Kapitel 28

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H A R R Y

Es ist okay.

Zumindest ist es das, was ich mir seit einigen Tagen einzureden versuche.

Es ist okay, dass Louis es langsam angehen möchte. Dennoch habe ich gehofft, dass er mir ein wenig mehr Zuneigung schenkt, dass er vielleicht wahllos auf mich zukommt und mich umarmt, oder meine Hand flüchtig berührt.

Ich habe mich getäuscht.

Langsam bedeutet in Louis' Sprache: Faultier.

In anderen Worten: Louis ist auf Energiesparmodus, besser gesagt auf Zuneigungssparmodus. Er geht mir nicht aus dem Weg, aber es hat sich zwischen uns nichts geändert. Wir benehmen uns wie Freunde.

Meadow beharrt darauf, dass es Part seines Loslassenprozesses ist. Louis sei noch nie gut mit neuen Situationen umgegangen und braucht Zeit, um sich an mich und die neuen Umstände zu gewöhnen. Also gebe ich ihm die Zeit, verzichte auf Berührungen und Umarmungen und warte auf ihn.

Es ist okay, weil ich auf ihn warte, seitdem ich ein junger Jugendlicher bin. Ein paar Wochen tun nicht weh.

Wobei das eine Lüge ist. Sie tun verdammt weh, weil ich nun weiß, dass ich mit ihm sein könnte, ihn spüren und berühren, sogar küssen könnte.

Ich kremple den Ärmel meines dünnen Longsleeves hoch und stopfe es in den beigen Hosenbund. Meadow und Louis sind bei ihrer Mum und verbringen den Nachmittag bei ihr. Ich hingegen hänge verloren im Bungalow herum. Ich habe bereits mein Zimmer aufgeräumt und das Bett neu überzogen, das Badezimmer geputzt und die Wäsche gewaschen.

Sie haben mir angeboten, mitzufahren, aber ich habe abgelehnt. Ich möchte mich Louis nicht aufdringen und ihm den Freiraum geben. Vielleicht benötigt er den Tag – nur seine Familie und er.

Als die Abenddämmerung an der Biscayne Bay einbricht, schlüpfe ich in eine Badehose und begebe mich in den Garten. Am Abend Bahnen im Pool zu ziehen, während die Tageswärme auf dem Wasser steht, ist das befreiende Gefühl. Ich stelle mich unter die Außendusche und lasse das Wasser in kleinen Rinnsalen über meinen nackten Oberkörper laufen.

Ich deponiere das Handtuch auf eine der Liegen und springe mit einem perfekt vollzogenen Kopfsprung ins Wasser. Sobald das kalte Nass meinen Körper umgibt, vergesse ich Raum und Zeit. Es ist wie mit Büchern. Sobald ich die Seiten aufschlage, tauche ich in eine neue Welt ein und wenn ich mich einmal in diesem Gefangen befinde, scheint es, als wäre ich wie hypnotisiert. Doch sobald ich wieder in die Realität kehre, werde ich von all dem Regen und Gewitter in Empfang genommen, der in meinem Traumgewand nicht existiert.

In diesem Gefangen rede ich mir nicht ein, dass es okay sei, noch länger auf Louis zu warten. Er weiß, dass ich auf ihn warten würde... immer. Doch was ist, wenn ich vergebens warte? Wenn ich all die Jahre umsonst durch diesen Herzschmerz gegangen bin? Wenn ich weiterhin alles für ihn geben würde und ich niemals etwas davon zurückbekommen würde, weil sein Herz sich nicht für mich öffnen kann?

Ich lache leise vor mich hin, wodurch Blase das Wasser hinaufsteigen. Damals war ich ein verdammter Creep. Mein Herz flatterte jedes Mal, wenn Lou etwas tat. Zum Beispiel seine Schuhe zubinden oder seinen Spind öffnen. Das ließ mein Herz innerhalb einer Sekunde höherschlagen, einfach weil er es war.

Er hätte meinem siebzehnjährigen Ich sagen können, dass ich mein ganzes Leben auf ihn warten soll, und ich hätte es getan, weil ich verrückt nach ihm war. Nach seinem Lächeln und seinem Geruch. Nach seiner Stimme und seinen Augen.

Er war schon immer das, was ich wollte. Aber ich war nicht das, was er wollte. Das bin ich noch immer nicht, weil er Miles will. Schlussfolgernd: Ich bin seine zweite Option und wenn ich ehrlich bin, verdiene ich mehr, als nur eine zweite Option zu sein.

Echoes Of Yesterday - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt