Auf meiner Hand

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Loona

Ich atmete tief durch und zog die Bettdecke eng an mich heran, als ich das leise Prasselgeräusch wahrnahm. Nur mühevoll schaffte ich es, meine Augen zu öffnen und blickte aus dem Fenster. Es regnete. Dünne Rinnsale rannen die Fensterscheibe hinab. Der Himmel war grau und tauchte mein Schlafzimmer in ein dämmriges Licht. Ein Licht, das es mir schwer machte, in die Gänge zu kommen. Mein Körper fühlte sich schwer an und war noch nicht bereit, sich zu bewegen. Das war nicht gut. Die zwei Wochen Urlaub hatten meinen Rhythmus sehr durcheinandergebracht. Qualvoll setzte ich mich auf und rieb mir die Augen. Noch einmal atmete ich tief durch, schlug die Decke zur Seite und drückte lustlos meine Beine aus dem Bett. „Kaffeeeeee", brummte ich vor mich hin. Mit einem gezwungenen Schwung erhob ich mich aus dem Bett und schlurfte zum Kleiderschrank. Mit einem gezielten Griff schnappte ich mir ein Shirt und einen Slip und trottete ins Bad. Ich knipste das Licht an. Instinktiv fauchte ich wegen der Helligkeit. Vor dem Spiegel versuchte ich, mich endlich vollständig aufzurichten.

Doch als es nicht so recht klappte, tapste ich weiter zur Toilette und erleichterte mich. Mit weniger Druck auf der Blase machte ich mich zum Waschbecken, wusch mir die Hände und dann mein Gesicht. Mit dieser kleinen Katzenwäsche zog ich mir meinen Slip und das Shirt an. Mit hängenden Schultern schlich ich in die Küche. Meine Hand holte wie automatisiert eine Tasse aus dem Schrank und stellte diese wie immer unter die Kaffeemaschine. Ich drückte den Knopf, schloss die Augen und legte einen Moment den Kopf in den Nacken. Als ein nervtötendes Piepsen ertönte, blickte ich zur Kaffeemaschine. „Ist jetzt nicht dein Ernst", knurrte ich genervt, als ich die Meldung „Keine Bohnen" las. „Du verarschst mich doch." Ich wuschelte mir durch die Haare und schrie kurz auf. Für einen Moment war ich fassungslos, bis mir wieder einfiel, dass ich vor dem Urlaub den Kaffee noch aufgebraucht hatte.

Ich schnappte meine Tasse und wollte sie gerade wieder in den Schrank stellen, als es draußen ohrenbetäubend laut krachte. Erschrocken schrie ich auf und ließ dadurch die Tasse fallen, worauf sie am Boden zu Bruch ging. Sofort hielt ich mir die Ohren zu und ging in die Hocke. Wie ich es hasste. Dieser Donnerschlag ging mir durch Mark und Bein. Mein Herz raste in meiner Brust. „Fuck... fuck... fuuuuuck", brabbelte ich vor mich hin. Ich kam mir so dumm vor, dass ich in meinem Alter nicht mit einem Gewitter klar kam. Dann hörte ich einen weiteren Knall, etwas Klirrendes und fühlte etwas Warmes an meinem Rücken. Ich schrie auf und zuckte zusammen. „Hey Moon... ganz ruhig." Es war Harry. „Harry...", hauchte ich, drehte mich und wollte ihn umarmen. „Moon... Vorsicht", hörte ich seine warnende Stimme. Ein ziehender Schmerz machte sich in meiner Handinnenfläche bemerkbar. „Autsch." Harry zog mich hoch und setzte mich mit Schwung auf die Arbeitsfläche meiner Küche. Mein Blick fiel auf meine Hand. Ein Keramiksplitter der Tasse steckte in meiner Hand. „Verdammt", brummte Harry aufgeregt und schnappte sich ein Papiertuch.

Etwas unsicher betrachtete Harry meine Hand und setzte an, den Splitter aus meiner Handinnenfläche zu ziehen. „Es tut mir leid", sprach er leise und entfernte den Fremdkörper. Ich zuckte zusammen, weil es doch mehr wehtat, als ich erwartet hatte. Auch der Splitter war größer als gedacht. Sofort ran Blut aus der Schnittwunde. Harry drückte das Papiertuch auf die Wunde, was unangenehm war. Mir wurde flau im Magen und ein Kältegefühl überrollte mich. Mein Blick begann leicht zu verschwimmen. „Moon, schau mich an." Ich tat, was er sagte, und spürte seine Hand an meiner Wange. Sein Gesicht sah besorgt aus, sein Haar und seine Kleidung waren nass. Mein Blick driftete an ihm vorbei und sah eine Einkaufstüte und meinen Schlüssel, der auf der Kücheninsel lag. „Loona, hey..." schnippte er vor meinem Gesicht und zog meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Es tut mir leid", entschuldigte ich mich. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, und er tauschte das Tuch auf meiner Hand aus.

„Weshalb?" wollte er wissen. „Ich... ich habe nicht bemerkt, dass du nicht da bist", gestand ich ihm. Ich fühlte mich schlecht, dass mir nicht eine Sekunde lang aufgefallen war, dass er gar nicht neben mir im Bett lag. Sein Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. „Wann bist du gegangen?" fragte ich mit zittriger Stimme. Er lachte leise auf. „Vor gut einer Stunde. Ich habe versucht, dich zu wecken, aber du hast geschlafen wie ein Stein. Ich hatte dir eine Nachricht hinterlassen", erklärte er mir und zeigte mit einer Hand in Richtung Couchtisch. „Ich war so in meinem alltäglichen Trott", flüsterte ich und sah zur Kaffeemaschine. Ich war kaum einen Tag in L.A. und war schon in meinem alten Muster. „Mach dir nicht so einen Kopf, Moon", beruhigte er mich, küsste mich auf die Wange und kümmerte sich weiter um meine Hand. „Das blutet ganz schön doll. Wir sollten ins Krankenhaus", schlug er vor und tauschte erneut das Tuch. „Nein... nicht ins Krankenhaus", platzte es aus mir heraus, und ich legte meine Hand auf seine.

Pillow Talk || H.S. [18+] || GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt