Kapitel 21

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Als Sora am nächsten Morgen von den Sonnenstrahlen geweckt wurde, war Taric noch immer neben ihr. Er wahrte den nötigen Abstand und bedrängte sie nicht mit seiner Nähe. Dennoch schien er in der Nacht wieder ihre Alpträume fern gehalten zu haben.

Nach den Ereignissen des letzten Tages hatte sie damit gerechnet, kaum Schlaf zu bekommen, aber nun fühlte sie sich ausgeruht.

"Guten Morgen, Sora.", begrüßte Taric sie zärtlich.

Er hatte Schatten unter seinen ohnehin schon dunklen Augen. Vermutlich war die Nacht für Taric dadurch jedoch deutlich anstrengender gewesen.

"Guten Morgen.", murmelte sie verschlafen.

"Was möchtest du heute machen? Hast du eine Idee?", fragte er gut gelaunt.

Eine Idee hatte Sora tatsächlich, aber sie war sich noch unsicher und biss deshalb nervös auf ihrer Lippe herum.

"Na los, du hast doch was. Rück schon raus damit."

"Aber das ist eine dumme Idee.", druckste Sora herum.

"Das glaube ich nicht. Du kannst mit mir über alles reden."

"Hmm... Ich habe darüber nachgedacht, wie es so für mich weitergehen soll. Ich dachte etwas Ablenkung könnte mir gut tun und naja... vielleicht könnte ich ja arbeiten gehen.", gab sie zaghaft zu.

"Arbeiten?!", fragte Taric überrascht.

"Ja, ich wusste es war eine blöde Idee."

"Nein, nein. Ich bin nur überrascht. Wieso willst du das denn?", entgegnete Taric.

"Mein Leben fühlt sich einfach so sinnlos an und ich hatte gehofft in einer regelmäßigen Beschäftigung vielleicht einen Sinn zu finden. Dann würde ich eigenes Geld verdienen und könnte mir ganz alleine etwas kaufen. Ich wäre unabhängiger.", erklärte sie leise.

"Du weißt aber, dass ich dir alles kaufe, was du willst, oder? Du kannst auch dein eigenes Konto bekommen, wenn es das ist, was du willst."

"Das wäre aber nicht dasselbe. Ich will mir das Geld verdienen."

"Glaub mir keiner verdient das Geld mehr als du, aber ich verstehe was du meinst. Allerdings wird es etwas schwierig dabei für deine Sicherheit zu garantieren.", überlegte Taric laut.

"Ja das stimmt wohl.", stimmte Sora resigniert zu.

Wie hatte sie das nur außer Acht lassen können? Kaum war es dunkel, hatte man sie immerhin im Beisein einer Vampirin der zweiten Generation angegriffen.

Wie sollte sie dann auf der Arbeit sicher sein?

"Aber ich werde mir etwas einfallen lassen. Ich möchte, dass du alles bekommst, was du willst und wenn das eine Arbeit ist, dann wirst du eben arbeiten."

Überrascht sah Sora auf und fiel Taric um den Hals. Damit hatte sie nicht gerechnet. Vielleicht würde sie wirklich irgendwann ein normales Leben führen können.

"Danke, das bedeutet mir viel."

"Was möchtest du denn gerne arbeiten?"

"Als ich mit der Schule fertig war, wollte ich immer Kellnerin werden. Das war für mich die beste Art schnell an Geld zu kommen."

"Und wenn Geld keine Rolle spielt, was würdest du dann machen wollen?"

"Hmm... ich weiß nicht. Ich habe mich nie bei einem Studium gesehen. Ich will lieber mit den Händen arbeiten. Von daher würde ich denke ich bei etwas mir vertrautem anfangen."

"Okay und wo möchtest du dann arbeiten?"

"Am liebsten in einem kleinen Café. Wo es schön familiär ist. Das ist in New York glaube ich etwas schwer zu finden."

"Wir finden bestimmt etwas Passendes. Wenn du willst können wir uns heute ja etwas umsehen.", schlug Taric vor.

"Ich glaube ich würde vorher gerne nochmal zu meinem alten Heim. Ich habe keine Dokumente mehr und die müssten noch Kopien meiner Unterlagen haben. Die werde ich für eine ordentliche Bewerbung wohl brauchen."

Taric graute es bei dem Gedanken das Verließ von Soras Kindheit kennenzulernen. Im Alltag konnte er die Schatten ihrer Vergangenheit ausblenden, aber nach den Bildern aus der letzten Nacht, fühlte er sich noch angeschlagen.

Freudig sprang Sora aus dem Bett und stürmte in ihr Ankleidezimmer.

Dann schnappte sie sich von ihrer neuen Kleidung, die schon fein säuberlich einsortiert wurde eine einfache Jeans und eine schickere weiße Bluse.

Sollte sie ein passendes Café finden, wollte sie direkt einen guten ersten Eindruck machen.

Sie griff auch zu der neugekauften Schminke und betonte ihr blauen Augen etwas.

Dann betrachtete sie sich beim Haare kämmen im Spiegel. Je weniger sie aussah, wie das Mädchen aus der Gefangenschaft, desto wohler fühlte sie sich. Es wurde Zeit für eine Veränderung. Vielleicht sollte sie heute zum Friseur gehen.

Ihre Haare waren nur notdürftig von ihr selbst geschnitten worden und waren auch für ihren Geschmack zu lang. Sie wollte einen Schnitt in den Haaren haben. Vielleicht ein Pony?

Halbwegs zufrieden verließ sie das Zimmer und traf in ihrem Raum auf den fertig angezogenen Taric. Er hatte sich ebenfalls schick angezogen und trug einen maßgeschneiderten, dunkelblauen Nadelstreifen Anzug mit einem weißen Hemd und einer passenden Krawatte.

Versonnen musterte sie den Vampir und blickte in seine schwarzen Augen. Der Anzug stand ihm sehr gut und Sora konnte kaum die Augen abwenden.

Er hatte seine schwarzen Locken mit etwas Gel gebändigt und wirkte jetzt wie ein seriöser Geschäftsmann.

Unter ihrem Blick fing sein Mundwinkel an zu zucken und als sie das registrierte, wandte sie sich schnell ab.

Zuerst aßen sie gemeinsam und stiegen dann in den bereits bereitstehenden Wagen.

Sie gab die Adresse durch und dann fuhren sie auf schnellstem Weg zu dem Ort, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte.

Doch sie spürte keine Nostalgie, sondern eher ein tiefes Unwohlsein.

Das war nie ihr Zuhause gewesen, in der kurzen Zeit bei Taric hatte sie sich schon deutlich mehr Zuhause gefühlt.

Mit dem Heim verband sie keine schönen Erinnerungen, aber sie waren immerhin schöner, als die Erinnerungen, die danach folgten.

Sie würde nur kurz im Sekretariat ihre Unterlagen holen und dann würde sie diesen Ort hoffentlich für immer hinter sich lassen.

Als sie das triste Backsteingebäude betrachtete, wurde sie mit Erinnerungen ihrer Kindheit überflutet.

Die grünen Fensterrahmen offenbarten so viele Erinnerungen, die Sora schon verdrängt hatte.

Nervös knetete sie ihre zitternden Finger, bis Taric nach ihrer eiskalten Hand griff.

"Du kehrst nicht alleine zurück. All der Schmerz liegt in deiner Vergangenheit. Jetzt wird dir keiner mehr was tun können."

Dabei blickte er ihr ernsthaft in die blauen Augen und Sora senkte ihre Lider.

"Ich bin bei dir. Du schaffst das."

Dann stiegen sie beide aus.

Broken Mate - Der HeilungsfluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt