Kapitel 4

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H A R R Y

Siebzehn Jahre alt

Ich hasse Schultage. Vor allem die langen. Oder noch schlimmer: Die Stunden, in denen ich mit den Badboys in demselben Mathekurs sitze oder mit ihnen Sportunterricht habe. Der einzige Vorteil, den ich dadurch erlange, ist, dass ich Louis Tomlinson ansehen kann. Ich verbringe die gesamte Stunde damit, über seine Perfektion zu geifern. Dementsprechend schlecht ist meine Mathenote. Brexon sagt mir immer, ich solle mich endlich auf meine Mathenote konzentrieren, da ich für Louis Tomlinson sowieso unsichtbar bin. Damit hat er einen richtigen und leider wunden Punkt getroffen, allerdings ändert das nichts an der Tatsache, dass ich ihn mag. Vielleicht sogar einen kleinen Crush auf ihn habe.

Heute ist Donnerstag. Donnerstag bedeutet Matheunterricht. Matheunterricht bedeutet Tomlinson. Niemand muss wissen, dass ich mir jeden Donnerstagmorgen mehr Mühe als nötig vor dem Spiegel gebe, als nötig. Schließlich wird er mich sowieso nicht bemerken. Mein Bauch kribbelt dann immer ein wenig, wenn ich mich anziehe.

„Ich sehe schon, du hast dich mal wieder herausgeputzt.", begrüßt Brexon mich auf dem Schulhof und zieht mich in eine feste Umarmung.

Ich nicke eifrig. „Natürlich. Heute ist Donnerstag." Mein Blick schweift über das Gelände und bleibt bei Louis hängen. Er trägt eine schwarze Cargohose und einen schwarzen Hoodie. Darüber hat er eine Collegejacke mit weißen Ärmeln gelegt. „Wow", hauche ich und mein Mund steht einen Spalt offen. Er ist wunderschön.

Er hatte immer etwas Kuscheliges an sich. Jedes Mal, wenn ich ihn in einem Kapuzenpulli sah, verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, zu ihm zu rennen und mich in seine Arme zu schmiegen, nur um ein Gefühl seiner Wärme zu bekommen. Natürlich habe ich es bis zu diesem Tag nicht gemacht. Die seltsamen Blicke, die ich für diese Aktion zweifellos hätte ernten müssen, möchte ich mir erst gar nicht ausmalen.

„Mach den Mund zu, bevor du Fliegen fängst.", sagt mein bester Freund und klappt meine Kinnlade mit seiner Hand hoch. Ich löse widerwillig meinen Blick von Louis und betrachte Brexon. Wieso muss er mein Starren immer unterbrechen? Kann ich nicht einmal eine Sekunde lang seine Schönheit bewundern? „Na los, Harry. Du hast Unterricht mit Loverboy." Er zwinkert mir spielerisch zu.

Ich knurre leise. Louis' Hand ist mit der von Miles Steeles verflochten. Sie stehen da, umringt von den anderen beliebten Jungs. Den Badboys. Ich hegte einen tiefen Groll gegen sie, denn aufgrund meiner sexuellen Orientierung hatten sie mich zum Ziel ihrer Schikanen gemacht. Sie sind der Inbegriff einer laufenden Doppelmoral. Doch seltsamerweise wagten sie es nie, ihr gehässiges Treiben in Louis' Beisein fortzusetzen.

Als ich wieder zu ihnen sehe, knutschen Louis und Miles und fressen sich buchstäblich gegenseitig das Gesicht auf. Wenn ich mir das ansehe, befürchte ich, dass einige Zungen rollen werden, weil sie tief in ihren Mündern versteckt sind. Was, wenn sie sie abbeißen? Enttäuscht seufze ich. Aber was mache ich mir vor? Ich hätte niemals eine Chance bei Louis.

Miles ist perfekt für ihn. Beliebt. Hübsch. Reich. Und ich? Ich lebe in dem Armenviertel der Stadt, habe niemanden außer Brexon und bin allerhöchstens durchschnittlich schön.

„Wir sehen uns später.", flüstert mir Brexon zu, als sich unsere Wege vor dem Klassenraum meiner Mathelehrerin trennen.

Ich nicke. „Ich komme dich abholen.", verspreche ich. Dann geht er. Ich setze mich auf meinen Platz in der vorletzten Reihe und krame mein Buch und mein Heft samt Federmäppchen aus. Die meisten Schüler warten bereits darauf, dass Mrs. Nelson ihren Unterricht beginnt. Einige schnattern mit ihren Sitznachbarn. Die Möglichkeit bleibt mir verwehrt, da ich niemanden neben mir sitzen habe. Immerhin bin ich die Schwuchtel. Wer würde mit jemandem wie mir abhängen wollen?

Echoes Of Yesterday - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt