Kapitel 18

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Sora war noch immer tief in ihren Gedanken versunken, als eine fremde Wärme anfing ihre Kälte zu vertreiben.

Langsam hörte sie auf zu zittern und spürte, dass ihr eine warme Flüssigkeit eingeflößt wurde.

Panisch riss sie ihre Augen auf und versuchte sich dagegen zu wehren. Sie wollte nicht mehr von der Schwelle des Todes zurückgeholt werden.

Sie schrie und der Griff um sie wurde gelöst.

Verwirrt blickte sie sich um und blieb an den schwarzen Augen von Taric hängen. Er war da. Er hatte sie doch nicht im Stich gelassen.

Sie blickte an seinem Körper hinunter. Das Hemd war blutig und er hatte tiefe Schatten unter seinen Augen.

Eine Bisswunde an seinem Handgelenk schloss sich gerade und Sora realisierte, was die Flüssigkeit gewesen sein musste.

"Danke, Clara. Du kannst jetzt gehen.", sagte Taric und die Angesprochene verließ den Raum.

"Es tut mir so leid, dass ich nicht früher da war.", entschuldigte sich Taric und setzte sich zu Sora ans Bett.

Sora blickte ihn verwirrt an und realisierte erst dann, was passiert war.

"Wie lange ist das her?", fragte sie

"Gestern. Wir haben jetzt Mittags."

"Was ist passiert?

"Du bist in eine Schockstarre gefallen, nachdem dich ein Vampir angegriffen hat. Du warst nicht mehr ansprechbar und ich habe mir solche Sorgen gemacht. Clara hat alle möglichen Zauber ausprobiert, aber nichts wollte helfen."

"Ich habe nur versucht den Schmerz auszublenden.", erwiderte Sora betrübt.

"Ich weiß. Ich hätte dich niemals alleine mit Diana gehen lassen sollen. Sie hat versagt. Ich hätte die anderen Vampire sie doch töten lassen sollen."

Tarics Stimme wurde gegen Ende immer lauter und er ballte seine rechte Hand zu einer Faust. Er nahm es Diana noch immer übel, dass sie Sora im Stich gelassen hatte. 

"Es war nicht Dianas Schuld.", antwortete Sora mit erstaunlich fester Stimme und Taric blickte überrascht zu ihr auf.

"Sie hätte aber wissen müssen, dass es im Park um diese Uhrzeit zu gefährlich ist."

"Sie wollte mir doch nur einen Gefallen tun, weil ich den Park so liebe. Ich wollte da hin. Ich bin selbst dafür verantwortlich.", erwiderte Sora bitter.

"Nein bist du nicht. Du hast jedes Recht an der frischen Luft zu sein. Das nächste Mal begleite ich dich aber. Dann wird dir nichts passieren."

Jetzt blickte Sora überrascht zu Taric auf. Er hatte sie für ihren Fehler nicht angeschrien oder ihr wehgetan, obwohl er offensichtlich sehr sauer war. Stattdessen entschuldigte er sich bei ihr. Dieser Mann verwirrte Sora zutiefst. War es möglich, dass er ihr wirklich nichts tun würde, egal wie sauer er war?

"Aber sei bitte nicht sauer auf Diana. Ich mag sie. Sie war gestern sehr freundlich zu mir. Wie geht es ihr?"

Taric runzelte seine Stirn und seufzte.

"Sie sah gestern sehr übel aus. Angeblich hatten die Vampire dein Blut bei sich und es hätte wohl übel enden können."

"Hast du ihr etwa nicht geholfen? Sie ist doch deine Schwester?", fragte Sora schockiert.

Taric knirschte mit seinen Zähnen und sah zu Boden.

"Sie hat dich in Gefahr gebracht. Da konnte sie dankbar sein, dass ich sie nicht eigenhändig getötet hätte. Das kann ich ihr nicht so einfach verzeihen."

"Nein! Sie ist deine Schwester. Wie kannst du nur sowas sagen?!"

Sora war erschrocken und wandte sich ab. Wie konnte er einerseits so liebevoll zu ihr sein und andererseits seiner Schwester gegenüber so grausam sein.

Taric legte seine Hand auf Soras Wange und eine angenehme Wärme durchströmte sie wieder.

"Hey. Es tut mir leid. Es ist nur so, dass Werwölfe sehr empfindlich reagieren, wenn ihr Mate in Gefahr ist. Zudem sind wir noch nicht verbunden, deshalb sind meine Gefühle noch sehr extrem. Natürlich will ich nicht, dass meine Schwester stirbt. Als ich Wotan angerufen habe, habe ich auch irgendwo gehofft, dass er Diana finden würde. Aber ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass du der wichtigste Mensch für mich bist. Du stehst für immer an erster Stelle und ich würde es nicht ertragen, wenn ich dich verliere."

Taric blickte Sora tief in die Augen und diese versank in seinen tiefschwarzen Iriden. Seine Worte überforderten sie erneut. Wie konnte er so viel für sie empfinden, wenn sie sich doch gar nicht kannten?

Aber das war nicht das einzige, was sie verwirrte. Sie konnte spüren, dass er ihr auch wichtig war. Sie spürte wie sich das Band zwischen ihnen mit jedem Atemzug verfestigte. Er sagte die Wahrheit, das wusste sie plötzlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und diese Erkenntnis raubte ihr den Atem.

Sie vertraute ihm und das obwohl sie sich geschworen hatte, niemandem mehr zu vertrauen.

Sie wollte es nicht einmal, aber dennoch war das Vertrauen da.

"Danke.", sprach Sora atemlos.

Sie war so gerührt, dass eine Träne ihre Wange hinunter floss. Sie konnte nicht glauben, dass jemand wirklich etwas liebenswertes an ihr gefunden hatte. Sie konnte sich schließlich nicht einmal selbst lieben. Da war nur ein großer Selbsthass in ihr und sie fühlte sich noch immer völlig zerbrochen.

Doch zum ersten Mal realisierte sie, dass es vielleicht doch noch Hoffnung gab. Taric könnte ihre Hoffnung sein.

Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln, dass er sofort erwiderte.

"Kann ich nach Diana sehen? Ich will mich bei ihr entschuldigen. Sie wäre immerhin fast wegen mir ums Leben gekommen."

Tarics Lächeln verging wieder und er blickte sie ernst an.

"Das war nicht wegen dir. Du musst dich für nichts entschuldigen."

"Doch muss ich."

Sora würde sich nicht von Taric davon abbringen lassen. 

Doch dieser versuchte es gar nicht und begleitete sie zu Dianas Zimmer.

Broken Mate - Der HeilungsfluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt