Harry
„Ja keine Sorge, sie liegt im Bett und schläft." Erklärte ich Soey, die mich über James anrief, weil sie Loona nicht erreichen konnte. Der Plan war eigentlich ein anderer. „Kannst du bei ihr bleiben? Wir haben noch ein Gästezimmer, wenn du schlafen möchtest." In ihre Stimme lag Besorgnis. „Ich denke sie ist alt genug, um alleine im Haus zu bleiben." Kicherte ich und war schon dabei zur Haustür zu gehen. „Bitte Harry. Sie trinkt selten so viel. Sie wird rasch emotional instabil und bekommt Albträume." Ihre Worte ließen mich zurückblicken. „Warum?" Wollte ich wissen. Eigentlich ging es mich nichts an, aber in mir war etwas, das es unbedingt wissen wollte.
Soey seufzte und begann mir zu erklären, warum Loona so war, wie sie war. Mir stockte der Atem und nun verstand ich ihren Satz, dass niemand langgenug bliebe. „Bitte nur so lange, bis ich zurück bin." Ich stimmte zu und legte auf. Wie war ich da nur wieder reingeraten. Ein Verstorbener. In dem Moment wusste ich nicht, was ich denken sollte. Alles ratterte. Die Vorstellung, jemanden aus der zu verlieren, der einem nahestand, war fürchterlich. Wenn ich mir vorstellte, wie dass Gemma, Mum oder Dad passieren könnte, ich würde den Verstand verlieren. Nun verstand ich auch ihre ablehnende Art. Noch voll in Gedanken lief ich zu Loonas Zimmer und blieb im Türrahmen stehen. Das Licht des Mondes schien auf ihr Bett und ich konnte sehen, wie unruhig sie schlief. Sie drehte und wandte sich von einer Seite zur anderen und atmete schwer.
Ein leises Wimmern drang an meine Ohren und etwas glitzerte auf ihrer Wange. Weinte sie? „Es ... ist.. meine Schuld." Murmelte Loona leise vor sich hin. Sofort eilte ich zu ihr und legte mich neben sie auf das Bett. „Es ist nicht deine Schuld." Widersprach ich und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie öffnete kurz die Augen. Als sie mich sah, rutschte sie eng an mich heran und vergrub ihr Gesicht an meiner Brust. Sie weinte leise. Ich sagte nichts weiter und legte meinen Arm um sie. Mit sanften Streicheleinheiten auf ihren Rücken begann sie sich zu beruhigen. Sie schniefte noch vor sich hin und schien dann nach wenigen Minuten wieder eingeschlafen zu sein. Nachdem ich sie ansprach und keine Antwort mehr von ihr bekam, wollte ich aufstehen.
Doch ihr Griff in meinen Stoff war fester als erwartet. Ich wäre nicht weggekommen, ohne sie erneut zu wecken. Also ließ ich es und schloss die Augen. Wenn Soey käme, könnte ich immer noch gehen. Ich atmete tief durch und vernahm den zarten Duft von Pfirsich und Patchouli. Mir war nicht klar, ob dieser Duft von ihr kam oder ob ich mir das nur einbildete. Es war mir ein sehr bekannter Geruch. Bitter Peach von Tom Ford. Doch war es so beruhigend, dass ich meine Arme fester um sie schlang und nach wenigen Minuten in einen tiefen Schlaf sank.
Erst ein Schrei holte mich ruckartig aus meinen Schlaf. „Was zum Teufel machst du hier." Ihre Stimme war schrill und verängstigt. Ich versuchte ruhig zu bleiben. „Oh Gott, haben wir ... hatten wir?" Fügte sie hinzu. Ich rieb mir die Augen und sie sah hektisch unter die Denke. „Was? Nein. Nein, haben wir nicht." Lachte ich leise und versuchte sie damit etwas zu beruhigen. Langsam setzte ich mich auf, als im nächsten Moment die Tür aufsprang und Soey mit einem Kochlöffel vor Loonas Bett stand. „Was ist los? Warum schreist du?" Sie sah zwischen Loona und mir hin und her. Schweigen breitete sich aus. „Wieso ist Harry in meinem Bett?" Quietschte sie los und schwang sich von der Matratze. „Deswegen schreist du?" Lachte Soey und legte den Kochlöffel lachend auf den Nachttisch. Brummend raufte sich Loona die Haare und stampfte an uns vorbei nach draußen. Eine Tür knallte und Soey lachte auf. „Komm, ich mach uns einen Kaffee. Sie braucht jetzt einen Moment." Forderte sie mich auf und wir liefen gemeinsam in die Küche. Ich nahm müde am Küchentisch Platz und rieb mir übers Gesicht. „Wieso hast du dich nicht bemerkbar gemacht, als du zurück warst?" Brummte ich mit verschlafener Stimme.
Ich beobachtete Soey dabei, wie sie die Kaffeemaschine befüllt, Start drückte und im Schrank nach 3 Tassen suchte. „Ich war 20 Minuten nach unserem Telefonat wieder hier. Als ich ins Zimmer schaute, lagt ihr beide Arm in Arm und habt geschlafen. Ich habe sie selten so ruhig schlafen gesehen." Erzählte sie mir ihre Beobachtung. Das Seltsame daran war, dass auch ich sehr schnell und entspannt schlief. Seitdem Tourende war ich zwar im Urlaub und genoss diese ruhige Momente. Doch mit der Zeit fehlte mir die Aufregung, das Reisen, das Adrenalin und bekam dadurch Schlafschwierigkeiten. Ich fühlte mich unterfordert. Aber gestern Abend war das alles weg. Ich lag mit einer unbekannten Frau in einem fremden Bett und habe einfach geschlafen. „Hatte sie einen Albtraum?" Holte mich Soey aus meinen Gedanken. Vorsichtig goss sie Kaffee in die Tassen. Behutsam schob sie mir eine Kaffeetasse rüber und ich bedankte mich. „Ja. Sie wälzte sich, wimmerte und sprach im Schlaf. Sie gab sich die Schuld." Soey seufzte und legte ihren Finger auf ihren Mund, als wir hörten, wie die Tür wieder auf ging. Soey sprang auf und holte aus dem Kühlschrank die Packung Milch. Eilig goss sie einen Schluck ein und reichte Loona die Tasse mit Kaffee.
Ich hatte ja bereits einen Einblick in die Morgenmuffeligkeit von Loona gewinnen können und wusste, dass es erst mal besser war zu schweigen, um ihr die Möglichkeit zu geben, mit ihrem Kaffee richtig wach zu werden. In der Küche herrschte eine erdrückende Still. Nur das leise Surren des Kühlschranks und unser gelegentliches Schlürfen war zu hören. Mein Blick fiel immer wieder auf Loona, die uns seltsam ansah. So eine Mischung aus verwundert und straffend. „Wenn ihr mich weiter so beobachtete, trete ich euch gegen die Schienbeine." Wetterte sie los und drehte sich mit ihren Stuhl um und schaute in den Flur. Ich musste mir das Lachen verkneifen, weil ihre schmollende Art schon etwas süß war. Genauso wie sie sich an mich kuschelte und wieder friedlich einschlief.
Es störte mich kein Stück, das sie gestern in meinen Armen lag. Es war seit langen einer der friedlichste Moment. Ich hatte nichts dagegen, wenn wir es wiederholten. Aber genau da war der Knackpunkt. Für mich war, dass okay. Warum? Loona hatte kein Interesse an mir, wenn sie könnte, würde sie mich aus dem Haus schmeißen und mir nie wieder die Tür öffnen. Mir war bewusst, dass ich mich bei zwei fremden Frauen aufhielt und dass die beiden dadurch auch in Schwierigkeiten geraten würden. Rückblickend war der gestrige Abend leichtsinnig. Wenn jemand von der Presse uns gesehen hätte, könnte es den beiden ihren Aufenthalt in London echt vermiesen. Trotzdem war der Abend gestern klasse. Denn für einen Moment erlebte ich eine andere Loona. Fröhlich, offen und witzig. Ich konnte verstehen, dass ihr Job und die Verarbeitung ihrer Trauer schwierig sein. Soey erzählte mir nur, dass jemand gestorben sei und sie sich die Schuld daran gab. Mehr ins Detail wollte sie nicht gehen, um die Privatsphäre von Loona nicht zu verletzten.
Sie schien eine Menge mit sich rumzuschleppen. Und ich war der letzte, der ihr noch weiter auf die Nerven gehen wollte. Ich trank leise meinen Kaffee aus und stand auf. Das Wetter in London schien auch nicht mitzuspielen, denn draußen verdunkelt sich der Himmel und die ersten Regentropfen prasselten gegen die Fensterscheiben. „Du gehst schon?" Doch es war nicht, wie er warte, die Frage von Soey, sondern von Loona. Sie stand auf und stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch. Sanft lächelte ich und nickte. Ich deutete auf meine Kleidung und lachte leise. „Ich muss mal aus den Klamotten raus." Ihr Blick senkte sich und sie zupfte nervös an ihren Sachen. Ich blickte zu Soey, die Loona mit offenem Mund anstarrte. „Ich... ich bring dich zur Tür." Flüsterte sie leise und lief an Soey und mir vorbei. Soey packte mich am Handgelenk und zog mich zu sich runter. „Egal was du gemacht hast, hör nicht auf damit. So umgänglich war sie noch nie." Lachte sie leise. „Danke, Harry." Fügte sie hinzu und ließ mich los. „Wenn irgendwas ist, dann ruf an. Okay? Wir sehen uns." Verabschiedete ich mich von Soey, drückte sie kurz und lief dann zu Loona.
Was hatte ich denn getan? Ich war nur mit ihr essen und hab die Nacht eher unbeabsichtigt bei ihr im Bett verbracht. Als ich Loona erreichte, stand sie schweigend vor der Tür und schaute aus dem Fenster. Sie sah entspannt aus und sah auch nicht mehr so verkniffen. Erst als sie zu mir blickte, fiel mir auf, wie rot sie im Gesicht war. Sie war verlegen und das nicht wenig. „Danke für den.. gestrigen Abend." Bedankte sie sich bei mir, was mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. „Das freut mich. Gerne wieder." Bot ich an und öffnete die Tür. Sie nickte höflich. Ich wusste jetzt schon, dass es wohl nicht noch mal dazu kommen würde. Kühle Luft wehte zwischen uns durch. Der Geruch von Regen mischte sich mit ihren Duft nach Pfirsich und Patchouli. Ich machte einen Schritt auf sie zu, als es fürchterlich krachte. Schreiend hielt sich Loona ihre Ohren zu und vergrub ihr Gesicht an meinen Brustkorb. Schützend legte ich meine Arme um sie und strich ihr sanft über ihren Rücken. „Ganz ruhig. Es ist alles okay. Es war der Donner." Ich spürte ihr Zittern. Es blitze und erneut krachte es draußen. Sie zuckte heftig zusammen.
„Du scheinst Gewitter nicht sonderlich zu mögen." Flüsterte ich leise und drückte sie sanft von mir. „Wenn du gesehen hättest, was ein Blitz mit dem menschlichen Körper anstellt, dann würde es dir auch nicht gefallen." Ihre Stimme war leise. Langsam nahm sie die Hände von ihren Ohren und schaute kurz nach draußen. „Willst du da jetzt wirklich raus. Ich meine, es regnet ... du.. du könntest auch hier warten bis...bis es aufgehört hat." Unterbreitet sie mir den Vorschlag und sah mich an. Es war nett von ihr. Aber ich wusste, dass es besser wäre, jetzt zu gehen. „Schon okay. Es sind ja nur ein paar Meter bis zu meinem Haus. Also Loo, danke für den schönen Abend. Danke, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, diesen Abend zu etwa besonderen zu machen. Vielleicht sieht man sich mal wieder." Ich reichte ihr die Hand, die sie zögerlich annahm und verabschiedete mich. Ohne weiter etwas zu sagen, verließ ich deren Haus und trat in den kühlen Regen. Es dauerte keine zwei Minuten und meine Klamotten waren durchgeweicht. Was mich persönlich nicht störte. Es war eine Abwechslung, den Regen einfach mal auf diese Art zu genießen.
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Pillow Talk || H.S. [18+] || German
FanfictionIn PILLOW TALK begleiten wir Loona, eine leidenschaftliche Krankenschwester, die mit den Schatten ihrer Vergangenheit kämpft. Nach einem schweren Autounfall, bei dem sie ihren Bruder verlor, ist sie von Schuldgefühlen zerfressen und unfähig, eine em...