Kapitel 31

302 18 0
                                    

Erstaunlicherweise gewöhnte sich Sora sehr schnell an den neuen Alltag und schon am zweiten Tag schmerzen weder ihre Füße, noch ihr Rücken.

Rasant gewann sie an Kondition und Stärke und spürte, wie das ihrem angeschlagenen Körper gut tat.

Mit der Zeit wurden aus den Kollegen sogar Freunde und vor allem Matteo wollte Sora nicht mehr missen.

Mit seiner humorvollen Art zauberte er ihr immer wieder ein Lächeln auf die Lippen.

Maya hatte Sora sofort ins Herz geschlossen und sorgte sich immer darum, dass Sora auch genug zu essen bekam.

Die aufregende Einarbeitungszeit wurde zum Alltag und Sora hätte sich nichts schöneres vorstellen können.

Die Arbeit gab ihrem Leben einen Sinn und sie fühlte sie nützlich und nicht wie eine Schmarotzerin.

Zwar weigerte sich Taric auch nur einen Cent von ihr anzunehmen, aber so konnte sich Sora selbst auch mal etwas ohne schlechtem Gewissen gönnen.

Von ihrer ersten Trinkgeldauszahlung kaufte sie sich den ersten Harry Potter Band. Sie hatte sich als Teenager immer gewünscht dabei mitreden zu können und etliche Jahre später konnte sie den Hype nachvollziehen. Kaum hatte sie den ersten Band verschlungen, folgten die nächsten Bücher.

Sora hatte Ewigkeiten nicht mehr gelesen und stellte fest, dass sie dieses Gefühl wirklich vermisst hatte.

Ansonsten verbrachte sie jede freie Minute mit Taric, oder seinen Geschwistern.

Sie waren auch zu ihrer Familie geworden und Sora hatte sie alle in ihr Herz geschlossen. Selbst die mürrisch wirkende Aria.

Tatsächlich verstand diese am meisten das Leid, was Sora durchlebt hatte. Auch wenn sie nie darüber sprachen, konnte Sora den Schmerz in ihren Augen erkennen.

Es war derselbe Schmerz, der auch in ihren eigenen Augen zu finden war.

Trotz der Hölle, die sie durchlebt hatte, konnte Sora kaum glauben, wie sich ihr Leben verändert hatte.
Das hatte sie nur Taric zu verdanken und er machte jeden Moment lebenswert.

Zwar würde sie nicht so weit gehen zu sagen, dass es das alles wert war, aber sie hatte mit ihrer Vergangenheit einen brüchigen Frieden geschlossen.

Sie konzentrierte sich auf dir Gegenwart und verdrängte alles, was mit ihrer Vergangenheit zu tun hatte.

Langsam spürte sie auch die flatternden Gefühle in ihrem Bauch und in der Brust. Sie konnte nicht mehr leugnen, dass es keine Angst, sondern Liebe war.

Klammheimlich hatte sich Taric in ihr Herz geschlichen, aber sie war noch nicht bereit das auch zuzugeben. Zu groß war die Angst, dass alles verschwand, sobald sie es laut aussprach. Außerdem hatte er immer noch eine Seite an sich, die sie sich weigerte kennenzulernen.

Seine Vergangenheit würde sie an ihre erinnern und so ließen sie die großen Probleme unangesprochen.

Sora wusste jedoch, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Tag für Tag verschob sie das Gespräch jedoch an die Sora vom nächsten Tag, um den Moment weiter genießen zu können.

"Worüber grübelst du wieder nach?", fragte Matteo, der vor der Umkleide auf Sora wartete.

"Ach nichts.", beeilte sie Sora zu sagen und zog sich ihren dicken, beigen Wintermantel über die Schultern.

"Können wir los?"

"Ja sicher."

Sora warf sich noch ihren blauen Schal um den Hals und folgte dann Matteo nach draußen, während sie sich von allen verabschiedeten.

Maya vermutete ja, dass zwischen den Beiden etwas lief und egal wie oft es Sora dementierte, ließ sie sich doch nicht davon abbringen.

"Wieso warst du heute eigentlich so ungesprächig? So stressig war es doch ausnahmsweise gar nicht.", fragte Sora vor der Tür.

"Ich war nicht gestresst, sondern konzentriert.", korrigierte Matteo.

"Wieso warst du konzentriert? Ich dachte du könntest Kaffee im Schlaf zubereiten.", zog Sora ihn auf.

"Und wie ich das kann! Das werde ich dir noch beweisen.", sagte Matteo selbstsicher.

"Aber wir hatten heute Besuch von einem Werwolf.", setze er leise nach.

"EIN WER..", rief Sora überrascht auf und schlug sich dann selbst eine Hand vor den Mund.

"Schht!",rügte Matteo sie.

"Wer?"

"Der Mann im karierten Hemd.", raunte Matteo finster.

"Der war wirklich lange da.", überlegte Sora laut.

"Ja deswegen habe ich ihn auch genau beobachtet. Ich werde da später einmal mit Taric drüber sprechen müssen."

"Wieso hast du mir nichts gesagt?", fragte Sora vorwurfsvoll.

"Ich wollte nicht, dass du dich anders verhälst. Das wäre auffällig gewesen. Aber du warst zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, das verspreche ich dir."

Brummend nahm Sora seine Antwort zur Kenntnis und grübelte.

"Du hasst Werwölfe wirklich.", bemerkte sie dann.

"Das stimmt wohl. Hat mit meiner Geschichte zu tun. Was hat Taric dir darüber erzählt?"

"Er meinte ich solle dich selbst fragen."

Matteo zog zweifelnd eine Augenbraue hoch, gab sich dann aber doch mit der Antwort zufrieden.

"Meine Mutter war ein Werwolf und hatte sich in meinen Vater verliebt... Sie waren wirklich glücklich und meine Mutter wurde schwanger. Als ich etwa fünf Jahre alt war, wurde jedoch unser Dorf angegriffen und zufälligerweise war unter den Angreifern der Seeelenverwandte meiner Mutter. Im selben Atemzug, als er meine Mutter erkannte, tötete er meinen Vater..."

Matteos Augen waren vor Zorn ganz dunkel und Sora konnte erkennen, dass der Schmerz darüber noch immer tief saß. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sein musste das Elternteil vor seinen eigenen Augen zu verlieren.

"Danach fiel sein Blick auf mich und er wollte auch mich töten. Meine Mutter setzte sich zwar für mich ein, aber sobald das Band mit ihrem Seelenverwandten vervollständigt war, endete auch ihre Liebe für mich. Sie ertrug mich, während ihr neuer Mann seinen ganzen Frust an mir ausließ. Ich bekam weitere Geschwister, die natürlich größer und stärker als reinrassige Werwölfe waren und mich das ebenfalls spüren ließen. Jeder im Dorf hasste mich und wäre Taric nicht gekommen, hätte ich mein 15. Lebensjahr vermutlich nicht überlebt."

Sora griff nach seiner kalten Hand und drückte sie mitfühlend.

"Das tut mir so leid."

"Das muss es nicht. Als Taric mich zu einem Vampir gemacht hatte, habe ich meine Rache bekommen. Seitdem bin ich nicht mehr unterlegen und schwach. Ich verdanke Taric alles."

Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen und Sora wusste nur zu gut, dass Rache nicht half die Wunden zu heilen. Man fühlte sich danach nur schmutzig und leer.

Doch sie wollte keine Wunden aufreißen und schwieg stattdessen. Es war keine unangenehme Stille und jeder versank in seine eigenen Erinnerungen.

Broken Mate - Der HeilungsfluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt