Kapitel 38

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L O U I S

Ich war mir immer ziemlich sicher darin, dass Miles mich geliebt hat. Ich habe mich von seinem Augenfunkeln blenden lassen, davon wie alles in Ordnung schien, wenn er bei mir war. Ein Asteroid hätte auf die Erde einschlagen können und es wäre okay für mich gewesen, solange ich in Miles' Armen gelegen hätte.

Er war das Leuchtfeuer in meinem Leben.

„Wenn er dich geliebt hat, warum ist er dann nicht mehr hier?", fragte Harry, als wir den Strand entlang gingen. Es war einer dieser ganz dunklen Nächte, in denen die Lügen plötzlich in die Wahrheiten kehrten.

Und das hat meine perfekte Illusion zum ersten Mal zerstört. Ich habe versucht, sie aufrecht zu erhalten, habe Harry und mir eingebläut, dass er mich geliebt hat. Er hat es mir gesagt. Miles hat mir gesagt, dass er mich liebte. Tag für Tag. Nacht für Nacht. Er hat es mir versprochen.

„Er hat gelogen.", erwiderte Harry brachial ehrlich und wenn es mir einen Dolchstoß verpasst hat, diente er bloß dazu, um mich aufwachen zu lassen, aus einem Traum, in dem ich seit Jahren festhing. Ein Traum, den ich Abend für Abend, immer wieder träumte. Er kam mir immer so real vor, dass die Wahrheit irgendwann mit der Lüge verschwamm. „Er hat niemanden geliebt. Nicht einmal sich selbst."

Miles war mein Traummann, perfekt in jeder Facette, aber vielleicht liegt darin auch der Punkt. Er war nur im Traum perfekt für mich. Der Traummann, der nur meinem Kopf entsprang. Vielleicht liegt der Zauber des Traumes darin, dass er uns erlaubt, die Perfektion zu schmieden. Doch keine Schlummerwelt überlebt das Wüten eines Sturmes der Realität.

Und vielleicht ist Harry der Schlüssel, um dieses Traumgeflecht loszulassen. Um mich von jemandem zu lösen, der mich nie wirklich lieben konnte.

„Manchmal habe ich das Gefühl, ihn zu vermissen.", wisperte ich, als wir uns auf dem von der Sonne gewärmten Sand niederließen. Und doch hatte meine Stimme noch nie so fremd geklungen. „Irgendwie."

Mir sagte man immer, dass Augen nicht lügen würden, doch als ich in seine braunen sah, erkannte ich schnell, dass er etwas vor mir hütete mit perfekt kalkulierter Präzision. Sein Blick verriet einen Schleier der Täuschung, den er versuchte mit Zärtlichkeit zu überdecken. Und irgendwann bemerkte ich, dass die Liebe seinerseits nicht mehr gedieh. Sie erstickte unter dem Gewicht der Täuschung und dann entfernte er sich von mir. Er war eine Spur gebrochener, leerer Versprechen.

„Manchmal vermisst du das Gefühl, das dir die Person gegeben hat, aber nicht die Person selber. Es sind wie die Echos verblassender Träume. Du wirst ihn immer ein wenig vermissen. Ich habe gesehen, wie er dich angelächelt hat. Wie ein Sonnenschein, der durch den Regen bricht." Er atmete tief ein und nahm meine Hand in seine. Die andere legte er auf meinen Schenkel. „Aber es war nicht echt, Lou, sonst wäre er noch hier."

Manchmal ist die Realität so, dass die Menschen, die wir wählen, nicht uns wählen werden.

Je länger ich seine Worte zermalme, desto mehr glaube ich, dass er recht hat. Das zwischen Miles und mir ist besser zerbrochen, denn durch die Risse kann neues Licht sickern und die Ketten, die mich an ihn gebunden haben, sind gelöst. Ich möchte mich auf Harry und mich konzentrieren und nicht auf die Bürden der Vergangenheit.

„Du hast eure Zukunft in Stein gemeißelt, aber wie hätte es funktionieren sollen, wenn Miles diesen Stein wieder betonierte?" Harry' Duft war betörend. So betörend, dass ich der Bedeutung seiner Worte keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Nicht, weil er mir egal war, sondern weil es um Miles ging und Miles meine Aufmerksamkeit nach allem nicht mehr verdiente.

„Denkst du, dass er mich überhaupt geliebt hat?"

„Nein... er hat es geliebt, wie du dich ihm hingegeben hast. Wie du alles für ihn geopfert hast, nur um mit ihm zu sein. Er hat nicht dich geliebt, sondern dass, was du für ihn sein konntest."

Autsch.

Das meinen sie also, wenn sie sagen, dass die Wahrheit wehtut.

„Was wäre, wenn Meadow an deiner Stelle gewesen wäre?", fragt er dann plötzlich und die Rädchen in meinem Kopf beginnen nachdenklich zu drehen. „Wenn sie mit einem Mann zusammen wäre, der sie nie geliebt hat und nur für ihren Körper ausgenutzt hätte? Wenn sie ihn so sehr liebt, dass es sie komplett zerstört? Was würdest du ihr sagen?"

„Dass es sich nicht lohnt zu kämpfen.", gebe ich kleinlaut zu. „Sie verdient einen Mann, der sie liebt, für alles, was sie ist und für alles, was sie lebt."

„Wie war das noch einmal mit, liebe dich selbst, bevor du andere liebst? Du solltest dir ein wenig mehr Selbstachtung schenken, Louis Tomlinson."

Mein Magen kribbelt aufgeregt. Ich habe mir immer eingeredet, dass es meine erste Divise ist, mich selbst zu lieben, doch scheinbar scheiterte es jedes Mal aufs Neue an der Umsetzung. Aber Harry drängt mich zu nichts und vielleicht lerne ich in dieser Beziehung die Selbstachtung.

Ich muss mich aus dem Griff seiner Erinnerungen befreien. Die Zeit ist gekommen, mich von den Ketten zu befreien, die mich an eine getrübte Liebe gebunden haben. Ich kann mich nicht länger von gebrochenen Träumen, die meine Gedanken heimsuchen, gefangen halten.

Harry hat mir mit diesem Gespräch, das wir lange vor unserem Streit in der Bucht geführt haben, gezeigt, dass es andere Wege zu lieben gibt. Ich habe so viel mehr verdient als die Halbwahrheiten und leeren Entschuldigungen, die Miles' und meine gemeinsame Zeit geprägt haben. Während ich mich aus dem Netz seiner Lügen befreie, lasse ich die Last des Hasses gegenüber Miles los, die mich einst verzehrte.

Stattdessen entscheide ich mich für Vergebung - nicht um seinetwillen, sondern zu meiner eigenen Befreiung. Durch Vergebung finde ich endlich die Kraft, vollständig loszulassen und in meinem Herzen Platz für neue Anfänge zu schaffen.

Harry. Mein Neuanfang.

Echoes Of Yesterday - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt