Kapitel 15

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L O U I S

Mein Vater wuchs an der Biscayne Bay auf und lebte in einer Fischerfamilie. Mit fünfzehn begann er seinem Vater beim Angeln auszuhelfen und bereitete die Fische im Geschäft seiner Mutter für den Verkauf zu. Als er zwanzig wurde, starb sein Vater und die Fischerei Tomlinson schloss für eine geraume Zeit. Dad absolvierte sein Studium und entschied sich, die Fischerei zu übernehmen. Er sanierte das Geschäft, polierte die Geräte und eröffnete eine Fischtour für Touristen.

Seine Geschäftsidee blühte auf. Die Einheimischen kauften den Fisch, die Touristen begleiteten ihn auf den Angeltouren. Meine Mutter war fünfundzwanzig, als sie Urlaub an der Biscayne Bay machte und Dad auf einer Fischtour kennenlernte. Sie erzählten mir immer, dass es Liebe auf den ersten Blick war. „Es hat einfach Klick gemacht.". Nach einer langwierigen, schweren Fernbeziehung zog Mum einen Schlussstrich. Sie hielt die Entfernung nicht aus, all die Meilen zwischen ihnen gingen ihr durch den Kopf. Ein Jahr lang hatten sie keinen Kontakt. Funkstille. Und dann stand Mum vor Dads Tür. Zwei Koffer. Einen Rucksack.

„Willst du mich noch immer?", soll sie gefragt haben.

Dad blieb still, zog sie in seine Arme und küsste ihren Haarschopf. „Ich könnte dich niemals nicht wollen." Es sollte der Anfang einer Liebesgeschichte sein.

Zwei Jahre später standen sie unter der Haube. Mum war mit mir schwanger. Nach einigen Jahren entschieden sie sich für ein zweites Kind. Meadow kam zur Welt. Mum beschrieb unser Familienleben als sorglos und frei. Das Geschäft, in das Mum nach dem Tod von Dads Mutter einstieg, lief einwandfrei, sie verdienten genug Geld und liebten sich wie am ersten Tag.

Als ich fünfzehn wurde, rief man mich aus der Schule. Dad hatte einen Unfall auf der See. Ich bestellte ein Taxi und fuhr ins Krankenhaus. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was mich erwarten würde. Vielleicht eine offene Wunde, weil er sich an einer Angel verletzt hat, oder eine Unterkühlung, weil er ins Wasser gefallen ist. Aber das war eine Traumvorstellung.

Dads Leben hing am seidenen Faden. Er hatte sein rechtes Bein und seinen rechten Arm verloren. Sein linkes Bein war gebrochen, genau wie seine Halswirbel. Mum saß auf dem knarzigen Holzstuhl neben seinem Krankenhausbett und hielt seine Hand. Dad schaffte es kaum, die Augenlider offen zu halten. Immer wieder fielen sie zu, als wäre die Welt zu viel für ihn, zu ertragen.

Als ich Mum fragte, was geschehen sei, schwieg sie. Dad war nicht ansprechbar. Meadow war jung und spielte im Kinderzimmer der Station, um sie von Dads Zustand abzulenken. Ich suchte eine Krankenschwester, ließ mir einen Arzt rufen.

Haiangriff.

Der Bullenhai stieß das Boot um, Dad und sein bester Kumpel fielen ins Wasser und während Dads Freund es schaffte, auf den Rumpf zu klettern, und sich vor einem Unfall zu bewahren, erfasste der Bullenhai Dad. Eine Schwimmweste mit Pfeife schwamm in der Nähe des Boots, weshalb Dads Kumpel pfiff. Ein benachbartes Schiff eilte zur Hilfe, doch der Bullenhai hatte Dad bereits angegriffen. Durch eine Reanimation konnte Dad noch ins Krankenhaus geliefert werden, aber er verstarb kurze Zeit später in seinem Krankenhausbett.

Er hat darum gebeten, dass das Geschäft in der Familie bleibt, doch Meadows und meine Träume lagen in einem anderen Job. Manche Vergangenheiten sind besser in wundervollen, traurigen Geschichten aufgehoben, die von Generation zu Generation weitererzählt werden. So wie Mums und Dads Geschichte.

„Es tut einfach weh, weißt du?", sagte ich Miles, als ich wenige Tage später in seinen Armen lag und an die Decke starrte. Zum ersten Mal verspürte ich, was es heißt, leer zu sein. Fuck, keine einzige Träne verließ meine Augen. Ich konnte nicht trauern, weil mir die ganze Welt wie ein verdammter Traum vorkam. Es spielte wie in Slow Motion an mir vorbei.

Echoes Of Yesterday - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt