinnerungen, die ich mit mir genommen habe. Und das hier ist fast die gleiche Situation - allerdings bin ich mir unschlüssig, ob alle hier wirklich Sklaven sind.
"Von wem?", fragt eine ältere Frau, als sie nach den Laken greift, die ich noch immer in den Armen halte.
"Äh, Loki."
"Okay, danke. Du kannst sie heute Nachmittag wieder abholen."
Und so schnell sie zu mir kam, dreht sie sich um und verschwindet im stetigen Treiben der Wäscherei. Ich selbst verweile noch ein paar Sekunden und lasse diesen Raum, der mich an einen Bienenstock erinnert, auf mich wirken, bevor ich mich zurück zu Lokis Gemächern machen muss. Ein Lichtblick ist dabei, dass ich in die Stadt gehen werde. Ich frage mich allerdings, wie er auch mich achten wird.
Sachte betrete ich seine Gemächer. Das Frühstück steht fast unberührt auf dem Tablett, Loki hat sich nur eine Tasse Tee eingeschenkt, der leicht dampfend auf dem Schreibtsich steht. Er schaut mich kurz über die Papiere an, über die er noch immer hockt, bedenkt mich aber nicht mit irgendeinem Kommentar. Ich kann ihn nicht ausstehen.
Wie bei einem Kleinkind sammel ich die Kleidungsstücke ein, stehe aber vor dem nächsten Problem. Wie bekomme ich sie durch die Stadt? Und als hätte Loki meine Gedanken gelesen, sagt er: "Im Wandschrank hängt ein Wäschesack. Ich lasse die Kleidung auf dem dunkelroten Sofa fallen, welches bei dem Hocker steht, den ich als Leiter missbraucht habe, und öffne den Wandschrank. Links in einer Ecke liegt etwas, dass ein großer Wäschesack sein könnte. Ich krame ihn hervor und räume die Kleidung dort hinein. So gebündelt sollte es einfach sein, ihn durch die Stadt zu tragen - wohin auch immer. Südlich am Fluss ist nun wirklich keine genaue Ortsbeschreibung.
Ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen, schultere ich den Wäschesack und verlasse seine Gemächer. Und tatsächlich begebe ich mich alleine durch den Palast. Es dauert eine Weile, bis ich den richtigen Ausgang gefunden habe, denn offensichtlich geht die Dienerschaft nicht durch die großen, goldenen Flügeltüre, sondern nutzt einen Seitenausgang.
Die Stadt ist riesig. Viel größer als es von meinem Fenster aus aussieht. Ich fühle mich ein Tourist, der einen neuen Ort erkundet. Ich schlendere durch die Staßen und bleibe hier und da stehen, als ich einen Markt oder Basar erreiche. Die Freudlichkeit der Frauen und Männer hier macht mich dennoch nervös. So kann doch niemand sein?
Vermutlich bin ich einen riesigen Umweg gelaufen, erreiche aber, nachdem ich mehrmals den Weg erfragt habe, die Wäscherei.
"Guten Tag!", begrüßt mich die ältere Frau am Tresen, als ich den Laden betrete und mein Eintreten durch ein kleines Glöckchen an der Tür angekündigt wird. "Was kann ich für dich tun?"
Ich hieve den Wäschesacke auf den Tresen lasse meine Schulter ein paar Mal rollen, als ich endlich das Gewicht los bin. "Das ist die Wäsche von Loki."
"Oh," sagt sie und öffnet den Sack. "Irgendwelche Besonderheiten?"
"Nicht, dass ich wüsste.", sage ich und zucke mit dem Schultern.
"Vielen Dank. Die Wäsche kann morgen gegen Nachmittag abgeholt werden." Sie nimmt einen Zettel, notiert etwas und reicht ihn mir. "Bitte sehr, dein Abholschein."
Ich versuche ungezwungen zu lächeln und grüße sie zum Abschied, bevor ich die Wäscherei wieder verlasse. Auch wenn sie nett war, wird sie mich nicht wieder sehen. Denn wie erwartet, bin ich alleine in der Stadt. Und ganz ehrlich, wer schickt einen Sklaven alleine weg, ohne, dass jemand auf ihn aufpasst? Offensichtlich ist der gute Loki ein bisschen dumm. Oder naiv. Ich jedenfalls werde nicht wieder zurück in den Palast gehen.
Auf nimmer wiedersehen!
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Loki | Noa
Fanfiction"... Im ewig gleichen Takt meines Alltags hieve ich das Tablett gegen meine Hüfte, um die schwere Tür zu seinen Gemächern zu öffnen. Was mir anfangs noch schwer fiel, geht inzwischen von leichterer Hand und es macht mir Angst, dass ich mich fast all...