Ein tiefes Band

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Loona

So unsicher ich mir auch war, ich wollte es versuchen. Es fehlte mir noch etwas an Zuversicht, da es immer wieder ins Holpern kam. Nicht durch den Medienrummel der da entstand, nicht die Gerüchte oder Vermutungen und Beschuldigungen, sondern mehr durch meine Art ihn aus meinem Alltag auszuschließen. Und das war noch nicht mal beabsichtig. Diese Arbeitszeiten mitten in der Nacht gab uns nicht immer viel Zeit für einander. Doch Harry machte alles, damit ich mich wohlfühlte, dass wir uns trotzdem sahen. Sei es nur für ein oder zwei Stunden, oder sogar 10 Minuten am Hintereingang des Krankenhauses. Oft war er sonntags bei mir, um die Freizeit mit mir zu verbringen. Dennoch fühlte es sich nicht so an wie in London. Diese Zeit dort war anders. Intensiver und freier. Hier war es nur ein Kampf um Zeit. „Moon? Hey, ... Moon.. LOONA!!" Ruckartig sah ich auf und blickte in den ersten Blick von Harry. „Mmhh ja?" Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Du bist schon wieder ganz wo anders. Dein Essen wird kalt." Wies er auf meinen Teller mit Bandnudeln und Lachs. „Oh tut mir leid."

Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, als ich mich entschuldigte. „Du musst dich nicht entschuldigen. Aber es würde mir helfen, wenn du mir erzählen würdest, was in deinen Kopf vorgeht." Harry streckte seine Hand aus und legte sie sanft auf meinen Handrücken. „In.. meine Kopf?" Er lächelte verschmitzt. „Ja Moon in deinen Kopf. Ich kenne dich einigermaßen gut, um zu wissen, dass etwas in die vorgeht. Jedoch bin ich kein Gedankenleser." Scherzte er sanft und brachte mich leise zum Kichern. „Richtig, das bist du nicht." Ich legte meine Gabel zur Seite und lehnte mich auf meinen Stuhl zurück. „Sag Harry, bist du glücklich?" Fragte ich leise und sah ihn abwartend an. Langsam lehnte er sich vor und nahm meine Hand in seine. „Du bist es nicht, richtig?" Kam die Gegenfrage. „Bitte beantworte meine Frage, Harry." Bat ich sanft. „Ja ich bin glücklich. Ich habe dich, aber.." Er stoppte in seinen Satz und atmete tief durch. „Aber ich würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen, Loona." Mein Herz schlug bis zum Hals.

„Es ist schwer ein tiefes Band zu dir zu knüpfen, wenn du immer erschöpft von der Arbeit kommst oder tagsüber schläfst." Er hatte Recht. So konnte das alles nicht funktionieren. Sollte das alles zum Scheitern verurteilt sein? „Also, war es das?" Fragte ich sachte und senkte meinen Blick. „Nein, nein, absolut nein. Ich lasse mich deswegen nicht abschrecken. Moon, sieh mich an!" Bat er mich und ich sah auf. Warum fühlte ich mich so klein, wenn ich mich doch gut gehen sollte? Zögerlich sah ich auf. „Ich würde mich freuen, wenn du dir vielleicht mal Gedanken machst, in eine andere Schicht zu wechseln. Oder einen anderen Job zu machen, der dir mehr von deinem Leben zurückgibt." Er traf einen wichtigen Punkt. „Versteh mich nicht falsch Loona. Ich weiß, wie wichtig dir dein Job ist, aber sehe auch, dass er dich fertigmacht. Es saugt dich aus. Oder mehr dieser Schichtleiter. Warum beschwerst du dich nicht weiter oben?" Ich nickte sachte und spielte mit der Gabel auf dem Tisch. „Das ist nicht so einfach." Flüsterte ich. „Loona, du kannst doch nicht ewig so weitermachen. Ich liebe dich und ich mache mir Sorgen."

Ich verstand seine Sorgen. A es war wirklich nicht so einfach. Hätte ich mich über Mikes Verhalten und Arbeitsweisen beschwert, dann würde er vielleicht gefeuert werden. Was wiederum auf Soey zurückgefallen wäre und das war das Letzte, was ich wollte. „Glaube mir, es ist wirklich nicht so einfach." Machte ich erneut klar. „Loona du gehst dran kaputt. Denkst du, ich kann einfach daneben stehen und zu sehen, wie du irgendwann ausbrennst?" Sein Ton war harsch und anklagend. „Harry, es ist mein Leben und mein Job. Ich mag ihn und werde ein Teufel tun und niemanden irgendwo anschwärzen. Du hast keine Ahnung, was das für Auswirkungen haben würde." Auch mein Ton wurde rauer. „Und welche wären das bitte? Die Möglichkeit etwas mehr Zeit zu haben? Einen normalen Schlafrhythmus? Normale und gerechte Arbeitszeiten?" Genervt legte ich meine Gabel auf den Teller und räumte diesen in die Küchenspüle. „Verstehe doch, dass ich nur helfen will, Loona. Merkst du es nicht? Du wirst von Mal zu Mal schlechter gelaunt und Kleinigkeiten bringen dich an die Decke? Du hast Soey seit fast zwei Wochen nicht mehr gesehen, geschweige mit ihr telefoniert. Und ich bekomme dich auch kaum zu Gesicht."

„Du hast leicht Reden, Harry. Es ist mein Job. Es ist mein Leben und ich habe mich dafür entschieden." Mir war klar, dass er Recht hatte. „Es wäre schön, wenn du dich auch für mich entscheiden würdest, Loona." Jedes Mal zwickte es in mir, wenn er Loona sagte. Ich mochte es, wenn er mich Moon nannte. Aber selbst das wurde weniger. Diese Unbeschwertheit, die sich mit dem Kosenamen aufgebaut hatte, verebbte immer mehr. Ich drehte mich zu ihm um. Mir war klar, dass ich dabei war alles kaputtzumachen, aber ich wollte auch Soey schützen. „Ich sehe es in deinem Blick. Was ist los, was dich so beschäftigt, dass du es in dir verschließt?" Seine Frage war leicht und mit schwacher Stimme. Er stand auf und kam zu mir herüber. Seine Arme schlangen sich um meinen Oberkörper und er drückte mich an sich. „Loona. Komm schon. Lass mich teilhaben an deinem Leben. Bitte."

Ich atmete tief durch, meine Gedanken rasten durch meinen Kopf. Sollte oder mehr, durfte ich das Harry erzählen? Es fühlte sich falsch an etwas so Privates preis zugegen. Aber noch mehr störte es mich darüber Stillschweigen zu bewahren. Behutsam drückte ich mich etwas von Harry weg, nur soweit das ich ihn anschauen konnte. „Versprich mir, dass du kein Ton gegenüber Soey erwähnst. Ich schwöre, sonst bist du geliefert." Machte ich ihm klar. Er schmunzelte und strich mit eine Strähne aus dem Gesicht. „Keine Sorge. Ich werde schweigen." Erwiderte er und sein Blick wurde wieder ernster als er meine Ernsthaftigkeit erkannte. „Schon gut. Verstanden! Kein Wort zu Soey. Also was ist los?" Mit einem Nicken lehnte ich meinen Kopf wieder an Harry Brust. „Kannst du dich erinnern, als wir uns das erst mal begegnet sind? Also ich meine den Moment, als du mir im Park mein Handy zurückgegeben hast?" Wollte ich von ihm wissen und hörte, wie sein Herz schneller schlug. „Oh Moon, wie könnte ich das je vergessen."

Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen. Doch das verschwand, als ich fortfuhr. „Ich hatte Soey gesucht. Sie ist damals weggerannt." Und ich erzählte was passierte zwischen ihr und Mike, meinen Schichtleiter. Alles, von vorne bis hinten. Harrys Umarmung wurde etwas fester und seine Muskeln spannten sich mehr an. „Deswegen ist es nicht so einfach. Der Gedanke macht mir Angst, dass dieser Penner ihr die Hölle heißmachen könnte. Natürlich möchte ich nicht, dass er weiter so durchkommt. Ich will auch nicht die ganze Zeit nur arbeiten und nichts vom Leben haben. Glaube mir, das habe ich begriffen. Aber einfach so kündigen ist auch nicht Sinn der Sache. Dann könnte er einfach weiter machen. Das will ich auch nicht." Sprudelte es aus mir. Nun war es mein Griff, der sich um Harry festigte. „Moon, deine Freundschaft zu Soey in allen Ehren, aber du musst auch auf dich achten. Du trägst so viel mit dir herum, dass du dich total vergisst. Rede mit Soey. Sag ihr, was du machen möchtest, erkläre ihr deine Bedenken. Glaub mir, sie wird es verstehen. Sie liebt dich und würde nicht wollen, dass du wegen ihr leidest. Und ich bin auch noch da. Ich werde helfen, wo ich kann. Also Ruf sie an oder trefft euch. Redet und klärt das."

Er hatte Recht, das Problem durfte nicht wachsen, es musste im Keim erstickt werden. „Du hast Recht. Danke Harry. Danke fürs Kopfwaschen. Das war mal wieder nötig. Tut mir leid, dass du da mit drunter leiden musst." Entschuldigte ich mich und sah zu ihm auf. Ein sanftes und verständnisvolles Ausdruck legte sich auf seine Gesichtszüge. Langsam senkte er sein Kopf zu mir runter. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Wirklich nicht. Ich bin dankbar, das du dich geöffnetes hast und mir erzählt hast, was in deinem Kopf los ist. Ich weiß das fällt dir nicht leicht. Aber erinnere dich das ich immer für dich da bin, okay?" Seine Stimme war tief und leicht rau, dadurch bekam ich Gänsehaut. Seine Hand legte sich an meine Wange. Seine Lippen schwebten über meinen. „Okay!" Hauchte ich sanft und schloss den Abstand zwischen uns. Der Kuss war weich, leicht und vorsichtig. Ich spürte, wie die Last von meinen Schultern abfiel. 

Pillow Talk || H.S. [18+] || GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt