Kapitel 24

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Auch für dieses Kapitel eine Triggerwarnung am Ende des Kapitels!

H A R R Y

Zum ersten Mal in meiner gesamten Therapie bin ich froh, bei Dr. Wayman zu sein. Mir gingen die regelmäßigen Sitzungen, jeden Montag um achtzehn Uhr, ziemlich gegen den Strich, aber nach dem heutigen Treffen mit Louis in der Kanzlei habe ich das bitter nötig. „Ich höre es noch immer. Es ist nicht mehr so präsent, wie vor einigen Jahren, aber es ist noch da. Dieses gedämpfte BANG, jedes Mal, wenn ich an ihn denke."

„Worüber reden Sie, Harry?", fragt er mit schwerem britischem Akzent, als er das Klemmbrett zur Seite legt und sich vorbeugt. Sein Therapieraum strahlt eine angenehme Atmosphäre aus. Er sitzt auf einem hellen Schreibtischstuhl, ein dicker Bambustisch trennt uns voneinander, während ich mich auf einem Sessel zurücklehne. Auf den Bücherregalen stehen zig Dufterfrischer, die dermaßen intensiv riechen, dass ich zwischenzeitlich die Befürchtung hatte, er würde seine Therapierenden hypnotisieren wollen.

„Über den Amoklauf, den ich durchlebt habe, als ich achtzehn war." Ein grausam bitterer Geschmack legt sich auf meine Zunge.

Er schließt die Augen für einen kurzen Moment und atmet tief ein. „Ich habe immer gewusst, dass es ein Teil in Ihnen gibt, den Sie nicht laut aussprechen. Dabei lag meine Hoffnung darin, dass Sie es dennoch heilen können, aber nicht alle unsichtbaren Wunden können in ihrem verkappten Dasein remedieren."

„Ich spreche nicht gerne darüber.", räume ich gleich ein und reibe mir die Schläfe. „Mein Vater weiß es, weil... nun ja, meine Schwester wurde erschossen."

„Sie meinen... Bailey ist nicht während eines Verkehrsunfalls umgekommen?", hakt er vorsichtig nach und blinzelt ein paarmal.

Ich schüttle den Kopf und bemerke, wie mein Lügengespinst mit einem lauten Rumms in sich zusammenkracht. „Nein, sie hat sich vor mich geworfen, als der Schuss fiel. Viele tun es als eine Heldentat ab, aber Bailey war dumm." Ich lache freudlos. „Ich hätte sterben müssen. Der Schuss war für mich bestimmt und trotzdem hat Bailey sich vor mich geworfen. Sie hat ihr Leben gegeben, um meines zu retten und das ist dumm, weil- weil ich dieses Leben nicht mehr ausgehalten habe."

„Warum sind Sie dann noch immer hier, Harry?"

„Weil Bailey nicht sterben wollte. Ich wollte sterben. Sie wollte leben. Aber jetzt ist sie tot und jetzt... muss ich für sie leben. Ich habe weitergemacht, weil ich es ihr schuldig bin. Sie soll nicht umsonst..." Die Worte ersterben auf meinen Lippen, als ich die vertrauten grünen Augen vor mir sehe. Sie waren der Lichtblick für mich. Bailey hat immer gestrahlt und als dieses Strahlen in meinen Armen erblasst ist, dachte ich, es wäre vorbei. Meine Welt ist stehen geblieben, als sie starb und ich ihre Augen schloss. Die Augen, die identisch zu meinen waren. „Es ist dumm, weil ich gehofft habe, dass noch ein Schuss fällt, damit ich mit Bailey gehen kann. Ich habe mich geirrt. Vier weitere Schüsse. Drei weitere Opfer."

Ich habe so viele Nächte damit zugebracht, verschiedene Szenarien zu durchspielen, in denen ich, statt Bailey gestorben wäre. Seltsamerweise habe ich sie nie als Albträume empfunden, viel mehr wie nette Tagträume, die man sich zusammenreimt, um die Zeit zu überbrücken.

Dr. Wayman zieht geräuschvoll Luft ein. „Was ist mit dem anderen Schuss?"

„Er hat sich selbst getötet. Er war ein Feigling, kein Opfer. Wissen Sie, was das Lustige ist? Er hat die Patronen abgezählt. Als er den Schuss auf mich gezielt hat und Bailey und ich gemeinsam zu Boden gefallen sind, ist er davon ausgegangen, die Munition hätte mich getroffen. Dann brachte er Corrinne Campos um. Dann David Bearden. Ein Gerücht besagt, er hätte ihn umgebracht, weil David Captain des Rugby Teams war. Etwas, das Miles nie geschafft hat."

Echoes Of Yesterday - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt