Kapitel 14

146 29 5
                                    

L O U I S

Siebzehn Jahre alt

Allmählich wird es gruselig.

Jeden Donnerstag liegt ein Gedicht, ein Schnipsel eines Liedtextes, oder ein Brief in meinem Spind. Die Worte sind süß, beinahe herzzerreißend, aber das waren sie nur solange, bis mir bewusst wurde, dass sie nicht von der Person kamen, die ich so sehr liebe. Miles schreibt diese Papiere nicht. Ich kenne diese Person nicht.

Baby, you look happier, you do
I knew one day you'd fall for someone new
But if he breaks your heart like lovers do
Just know that I'll be waiting here for you

Es ist von Ed Sheerans ‚Happier'. Dieser Text verwirrt mich nur noch mehr, weil es keinen Sinn ergibt. Warum sollte ich glücklicher wirken? Warum sollte ich mich neu verlieben und mein Herz brechen lassen? Wer zum Teufel wartet auf mich? Wenn es nicht Miles ist, der diese Briefe schreibt, wer dann?

Ich stecke den Zettel wie gewohnt in meine Hosentasche, um ihn zu Hause in meiner Box aufzubewahren. Mein Blick scannt durch mein Umfeld. Niemand, der sich verdächtig verhält und ausgesprochen auffällig in meine Richtung sieht. Vielleicht ist die Person nach all den Wochen bereits müde geworden, mich zu beobachten.

Ich bringe den Tag mit Ach und Krach hinter mich. Der Unterricht ist verdammt langweilig, ich werde zum Nachsitzen verdonnert, weil ich lieber mit dem Handy spiele, als die Matheformeln abzuschreiben und Miles liegt krank zu Hause und lässt mich mit Aiden und Avery alleine. Sogar der Sportunterricht geht mir gegen den Strich, weil unsere Thematik Ballett ist. Ballett! Ich kann keine zwei Schritte geradeaus gehen, ohne zu stolpern, und dann soll ich eine Pirouette, Tendu und einen Sus-sous machen. Nicht in diesem Leben.

Miles benimmt sich in den letzten Tagen zunehmen abweisend. Ob es an den Zetteln liegt? Ich entscheide mich dagegen, ihn zu besuchen, da er meine Anwesenheit scheinbar nicht allzu wertschätzend scheint und verbringe meine Zeit mitlesen.

Die Briefe beschäftigen mich.

Sind sie überhaupt ernst gemeint, oder versucht jemand ein Spiel mit mir zu treiben? Wer hätte Interesse daran?

Wenn sie allerdings ernst gemeint sind, wer hat die Ausdauer, mir dauernd zu sagen, wie sehr er mich wertschätzt und in mich verknallt ist? Wäre es nicht viel leichter, es mir Tête-à-tête zu sagen? Ich nage an meiner Unterlippe, als ich die Papierbox unter meinem Bett hervorhole. Ich nehme den Deckel vorsichtig ab, puste über die Oberfläche, um den Staub fliegen zu lassen und setze sie ab.

Nach und nach ziehe ich einen Zettel hervor, lese ihn mir durch und versuche zwischen den Zeilen zu lesen. Ich habe die Hoffnung, die Person würde sich mit einer falschen Silbe verraten. Kurzzeitig hatte ich sogar Aiden und Avery in Verdacht, aber so sind sie nicht. Sie verschwenden ihre Zeit nicht mit Liebesgedöns. Sie würde sich nicht die Mühe machen, Liebesgeständnisse zu faken.

Love is a game, that two can play and both can win. But at revenge one gets hurt.

Ein riesiges Fragezeichen schwebt über meinem Kopf wie ein Heiligenschein. Ein Gedanke blitzt durch meine Hirnzellen, die meine Aufmerksamkeit erregt. Was ist, wenn all diese Briefe und Texte eine Warnung sind? Ein Hinweis, dass diese Person möchte, dass Miles und ich kein gutes Ende nehmen werden?

Wieso tauchen diese Briefe genau dann auf, wenn es schlecht läuft?

He loves him more than he'll ever know. And he loves him more than he could ever show.

Das eine He ist in Rot markiert, während das zweite in Blau ist. Mein Kopf schreit HÄÄÄ?!, will dieses Rätsel um die ominösen Briefe lösen, andererseits habe ich Angst, dass dahinter mehr stecken könnte. Eine größere Bedeutung. Vielleicht eine Drohung, die in netten, süß umhüllte Worten verpackt worden ist.

Mein Handy vibriert auf meinem Schoss.

Miles<3: Hey Babe, du hast dich den ganzen Tag nicht gemeldet:( Ich habe gehofft, du würdest vorbeikommen...

Ich habe nicht gedacht, dass du mich da haben möchtest...

Louis: Du gibst mir in letzter Zeit nicht unbedingt das Gefühl, dass ich bei dir willkommen bin. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann ist jetzt deine Chance.

Zu keinem Zeitpunkt in der Beziehung habe ich versucht einen Streit vom Zaun zu brechen. Es war immer Miles, der Streitigkeiten ausgelöst hat und mich beleidigt und ignoriert hat. Aber sein Verhalten der letzten Tage ging mir dermaßen gegen den Strich. Ich will mich nicht länger, nicht zurückhalten.

Miles<3: Babeee...:( Die Schule ist nur so stressig. Es war nicht richtig, es an dir auszulassen.

Louis: O.k.

Ich bin sauer. Punkt.

Miles<3: Jetzt sei nicht so ein Sturkopf. Ich habe mich doch entschuldigt.

Louis: Genau genommen hast du dich nur reflektiert, aber dich nicht für dein Verhalten bei mir entschuldigt.

Miles<3: Okay, bitte... ich entschuldige dich aufrichtig aus dem tiefsten meines Herzens bei dir und werde nie wieder einen Fehler begehen.

Klar. Nie wieder einen Fehler begehen. Okaaay.

Louis: Miles, das Kindergartenkind, has entered the chat. Melde dich bei mir, wenn du deine Entschuldigung wirklich aufrichtig meinst.

Miles<3: Du bist kindisch, weil du keine Entschuldigung annehmen kannst.

Um noch kindischer zu sein, klicke ich auf seinen Kontaktnamen und lösche die letzten zwei Zeichen. Fuck him.

Louis: Wie immer. Du begehst einen Fehler und wälzt es auf mich ab. Ich kann nichts dafür, wenn du launisch bist.

Miles: Ich bin nicht launisch. Ich bin krank. Danke für dein Verständnis, Kumpel.

Wir sind zusammen. Er nennt mich Kumpel.

In einer Beziehung gefriendzoned werden? Autsch.

Louis: O.K. Bye.

Ich schalte mein Handy aus, schmeiße die Zettel unsortiert in die Box zurück und lagere sie unter meinem Bett. Ich greife nach meinem Tablet und lasse eine Serie laufen.

Ich habe keine Lust, mich mit Miles Stimmungsschwankungen zu befassen, wenn ich Sinnvolleres tun kann.


***


Seit diesem Tag habe ich versucht, besser zu werden. Für ihn. Ich habe versucht, das zu sein, was er wollte. Und ich habe es versucht und versucht, immer und immer wieder, aber ich wusste nicht, was ich tun musste, um besser zu sein.

Es war nur so, dass unsere Seelen nicht dieselbe Sprache sprachen. Ich hätte ein ganzes Leben damit verbringen können, herauszufinden, was er wollte, aber es hätte nie funktioniert, weil seine Seele schrie, während meine flüsterte. Ich schwamm durch die Ozeane auf der Suche nach ihm, während er über die Berge lief und sich unter den Bäumen versteckte. Ich liebte, während er mit uns abschloss.

Ich sah ihn an, und etwas in seinen Augen hatte sich verändert. Da wurde mir klar, dass ich ihn verlor. Es war ein langsamer Prozess, der beinahe unmerklich voranschritt. Es war die Art und Weise, wie seine Augen nicht immer auf mich gerichtet waren, sobald ich einen Raum betrat. Die Art, wie sein Gesicht sein Funkeln verlor, wenn ich ihn anlächelte. Die Art, wie er weniger emotional wurde, wenn ich ihn küsste. Es war langsam, aber das bedeutete nicht, dass es den Schmerz milderte.

Und vielleicht war der Zeitpunkt, an dem ich aufhörte, es zu versuchen, der Punkt, an dem ich erkannte, dass, egal wie sehr ich mich bemühe, mich zum Besseren zu verändern, es nicht genug sein würde, weil ich einfach nicht das bin, was er wollte.


Da das Kapitel sehr kurz ist, kommt heute Abend noch eines:)


Echoes Of Yesterday - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt