Kapitel 28

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Der zweite Teil überzeugte Sora ebenso, wie auch der Erste. 

"In den letzten Jahren habe ich wirklich die Hoffnung aufgegeben. Jetzt hier so zu sitzen und Filme zu gucken ist so surreal. Ich kann es manchmal noch immer nicht glauben.", bemerkte Sora.

"Vielleicht wird es einfacher zu glauben, wenn du mehr von diesen ganz normalen Tagen erlebst."

"Erzähl mir von dir.", forderte Sora ihn auf.

"Was willst du denn wissen?"

"Wie bist du aufgewachsen? Was ist dein Lieblingslied? Dein Lieblingsfilm? Sowas eben.", fragte Sora.

"Ich bin im heutigen England geboren, wie du dir aber vielleicht denken kannst hatte das gar nichts mit dem heutigen England zu tun. Man lebte ständig in Angst von einem anderen Clan angegriffen zu werden und die ganze Welt war einfach brutaler. Vermutlich bin ich deshalb auch so, wie ich bin. Ich bin mit Gewalt aufgewachsen, mein... Vater...", erzählte Taric und musste schlucken.

"...mein Vater hat uns immer geschlagen bei einem Fehler und wir wurden zu Kriegern erzogen. Schon früh mussten wir immer Kämpfe untereinander austragen. Den menschlichen Kriegern aus unserem Dorf waren wir schon recht früh aufgrund unserer Werwolfstärke überlegen, aber bei meinem Vater gab es immer eine Hemmschwelle. Er wirkte immer so groß und unbesiegbar. Abgesehen davon war er ein mächtiger Druide. Da hatte man keine Chance.", fuhr Taric fort.

Sora hatte keine Ahnung gehabt, dass Taric von einem Druiden abstammte. Seine Mutter musste also eine Werwölfin gewesen sein.

"Was meinem Vater allerdings an Liebe fehlte, das hatte meine Mutter in Massen für uns übrig. Obwohl sie von meinem Vater in die Ehe gezwungen wurde und mehr Sklavin, als Ehefrau war, liebte sie uns Kinder innig. Wir waren das einzig gute in ihrem Leben, wie sie immer sagte. Jeden Abend brachte sie uns ins Bett und sang uns vor. Das werden auch immer meine Lieblingslieder bleiben. Aria hat sie später dann ab und an gesungen. Aber diese Seite von sich zeigt sie nicht gerne. Ich habe die Lieder ewig nicht mehr gehört."

Tarics Blick glitt aus dem Fenster in die Dunkelheit und er verlor sich einen Moment in den Kindheitserinnerungen.

"Wie kam es dann dazu, dass du... ähm..", fragte Sora, aber es fehlten ihr die richtigen Worte.

"Dass ich zu einem Monster geworden bin?", beantwortete er Soras offenen Satz mit einem funkeln in den Augen.

"Du weißt, dass ich so nicht über dich denke.", entgegnete sie.

"Aber das solltest du. Es stimmt. Um so zu werden habe ich meinen eigenen Vater getötet und nicht nur ihn, das ganze Dorf habe ich abgeschlachtet.", sagte Taric bedrohlich.

"Dann hattest du dafür aber einen guten Grund.", protestierte Sora.

"Einen guten Grund.", wiederholte Taric und lachte auf.

"Du darfst mich nicht verteidigen. Ich wurde von meinem Vater unfair behandelt und habe dafür zig unschuldige getötet. Das ist kein guter Grund. Ich bin ein Monster und habe mich lange damit abgefunden. Aber jetzt wo du in meinem Leben bist, schäme ich mich dafür und will kein Monster mehr sein. Aber ich kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen. Deshalb kann ich nur hoffen, dass du das Monster meiner Vergangenheit akzeptieren kannst. Aber bitte leugne es nicht.", sagte Taric ernst und blickte Sora dabei fest in die Augen.

"Damit ich es akzeptieren kann, musst du mir aber die ganze Geschichte erzählen und nichts auslassen.", antwortete Sora fest entschlossen.

Sie würde Taric nicht so leicht aufgeben, nachdem was er alles für sie getan hatte. Natürlich wusste sie, dass er ein Monster war. Das waren die Vampire alle und Sora hatte schon genug kennengelernt, um das beurteilen zu können. Aber sie wollte daran glauben, dass er sich für sie geändert hatte und dass sie bei ihm sicher war.

Sie hatte keine Kraft um gegen ein weiteres Monster zu kämpfen. Zu sehr kämpfte sie mit dem Monster in sich selbst. Sie hatte getötet und einem Teil von ihr hatte es gefallen und sie mit Genugtuung erfüllt. Mit diesem Teil von sich hatte sie sich noch nicht weiter auseinandergesetzt. Aber genau dieser Teil von ihr hatte auch keine Angst vor dem Monster in Taric.

Sie fürchtete nicht seine Geschichte, sondern eher, dass die Geschichten sie nicht abschreckten. 

Die letzten Jahre hatten in ihr so eine glühende Wut entfacht, die sich tief in ihrem Inneren zusammengebraut hatte. Dieser umfassende Hass auf die Welt kam immer mal wieder an die Oberfläche und ließ Sora weiter abstumpfen.

"Ich werde dir alles erzählen, das habe ich dir versprochen. Aber bist du wirklich schon bereit dafür?"

Sora schloss ihre Augen, um den intensiven Blick zu entgehen.

"Ich fürchte nein.", antwortete sie kleinlaut. Sie musste erst ihre eigenen Schreckgespenster in den Griff bekommen, bevor sie die von Taric kennenlernte.

"Das dachte ich mir."

"Dann erzähl mir was Unverfängliches. Wie wurdest du zu einem Vampir, wenn deine Mutter ein Werwolf und dein Vater ein Druide war?", forderte Sora ihn auf.

"Mein Vater hat uns das Magie nutzen verboten, aber ich habe heimlich dem Unterricht gelauscht und geübt. Ich hatte Talent und entwickelte meine Fähigkeiten immer weiter. Als ich dann offiziell als Krieger ausgebildet war, kämpften wir gegen einen anderen Clan und dort in dem Dorf entdeckte ich Zaubermanuskripte und steckte sie heimlich ein. Ich wusste nicht, dass es sich dabei um dunkle Magie handelte. Das wirkliche Potenzial der erkannte ich erst, als meine Mutter sehr krank wurde. Ich konnte sie nicht verlieren und hätte alles für sie geopfert... Leider erwischte mich mein Vater dabei und sperrte mich weg. Auf Magieausübung von Wölfen stand die Todesstrafe und für seine Kinder machte der Häuptling natürlich auch keine Ausnahme. Die Schriften hatte er zum Glück nicht gefunden, weshalb er meine Magie gnadenlos unterschätze... Meine Mutter konnte ich nicht retten, obwohl die Zauber bereits meine Seele und meine Magie verändert hatten. Als ich geopfert werden sollte, hatte ich die Magie bereits soweit verfeinert, dass ich mich retten konnte. Aber der Preis war meine dauerhafte Veränderung in einen Vampir. Ich habe keinen Zugriff mehr auf meine Wolfseite und hatte bereits befürchtet, dass ich deshalb auch keine Mate mehr haben würde. Zum Glück lag ich damit falsch."

Taric griff nach Soras Hand und drückte sie leicht.

"Aber auch meine Magie verschwand und ich hatte nur noch begrenzte Fähigkeiten im Tausch für ein ewiges Leben." 

"Hast du den Tausch bereut?"

"Lange Zeit ja, bis ich mich dann damit abgefunden habe. Ich nutzte mein Dasein für Rache. Nicht unbedingt ein sinnvoller Zeitvertreib. Aber von daher bin ich auch nicht böse drum, wenn die Ära der Vampire endet. Auch wenn ich dann vielleicht zum ersten Mal ein normaler Mensch sein sollte."

Tarics Offenheit bedeutete Sora viel und sie lernte ihn wieder ein bisschen besser kennen. 

"Bleibst du heute Nacht bei mir?", fragte Taric und Sora nickte zaghaft. Sie mochte seine Nähe und schlief besser, wenn er bei ihr war.



Broken Mate - Der HeilungsfluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt