Als sie durch die großen, grünen Flügeltüren traten, hüllte sie der unangenehme, schweißige Geruch völlig ein.
Für Sora hatte sich in all den Jahren nichts verändert. Das Mobiliar war noch immer noch ausgetauscht worden und erinnerte an die Nachkriegszeit.
Natürlich hatte es dem Heim, wie jeder humanitären Einrichtung stets an Geld gefehlt und so konnte man sich eben nicht mehr Luxus leisten. Sie gingen in den ersten Stock und Bogen einmal rechts um die Ecke zum Sekretariat.
"Sora, so sieht man sich also wieder.", rief ein hagerer Mann im Blaumann.
Sora kannte ihn und bevorzugte es jedoch ihn zu ignorieren.
"Wartest du hier, dann hole ich alle Unterlagen, okay?", fragte sie an Taric gewandt, der nur verdutzt nickte.
Dann verschwand sie hinter der schlichten Holztür mit der roten Aufschrift 'Sekretariat'.
Taric hingegen nahm sich die Zeit und musterte den hageren Typen, der sich immer weiter näherte.
"Biste ihr Makker?", fragte er aufdringlich.
Taric beschloss jedoch ihn, wie Sora es auch getan hatte, zu ignorieren.
"Ich kenne sie noch von früher. Wir hatten Zimmer im gleichen Trakt. War schon ne hübsche, nur ein bisschen verrückt die Kleine."
"Ich würde an deiner Stelle besser aufpassen, was du über sie sagst.", warnte Taric selbstbeherrscht.
Hätte er am Abend zuvor nicht das Gespräch mit Sora gehabt, hätte er dem Kerl alleine für die Aussage schon die Zunge herausgerissen.
"Ach ich verstehe schon. Die Irren sind auch krass im Bett. Wir verstehen uns schon.", säuselte der Typ mit vor Lust verdunkelten Augen
Das jedoch reichte Taric und brachte seinen ohnehin kurzen Geduldsfaden zum reißen.
Ohne zu zögern trat er seinem Gegenüber gegen das Schienbein und brach es damit durch.
Überrascht schrie der Jüngling auf und Taric verpasste ihm noch einen ordentlich Kinnhaken, ehe er seine Gedanken dahingehend manipulierte, dass er alles vergaß und nie wieder eine Frau ansprechen oder anrühren würde.
Dann schickte er ihn fort und wartete weiter auf Sora.
Das Blut an seinen Händen wischte er an seinem Einstecktuch ab, ehe er es wegwarf.
Blut von solch ekelerregenden Menschen schmeckte auch genauso. Deshalb bevorzugte er schon seit Jahren das Blut von Unschuldigen Seelen, was jedoch nicht gerade für ihn sprach.
Als Sora aus dem Sekretariat kam, bemerkte sie nichts von dem, was in der Zwischenzeit geschehen war.
Der Tag neigte nach dem ausgiebigen Schlaf schon langsam dem Ende, aber Taric wollte noch die Zeit etwas nutzen.
"Hast du Lust noch etwas Essen zu gehen?", fragte er hoffnungslos und Sora freute sich über die Einladung.
Sie verspürte tatsächlich nach dem aufwühlenden Besuch etwas Hunger.
"Hast du denn alle nötigen Unterlagen bekommen?", fragte Taric, während sie ein Restaurant in der Nähe aufsuchten.
"Die Meisten. Einige Sachen muss ich jedoch neu beantragen. Das könnte also noch eine Weile dauern, je nachdem, was mein Arbeitgeber alles benötigte."
Sora lächelte. Das war das erste normale Gespräch seit Jahren. Es ging nicht über irgendwelche übernatürlichen Wesen, sondern um ihre Bewerbung.
Während einem ausgiebigen Abendessen in einem Lokal, vertieften sie die normalen Gespräche und Sora genoss das sehr. Es war wie ein wirkliches Date mit einem normalen Menschen. Sie sprachen über Lieblingsfilme, Reisen und Arbeit.
"Du hast wirklich mal als Ornithologe gearbeitet?!", fragte Sora begeistert.
"Ich hatte halt eine Phase, wo ich mich sehr für Vögel interessiert habe.", verteidigte sich Taric lachend.
"Das ist wirklich fantastisch. Ich habe Biologie immer gehasst. Selbst bei meinem Abschluss hatte ich noch eine vier in dem Fach.", kommentierte Sora lachend.
"Oh ich kann dir ganz viel Nachhilfe in den Dingen geben, wenn du das willst.", bot Taric an und grinste.
"Da verzichte ich. Erzähl mir von weiteren Berufen.", forderte Sora gespannt.
Sora fühlte sich so wohl und hatte jegliche Angst vor ihrem Gegenüber verloren. Sie bestellten Pizza und Sora konnte sich nicht erinnern, wann sie schonmal so eine leckere Pizza gegessen hatte.
"Oh die ist so unglaublich lecker.", schwärmte sie.
"Ich muss dir einmal Italien zeigen. Da gibt es Pizzen, die noch leckerer sind. Das würde dir dort bestimmt gefallen."
"Das kann ich mir kaum vorstellen. Die ist so gut."
"Oh glaub mir, Sora. Auf dich wartet noch eine ganze Welt. Ich werde dir die schönsten Orte zeigen. Ab jetzt beginnt dein neues, tolles Leben."
"Das ist sehr gefährlich, was du machst.", merkte Sora an.
"Wieso?", fragte Taric verdutzt.
"Ich habe wieder Hoffnung und ich glaube wenn die wieder zerstört wird, bricht mich das endgültig."
Davor hatte Sora am meisten Angst. Weiter Enttäuschungen würden ihr wieder den Boden unter den Füßen nehmen. Sie bekam gerade so viel geschenkt und gewöhnte sich Stück für Stück wieder an einen gewissen Standard. Sollte das alles wieder verloren gehen, währe der Rückschritt für sie fatal. Das würde sie nicht nochmal durchstehen. Sie hatte bereits unmenschliches überstanden, aber ihr Körper und ihre Seele waren am Ende.
Als sie das Essen fast beendet hatten, wurde das Klavier in der hinteren Ecke bespielt und eine Sängerin stimmte dazu ein passendes Lied an.
Begeistert blickte Sora zu Taric, der sie wissend anlächelte.
"Ich werde nicht zulassen, dass du gebrochen wirst."
Gebannt lauschte Sora die Musik und genoss den entspannten Abend. Taric hingegen beobachtete lieber Sora, die so fasziniert der Musik folgte.
Sie empfand bei den einfachsten Dingen das größte Glück und das machte Taric zugleich glücklich, aber auch traurig. Er liebte es sie lachen zu sehen, aber er wusste auch, dass sie die kleinen Dinge so sehr schätzte, weil sie ihr jahrelang gefehlt hatten. Er musste bei ihr besonders vorsichtig sein
Sora lauschte der Melodie bis auch der letzte Ton verklungen war und applaudierte als einzige im Raum. Doch das war ihr völlig egal. Die beiden Musiker hatten ihr einen unvergesslichen Abend geschenkt und dafür war sie dankbar.
"Ich hoffe der Tag verlief so, wie du es dir erhofft hattest."
"Nein, ich bin wirklich positiv überrascht. Ich hatte ehrlich nicht mit einem so herrlich normalen Abend gerechnet. Es war wirklich schön.", schwärmte Sora.
Taric zahlte noch die Rechnung, während Sora sich ihren Mantel schnappte und schon einmal vor die Tür trat um frische Luft zu schnappen.
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Broken Mate - Der Heilungsfluch
VampireSeit ihrem 18. Geburtstag ist Soras Leben ein Albtraum. Gefangen und gefoltert von übernatürlichen Kreaturen, die ihr Blut begehren - Blut, das die Macht besitzt, Vampire in Menschen zu verwandeln. Gebrochen und ohne Hoffnung wünscht sie sich nur...